IM BLICKFELD

Bankenkrise zieht Kreise bis zur Banca d'Italia

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 29.12.2015 Das Jahresende 2015 steht in Italien im Zeichen der Bankenkrise. Besser gesagt, des neuen Rettungsmechanismus, den die Regierung nutzte, um den Konkurs von vier krisengeplagten...

Bankenkrise zieht Kreise bis zur Banca d'Italia

Von Thesy Kness-Bastaroli,MailandDas Jahresende 2015 steht in Italien im Zeichen der Bankenkrise. Besser gesagt, des neuen Rettungsmechanismus, den die Regierung nutzte, um den Konkurs von vier krisengeplagten Kleinbanken zu vermeiden. Auch wenn für den Staat dadurch keine Kosten anfielen, hat sich das Verhältnis zwischen Rom und Brüssel zugespitzt. Denn Brüssel hat nicht nur mehrere Vorschläge der Regierung zur Rettung der vier Banken, sondern auch die zur Jahresmitte erfolgte Rettung der Kleinbank Tercas aus Mittelitalien abgelehnt.Die für die Tercas-Rettung zur Verfügung gestellten 300 Mill. Euro, angeblich Staatsmittel, müssen zurückgezahlt werden. Auch konnte zwischen Brüssel und den italienischen Verhandlungspartnern, dem Finanzministerium und der Banca d’Italia, noch keine Einigung zur Bildung einer Bad Bank erzielt werden. Gut ein Jahr verhandelten die Italiener, damit ein Teil der insgesamt 200 Mrd. Euro Problemkredite italienischer Banken von einer Bad Bank absorbiert werden. Infolge der Rezession hat sich die Zahl der faulen Kredite innerhalb der vergangenen fünf Jahre verdreifacht. Die Aussichten auf eine diesbezügliche Einigung zwischen Brüssel und Rom werden von heimischen Bankern als trüb angesehen. Auch wenn Finanzminister Pier Carlo Padoan nicht aufgibt und hartnäckig darauf besteht, weiter zu verhandeln. “Italiens Banken müssen sich selbst helfen”, meint Unicredit-Chef Federico Ghizzoni. Unicredit und Intesa Sanpaolo haben bereits Lösungen gefunden, um einen Teil ihrer notleidenden Kredite auszugliedern. Das Problem der Non-Performing Loans (NPL) betrifft nicht so sehr Italiens Großbanken, sondern vielmehr die mittelständischen und kleineren Kreditinstitute. Der Staat hat bereits mit einigen Maßnahmen, etwa mit der Änderung des Konkursrechts und der Anpassung der Abschreibungsmöglichkeiten an EU-Niveau, Schritte unternommen, um das NPL-Problem abzuschwächen.Die Rettung der vier Kleinbanken durch das Regierungsdekret “Salva banche” (Bankenrettung) hat auch innenpolitische Folgen. Die Oppositionsparteien haben gegen Reformministerin Maria Elena Boschi einen Misstrauensantrag gestellt. Grund dafür sind angebliche Interessenkonflikte der Ministerin. Denn der Vater von Maria Elena, Pier Luigi Boschi, war als Vizechef der Krisenbank Banca Popolare dell’Etruria in mehrere Skandale der Bank verwickelt. Unter anderem wird ihm wenig orthodoxe Kreditvergabe und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Er sei auch als Vizechef für den Verkauf von Bankanleihen verantwortlich gewesen, deren Risiko den Kunden verschwiegen wurden. Und dies, obwohl die Bankenaufsicht ausdrücklich auf die Risikogefahr aufmerksam gemacht hatte. Gegen Boschi ermittelt die Staatsanwaltschaft Florenz. Der Misstrauensantrag gegen die Ministerin wurde inzwischen abgelehnt. Die Wettbewerbsbehörde stellte fest, dass keinerlei Interessenkonflikte vorliegen, da die Ministerin nicht an den Regierungssitzungen zur Bankenrettung beteiligt war. Trotzdem haben die Rettung der vier Krisenbanken und die Tatsache, dass ein Teil der Sparer (Aktionäre und Anleihenbesitzer) geprellt wurden, die Proteste gegen die Regierung Renzi verschärft. Ermittlungen gegen ConsobIm Kreuzfeuer der Kritik steht auch die Bankenaufsicht Banca d’Italia. Am Wochenende vor Weihnachten protestierten Hunderte von Sparern vor dem Palazzo Koch, dem Hauptquartier der Banca d’Italia in Rom, gegen die angeblich ungenügende Aufsicht. Gouverneur Ignazio Visco entgegnete, dass die Zentralbank ihrer Pflicht nachgekommen sei, indem die Bankenführung über die Schieflage der Bank informiert worden sei und auf dem Führungswechsel bei der Bank bestanden wurde. Tatsache ist, dass durch die lauten Proteste und Kritiken mancher Medien das Image der Banca d’Italia angegriffen wird. Die Staatsanwaltschaft Rom hat Ermittlungen gegen Banca d’Italia und die Börsenaufsicht Consob eingeleitet, inwieweit die beiden Regulierer ihren Aufsichtspflichten nachgekommen sind. Roms Zentralbank gilt seit Jahrzehnten als eine der wenigen Institutionen des Landes, die äußerst verlässlich und nicht politisiert sind.Die Rettung der vier Banken kostet 3,6 Mrd. Euro. Das nötige Geld kommt von den gesunden Geschäftsbanken wie Unicredit oder Intesa Sanpaolo. Die italienischen Großbanken kommt die Sanierung der vier Kleinen teuer zu stehen: sie wird mit 280 bis 400 Mill. Euro veranschlagt.Die Notenbank ist bei der Abwicklung der Sanierung federführend. Die Problemkredite der vier Banken, Banca delle Marche, Banca Popolare dell’Etruria, Cassa di Risparmio di Ferrara sowie Cassa di Risparmio di Chieti, wurden inzwischen ausgegliedert und in eine gemeinsame Bad Bank übertragen. Die sanierten Kreditinstitute stehen ab 2016 zum Verkauf. Angeblich gibt es bereits mehrere in- wie auch ausländische Interessenten. Die vier Banken sind nicht nur durch Misswirtschaft und eine lockere Kreditpolitik in Schwierigkeiten geraten; die vierjährige Rezession hat dem Kreditsektor Italiens stark zugesetzt. Der Sektor ist auch infolge seiner übermäßigen Fragmentierung für Wirtschaftskrisen äußerst anfällig. 2014 gab es in Italien noch 740 einzelne Banken. Eine Konsolidierung wird 2016 erwartet, wenn durch die Volksbankenreform nicht nur der Börsengang mehrerer Volksbanken, sondern auch eine Fusionswelle ansteht. Vertrauen erschüttertVor allem bei den italienischen Kleinsparern hat die Bankenkrise Spuren hinterlassen. Trotz der Rezession liegt die Sparquote in Italien mit rund 12 % des Einkommens über dem EU-Schnitt. “Wichtigste Aufgabe der Regierung ist es, das Vertrauen der Sparer zu bewahren”, kommentierte der Chef von Banca Intesa Sanpaolo, Carlo Messina, das Regierungsdekret “Salva banche” vom November. Dadurch wurden die Einlagen von über einer Million Kunden im Wert von rund 12 Mrd. Euro abgesichert und 7 000 Arbeitsplätze erhalten. Trotzdem scheint das Vertrauen der Italiener in die Banken erschüttert. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Demos zufolge ist die Quote jener Kleinanleger, welche noch Vertrauen in Banksparen haben, inzwischen auf ein Allzeittief von 14 % gesunken.