Bankenaufsicht als Fass ohne Boden
Von Bernd Neubacher, Frankfurt Griechenland und die dort erforderliche Finanzhilfe ist ja schon oft als Fass ohne Boden bezeichnet worden – eine entsprechende Google-Suche zeigt in 0,19 Sekunden 210 000 Treffer an. Aber wie sieht es eigentlich aus mit den Anstrengungen, die nötig sind, um die Aufsicht über Europas Banken zu zentralisieren? Dies ist ein Fass, das die eine Bankenunion propagierenden Akteure noch nicht aufmachen wollen, aus gutem Grund, wie zu vermuten ist. Von 70 auf 1 000 LeuteIn der Finanzpresse bereits kursierende Spekulationen, wonach die bei der EZB anzusiedelnde Instanz 70 bis 75 Mitarbeiter zählen wird, sind bei Aufsehern mit Unglauben quittiert worden. Um allein die Deutsche Bank gescheit zu beaufsichtigen, seien schon 30 Leute erforderlich, heißt es – unter der Voraussetzung, Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht leisteten mit jeweils zehn Leuten Unterstützung. Uwe Schneider, Direktor für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, beziffert den Personalbedarf einer EZB-Bankenaufsicht, die ihre Aufgaben teilweise an nationale Institutionen delegiert, auf 200 bis 400 Mitarbeiter (vgl. BZ vom 30. November). Nach jüngster Einschätzung von Österreichs Finanzmarktaufsicht (FMA) dagegen sind bis zu 1 000 Leute vonnöten, will die EZB nicht auf nationale Behörden zurückgreifen. Ohne Hilfe nationaler Instanzen bräuchte die EZB Schneider zufolge wohlgemerkt mindestens das Zehnfache der Personalstärke von 200 bis 400 Leuten. So ist das mit bodenlosen Fässern: Zuerst schaut man nur flüchtig über den Rand, und nur weil man den Boden nicht sehen kann, beugt man sich tiefer hinein, noch etwas tiefer, und noch etwas tiefer – bis eben der Gleichgewichtssinn kapituliert und ein Schwindelgefühl einsetzt. Die paar Tage noch . . .Nun könnte man die Frage aufwerfen, wieso schon die Personalstärke einer Instanz erörtert wird, deren Aufgaben und Zuschnitt erst noch Thema zäher Verhandlungen sind. Andererseits war es ja zumindest bis vor wenigen Wochen noch offizielle Linie, dass die neue Aufsicht schon Anfang nächsten Jahres, also in 19 Tagen, starten soll, und nach aller Erfahrung dauert es ja seine Zeit, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, besonders dann, wenn Details zur personellen Besetzung noch gar nicht bekannt sind, wie ein Sprecher der EZB zur Wochenmitte auf Anfrage bestätigt hat.Sofern es nicht nur darum gehen sollte, spanischen Banken möglichst rasch den Zugang zu europäischen Hilfsgeldern zu ebnen, dürfte die Dauer der Vorbereitung auf eine europäische Bankenaufsicht freilich nicht nur davon abhängen, wie lange es dauert, Mitarbeiter zu finden. Eine Rolle spielen würde auch, wie lange Europa braucht, um sich auf einen Aufsichtsansatz zu einigen. Man stelle sich einmal den Aufbau einer EZB-Bankenaufsicht vor, bei dem es nicht darum geht, rund zwei Jahre nach dem Start der European Banking Authority abermals eine Superbehörde aus dem Boden zu stampfen, sondern um – Inhalte: ein wahrhaft origineller Ansatz.Und dann ist da ja noch eine disparate Datenlage: Hierzulande etwa soll die Meldeschwelle für Großkredite mit Umsetzung der neuen EU-Eigenkapitalrichtlinie von 1,5 Mill. auf 1 Mill. Euro sinken. In anderen europäischen Staaten liegt die Meldeschwelle der Kreditregister bei einem Bruchteil dieses Betrags: in Italien bei 30 000 Euro und in Frankreich bei 25 000 Euro.Einen solchen Wust an Daten zu sichten und zu vereinheitlichen wäre zweifelsohne einmal den Schweiß der Besten wert – die Frage ist halt, wie viel Geduld man ihnen entgegenbrächte. Dies aber ist ein anderes Fass, das momentan lieber niemand aufmachen will.—–Wie viel Personal braucht die EZB als Bankenaufsicht? Der geschätzte Bedarf steigt und steigt.—–