AUS DER KAPITALMARKTFORSCHUNG

Banken sollten ihre Aktivitäten offenlegen müssen

Vermehrte Tätigkeit in nichttraditionellen Geschäftsfeldern lässt Beitrag zum Systemrisiko steigen - Fokus der Regulierungsbehörden anpassen

Banken sollten ihre Aktivitäten offenlegen müssen

Was haben Deutsche Bank, Bank of America und Goldman Sachs gemein? Sie alle zählen zu den insgesamt 30 Banken, die vom Finanzstabilitätsrat als global systemrelevant – “Global Systemically Important Banks” (G-SIB) – klassifiziert worden sind (Stand: November 2015). Welche Bedeutung hat aber das systemische Risiko für die Stabilität des Finanzsektors?Mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 erreichte die Finanzmarktkrise, die 2007 auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt begonnen hatte, ihren Höhepunkt. Die Niedrigzinspolitik der Federal Reserve Bank (Fed) löste in den Vorkrisenjahren einen Immobilienboom auf dem US-amerikanischen Markt aus, mit dem Ergebnis, dass das Platzen der Immobilienblase im Sommer 2007 zu einer der schwersten systemischen Störung des globalen Finanzsystems führte. Die Finanzmarktkrise weitete sich innerhalb der beiden nachfolgenden Jahre zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise aus, die durch Insolvenzen zahlreicher – insbesondere systemrelevanter – Finanzinstitute gekennzeichnet war. Domino-EffektDoch wie kam es zu dieser Verbreitung und der überregionalen Ausweitung der Finanzkrise? Als Erklärungsansatz für die Ausweitung von Krisen werden oftmals sogenannte Ansteckungseffekte angeführt. So kann es zu direkten Ansteckungen zwischen einzelnen Banken kommen, die über den Interbankenmarkt miteinander in Beziehung stehen. Die starke Vernetzung zwischen den Banken führte in der jüngsten Finanzmarktkrise letztlich zu erheblichen Vertrauensverlusten auf den Finanzmärkten – bis hin zu einem Austrocknen des Interbankenmarktes. Doch nicht nur die direkte Übertragung über den Interbankenmarkt beschleunigte die Ansteckung im Finanzsektor. Auch indirekte Übertragungskanäle führten zum Zusammenbruch weiterer Banken.In diesem Zusammenhang kann die Insolvenz oder bereits eine Negativschlagzeile, die die drohende Schieflage eines Finanzinstituts betrifft, dazu führen, dass diese im Ursprung institutsspezifischen Informationen auf den gesamten Finanzsektor übertragen werden. Der Informationskanal – als einer der wesentlichen indirekten Ansteckungskanäle – zeichnet sich insbesondere durch Informationsasymmetrien zwischen Banken und Investoren aus und verstärkte während der Finanzmarktkrise die Instabilität auf den Finanzmärkten. Mögliche Gründe dafür sind beispielsweise die Erwartungshaltung der Investoren, die vermuten, dass die von der in Schieflage geratenen Bank eingegangenen Risiken auch von den übrigen Banken im Bankensektor eingegangen worden sind, so dass folglich weitere Verluste auf dem Bankenmarkt zu erwarten sind. Aber auch noch offene Forderungen ihrer Banken gegenüber der in Schieflage geratenen Bank wurden erwartet, mit der Folge, dass Investoren mit einem Abzug ihrer Einlagen reagierten.Sowohl die direkten als auch die indirekten Ansteckungseffekte führten wie ein Domino-Effekt dazu, dass sich die Finanzmarktkrise mit weiteren Bankeninsolvenzen ausweitete. So konfrontierten Einlagenabzüge in der jüngsten Finanzmarktkrise Banken mit erheblichen Liquiditätsproblemen, wie der Bank Run – als eine Ausprägungsform der Bank Contagion (Bank-Ansteckung) – auf die britische Bank Northern Rock verdeutlicht.Störungen des Ablaufes von Finanzdienstleistungen sowie infolge von Ansteckungseffekten resultierende gesamtwirtschaftliche Folgen sollen durch geeignete Regulierungsmaßnahmen begrenzt werden. Ziel ist es dabei, sowohl die Stabilität eines einzelnen Instituts, aber auch die des gesamten Bankensektors zu gewährleisten und in Zukunft sicherzustellen. Das Too-big-to-fail-ParadigmaZahlreiche Regulierungsmechanismen versuchen, wie etwa durch die Präsenz eines Einlagensicherungssystems, informationsbasierte Bank Runs zu verhindern. Einleger sollen dadurch keine Anreize haben, aufgrund von asymmetrischen Informationen über die Bonität ihrer Bank ihre Einlagen frühzeitig abzuziehen. Eine weitere Ausprägung protektiver Regulierungsmaßnahmen stellt der Eingriff der Zentralbank als “lender of last resort” dar. Während bei der Einlagensicherung die Auszahlung an die Einleger einer insolventen Bank bereits ex ante festgelegt wird, handelt es sich bei dem Eingriff der Zentralbank um eine Ex-post-Liquiditätsbereitstellung an den Bankensektor. Doch die Bereitstellung solcher protektiven Regulierungsmaßnahmen geht mit einem negativen Anreizmechanismus einher: dem Too-big-to-fail-Paradigma. Dieses bietet Finanzinstituten einen Anreiz, immer größer und zugleich systemrelevanter zu werden, um künftig erforderliche Rettungsmaßnahmen durch staatliche Eingriffe erwarten zu können.Es stellt sich die Frage, von welchen Instituten eine besondere Gefahr für die Finanzmarktstabilität ausgeht. Um Finanzinstitute hinsichtlich ihres Systemrisikos zu beurteilen, hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wesentliche Determinanten des Systemrisikos identifiziert:- Größe- Grad der Vernetzung- Komplexität- Ersetzbarkeit- grenzüberschreitende AktivitätenFür die institutsspezifische Einstufung der Systemrelevanz wird durch die Gewichtung der genannten Merkmale auf jährlicher Basis ermittelt, welche Banken als global systemrelevant einzustufen sind. Es wird angenommen, dass Banken mit zunehmender Größe, einem starken Vernetzungsgrad auf dem Interbankenmarkt, mit hohem Komplexitätsgrad und verstärkten grenzüberschreitenden Aktivitäten eher zur Instabilität des Finanzsektors beitragen. Eine einfache Ersetzbarkeit eines Instituts wird dabei eher als stabilitätsfördernd angesehen. Entscheidender UnterschiedDoch in diesem Zusammenhang wird der Begriff des systemischen Risikos verwendet, ohne dabei eine entscheidende Unterscheidung zu treffen:- Beitrag zum Systemrisiko- Anfälligkeit gegenüber SystemrisikenDamit gemeint ist, dass nicht alle Finanzinstitute, die einen hohen Beitrag zum systemischen Risiko leisten, gleichzeitig auch anfälliger diesem gegenüber sind und vice versa. Vielmehr muss unterschieden werden, welche Finanzinstitute zu einer Erhöhung des Systemrisikos führen und damit zu einer erhöhten Finanzinstabilität und wodurch sich diese Institute von anderen unterscheiden, für die diese Eigenschaft nicht zutrifft. Dieser Punkt liefert folglich wesentliche Erklärungsansätze, die eine wesentliche Anpassung aus regulatorischer Sicht erfordern. Insofern sollten Institute, die besonders anfällig gegenüber Ansteckungseffekten reagieren, gegebenenfalls Anpassungen in ihren Bilanzen vornehmen, dass zukünftig ihre institutsspezifische Stabilität gewährleistet werden kann. Große haben es leichterWodurch könnten Unterschiede im Beitrag zum Systemrisiko und die Anfälligkeit gegenüber Systemrisiken bestimmt werden? Eine mögliche Antwort liefert die Einkommensquelle von Instituten. Der GrammLeach-Bliley Act aus dem Jahr 1999, welcher den Glass-Steagall Act von 1933 aufhob, führte zu einer Trennung des traditionellen Depositengeschäftes (Commercial Banking) vom Investment Banking. Im Ergebnis konnten Banken verstärkt in Geschäftsfeldern, die nicht zu den traditionellen Bankenaktivitäten zählen, aktiv werden – wie etwa dem Investment Banking und dem Verbriefungsgeschäft. Es stellt sich die Frage, welche Banken ihre Geschäfte verstärkt in den nichttraditionellen Bankenaktivitäten tätigen. Einige Studien dazu zeigen, dass größere Banken verstärkt in den nichttraditionellen Geschäftsfeldern aktiv sind. Oftmals wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass größere Banken einfacher von der Diversifikation ihres Einkommens profitieren können als kleinere Banken (siehe Grafik).So zeigt sich, dass an der Bilanzsumme gemessen größere Banken ein deutlich höheres Level an nichtzinsgebundenem Einkommen im Vergleich zum Gesamteinkommen zeigen als kleinere Banken. Dennoch ist während der jüngsten Finanzmarktkrise ein deutlicher Einbruch dieses Einkommensbezuges festzustellen, während kleinere Institute ein relativ konstantes Niveau – auch in Krisenphasen – aufzeigen. Dieses impliziert, dass das nichtzinsgebundene Einkommen eine stark volatile Einkommensquelle zu sein scheint, insbesondere für große Banken.Darüber hinaus führt der globale Trend hinsichtlich einer stärkeren Diversifikation des Einkommens dazu, dass Banken eine zusätzliche Einkommensquelle haben. In diesem Zusammenhang haben zahlreiche Studien festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen Diversifikation und dem Systemrisiko gibt. So kann beispielsweise die verstärkte Nutzung nichttraditioneller Einkommensquellen zu einer höheren Volatilität der Renditen führen, wodurch solche Bankstrategien eher als riskant einzustufen sind. Zu klären bleibt in diesem Kontext, ob nichttraditionelle Geschäftsfelder den Beitrag und die Anfälligkeit einer Bank gegenüber Systemrisiken beeinflussen. Kein eindeutiges RisikomaßGibt es ein eindeutiges Maß, um Systemrisiken auf dem Markt zu messen? In der Literatur würde man zu dieser Frage keine eindeutige Antwort finden. Dennoch gibt es zwei relevante Ansätze, Systemrisiken zu messen: der Dynamic Marginal Expected Shortfall (MES) als Maß für die Anfälligkeit einer Bank gegenüber Systemrisiken und Delta CoVaR (Conditional Value at Risk) als Maß für den Beitrag eines einzelnen Instituts zum Systemrisiko. Vereinfacht ausgedrückt wird beim Dynamic MES gemessen, wie die Rendite eines einzelnen Instituts auf Änderungen im Markt reagiert. Bei der Delta CoVaR Methode hingegen steht der Einfluss einzelner Renditen auf den Gesamtmarkt im Vordergrund. Während ein hoher Dynamic MES mit einer hohen Anfälligkeit gegenüber Systemrisiken eingeht, geht ein niedriger Wert von Delta CoVaR mit einem hohen Beitrag zur Systeminstabilität einher. Es hat sich gezeigt (siehe Grafik), dass in Krisenphasen sowohl die Anfälligkeit als auch der Beitrag einzelner Institute zum Systemrisiko steigt. In eher ruhigen Phasen lässt sich ebenfalls eine ähnliche Trendentwicklung zwischen den beiden Maßen erkennen. Signifikante ErgebnisseUm der Frage nachzugehen, ob beide Systemrisikomaße von den gleichen Einflussfaktoren bestimmt werden, konnte gezeigt werden, dass ein Anstieg des Systemrisikobeitrages einer Bank mit einem Anstieg ihres Vernetzungsgrades auf dem Interbankenmarkt einhergeht. Im Rahmen weitergehender Analysen kann für Großbanken nachgewiesen werden, dass nichttraditionelle Bankgeschäfte den Systemrisikobeitrag signifikant erhöhen – nicht aber die Systemrisiko-Anfälligkeit. Dieses Ergebnis zeigt somit, dass die Diversifikation der Einkommensgeschäfte auf Institutsebene nicht mit einer Erhöhung der Systemrisiko-Exposition einhergehen, auf der Gesamtbankebene hingegen ausgehend von diesen Instituten ein Anstieg des Systemrisikobeitrages nachgewiesen werden kann.Ferner kann seit der Einführung des Gramm-Leach-Bliley Acts eine verstärkte Ausrichtung an nichttraditionellen Bankgeschäften ermittelt werden. In diesem Zusammenhang kann in weiteren Analysen nachgewiesen werden, dass seit der Einführung des Gramm-Leach-Bliley Acts ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Systemrisikobeitrag und den Ertragszuflüssen einer Bank, die nicht vorrangig aus dem Zinsgeschäft resultieren, besteht. Politische ImplikationenDie Ergebnisse haben relevante politische und regulatorische Implikationen. Zunächst kann gezeigt werden, dass eine Unterscheidung zwischen dem Beitrag zum Systemrisiko und der Anfälligkeit einer Bank gegenüber Systemrisiken im Finanzsektor notwendig ist. So führt die Insolvenz eines Institutes wie beispielsweise Lehman Brothers 2008 dazu, dass ausgehend von dieser Investmentbank ein hoher Beitrag zum Systemrisiko auf dem Bankensektor festzustellen ist. Demnach sind solche Störungen des Finanzbereichs anders zu regulieren als lediglich die Regulierung auf Institutsebene, in der es um die institutsspezifische Sicherung der Stabilität geht. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass die institutsspezifische Einkommensdiversifikation insbesondere mit verstärkter Verwendung von nichttraditionellen Bankaktivitäten dazu führen kann, dass die Bank besser mit negativen Effekten auf dem Finanzmarkt umgehen kann. Während ein Anstieg dieser nichttraditionellen Bankgeschäfte nicht die Anfälligkeit einer Bank gegenüber Systemrisiken beeinflusst, wird dieser Effekt allerdings für den Beitrag zum Systemrisiko schlagend. Somit sollten Banken insbesondere dahingehend reguliert werden, ihre Bankaktivitäten offenzulegen, so dass in Hinblick auf die Frage der Finanzmarktstabilität ihre Tätigkeiten in diesen nichttraditionellen Bankgeschäften stärker in den Fokus der Regulierungsbehörden rücken. Die dadurch einhergehende Reduktion ihres Systemrisikobeitrags im Finanzsektor kann folglich zu einer höheren Finanzmarktstabilität führen.