Banken wappnen sich für Prüfung

EZB erhebt Daten zu Immobilienrisiken - Öffentliche Banken wenden sich gegen Ad-hoc-Abfragen

Banken wappnen sich für Prüfung

Die Kreditwirtschaft wappnet sich für die Prüfung ihrer Immobilienkreditvergabe durch die Aufsicht. Deutsche Banken haben dabei schon deshalb besonders viel Aufwand, da die Datenlage zur Immobilienkreditvergabe bundesweit dünner ist als andernorts. Banken befürchten schwierige Vor-Ort-Prüfungen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Banken in Deutschland müssen sich darauf gefasst machen, dass die Aufsicht ihre Immobilienengagements in bisher beispielloser Tiefe durchleuchtet. Darauf deuten Informationen der Börsen-Zeitung zum Ablauf der von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestoßenen europaweiten Analyse der Immobilienkreditvergabe hin.Das Vorhaben, auf das die Aufseher den Markt im vergangenen Oktober vorbereitet hatten mit der Ankündigung, die Zeichnung von Kreditrisiken mit Blick sowohl auf Gewerbe- als auch auf Wohnimmobilien im Zuge von Vor-Ort-Inspektionen zu untersuchen, ist auf nicht weniger als zwei Jahre angelegt: 2019 verwendet die Aufsicht auf die Erhebung von Daten, nach Analyse dieser quantitativen Untersuchung wird es 2020 dann an die qualitativen Prüfungen vor Ort gehen, wie im Markt zu hören ist. Die EZB äußert sich nicht zu Ablauf und Details des Vorhabens.Den ersten Teil der quantitativen Datenanalyse hat die EZB soeben abgeschlossen. Von Banken kommt bereits Kritik: “Die Umfrage bedeutet für die Branche einen erheblichen Aufwand”, erklärt etwa der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) auf Anfrage: “Viele abgefragte Daten sind bei den Banken zwar vorhanden, müssen aber speziell aufgearbeitet werden.” Derzeit werde intensiv über eine europäische Neuausrichtung des Meldewesens für Banken diskutiert, argumentiert der Verband: “Ad-hoc- Abfragen sollten deshalb die Ausnahme bleiben.” In Prüferkreisen wird bestätigt, dass schon die erste Phase der Untersuchung “sehr umfangreich und detailliert” ausgefallen sei, was die Menge an Daten sowie deren Qualität angehe. Besonders viel AufwandDeutsche Banken haben dabei besonders viel Aufwand. Zwar sind die Anforderungen der EZB im Zuge der quantitativen Erhebung haargenau dieselben gewesen wie in den übrigen Ländern des Euroraums. Dennoch fällt es deutschen Instituten etwas schwerer als Konkurrenten andernorts, sie abzuarbeiten. Denn in der Bundesrepublik ist die Lage der Informationen zur Kreditvergabe dünn: Neben der quartalsweise stattfindenden Umfrage der EZB zur Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte hat die Aufsicht kaum etwas in der Hand. “Es gibt sehr wenige Länder, in denen man so wenig über die Immobilienkreditvergabe weiß wie in Deutschland”, sagte schon vor Monaten Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), und kündigte für die Zukunft eine standardisierte Dauerabfrage der deutschen Finanzaufsicht an: “Wir stehen da eindeutig ein wenig am Pranger – ich würde sagen: zu Recht”, räumte Hufeld ein.Zuvor hatte der Europäische Systemrisikorat nach einem europaweiten Quervergleich erkennen lassen, dass er die Datenlage in der Bundesrepublik als noch ausbaufähig betrachte. Derzeit ist die BaFin zum Beispiel nicht in der Lage, das Volumen der momentan im Immobiliensektor vergebenen Kredite nach verschiedenen Kategorien wie den Beleihungswertausläufen aufzuschlüsseln. Das soll sich ändern.Immerhin vereinen allein die Kredite für Wohnimmobilien rund 14 % der Bilanzsumme aller Banken in Euroland auf sich und entsprechen rund 40 % seines Bruttoinlandsprodukts. Nach Einschätzung der EZB sind dabei mit Ausnahme Italiens die Immobilienpreise in allen großen Ländern des Euroraums als überbewertet anzusehen (siehe Grafik), wozu die Geldpolitik der Notenbank einen nicht geringen Anteil geleistet haben dürfte.Parallel zur EZB hat die BaFin vor Monaten zum Stresstest für die Masse sogenannter weniger bedeutenden Institute geblasen (Less Significant Institutions, LSI), die nicht unter der direkten Aufsicht der EZB stehen. Dabei sammelte auch die BaFin Informationen zur Immobilienkreditvergabe – darüber hinaus lag die Aufmerksamkeit der Aufseher auf der Firmenkreditvergabe, denn in Bonn geht die Sorge um, der harte Wettbewerb im Corporate Banking könne eine schleichende Erosion der Vergabestandards nach sich ziehen, indem etwa die Definition von Gewinnschwelle oder der Kennzahl Ebita versteckt umdefiniert wird. Bis Mitte dieses Monats müssen die Institute ihre Meldungen einreichen. Die Ergebnisse sollen der BaFin offenbar als Basis dienen, ihre standardisierte Dauerabfrage zu entwickeln.So mühsam die erste Phase der Untersuchung für Deutschlands Banken gewesen sein mag – der unangenehmere Teil dürfte ihnen 2020 bevorstehen, wenn Prüfer vor Ort erscheinen werden, um mit ihnen über einzelne Engagements oder Portfolien zu diskutieren, auch um eine europaweit einheitliche Aufsichtlinie zu etablieren. Konkret treibt Banker um, dass die Aufseher, wie dem Vernehmen nach im Falle von Schiffsforderungen schon seit längerem, auf Wertansätze dringen könnten, die konservativer ausfallen als es die Bilanzierungsregeln eigentlich zulassen. Zudem wird die Sorge formuliert, dass im Zuge der Gespräche und einer geplanten eurolandweiten Harmonisierung der Aufsichtspraxis Besonderheiten von Kreditbeziehungen auf der Strecke bleiben werden. Wertkorrekturen gefordertSo hat es, wie aus der Branche berichtet wird, schon Fälle gegeben, in denen die EZB selbst bei so niedrigen Beleihungsausläufen um 25 % Wertkorrekturen einforderte. Dies sei etwa der Fall, wenn solide Unternehmen während der Laufzeit eines Kredits ihren Geschäftsplan änderten – selbst wenn dies aus guten Gründen geschehe, argumentiere die EZB dann, dass diese Abweichung auf eine drohende Leistungsstörung schließen lassen müsse, und forderte Wertberichtigungen ein.Im Kielwasser der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat die Aufsicht beobachtet, wie Banken vielfach nach dem Motto “extend und pretend” Nachsicht gegenüber säumigen Schuldnern übten und im Ergebnis hohe Bestände an notleidenden Krediten anhäuften. In Banken wird wiederum beklagt, das Urteilsvermögen einer Bank mit Blick auf ein Risiko verliere im Zuge einer Vereinheitlichung an Relevanz gegenüber der Deutungshoheit der EZB. “Die kommen einfach vom Retail-Geschäft”, heißt es auch. Bei Hunderttausenden von Kunden im Massengeschäft sei solch ein standardisiertes Vorgehen angezeigt, da resultiere Zahlungsrückstand in einer Wertberichtigung. Für das Geschäft mit größeren Kunden sei dies sei keine Blaupause.Am Ende, so die Befürchtung, könnten deutschen Banken größere Wertkorrekturen ins Haus stehen, und dies in umso größerem Maße, je stärker sich die EZB um eine Vereinheitlichung bemüht und diesem Vorhaben Spezifika des jeweiligen Kreditmarktes unterordnet.Dabei kommen auf die Institute auch auf längere Sicht mit dem Abschluss von Basel III deutliche steigenden Kapitalanforderungen zu. Die jüngste Schätzung der European Banking Authority (EBA), der zufolge die Reform Europas Großbanken, “konservativste Annahmen” zu Grunde gelegt, 25 % höhere Mindestanforderungen an die Eigenkapitalquote auferlegen dürfte, wird in Bankkreisen angezweifelt. Tatsächlich habe die EBA bei ihrer Prognose die Auswirkungen technischer Standards aus ihrem eigenen Hause mit Vorgaben zu internen Modellen außer Acht gelassen: In Kombination mit dem Abschluss von Basel III dürften diese die Prognose der EBA übertreffen.Angesichts weiterer Neuerungen wie der Einführung des Bilanzstandards IFRS 9 sowie härteren Vorgaben der EZB zur Behandlung notleidender Kredite könnte dies dazu einem spürbar knapperen Kreditangebot führen, wenn der nächste Abschwung erwartet werde, wird bereits geunkt. Fest steht: Aufsichtliche Anreize für eine verstärkte Kreditvergabe sehen anders aus.