Datenleck bei Intesa Sanpaolo

Bankgeheimnis auf Italienisch

Eine italienische Zeitung veröffentlicht die Namen prominenter Kunden, deren Kontodaten von einem kriminellen Angestellten der Großbank Intesa Sanpaolo ausgespäht wurden. Der Fall verdeutlicht, dass das Bankgeheimnis nicht überall gleich ernst genommen wird.

Bankgeheimnis auf Italienisch

Schnüffelskandal

Bankgeheimnis auf Italienisch

Italien ist immer gut für eine spannende Entdeckungsreise. Nicht nur wegen seiner unzähligen Kulturschätze, sondern auch wegen der erstaunlichen Blüten, die seine vielfältige Medienlandschaft treibt. So gelang es dem Mailänder „Corriere della Sera“ Mitte Oktober, einen italienischen Bankenskandal auf höchst originelle Weise ans Tageslicht zu bringen.

Protagonist des Skandals ist Vincenzo Coviello. Dem 52-jährigen Angestellten des Banco Intesa Sanpaolo ist Biscieglie entweder zu klein oder sein Arbeitgeber zu groß, als dass er sich nur um die Geschäfte in seiner Filiale unweit von Bari kümmern mag. Stattdessen spioniert er lieber das landesweite Kundennetzwerk der größten Bank Italiens aus.

Mehr als 6.000 Kontoabfragen

Wie das Blatt berichtet, startete Coviello von Februar 2022 bis April 2024 insgesamt 6.637 Kontoabfragen. Wenig überraschend stehen nicht die Kontostände von Kreti und Pleti im Fokus seiner Spionageaktion. Bei den meisten Opfern handelt es sich vielmehr um Prominente, die landesweit Berühmtheit genießen.

Statt sich nun mit den Folgen der Spionageaktion für die betroffenen Kunden oder das Bankhaus zu beschäftigen, wählt der Bericht des „Corriere della Sera“ eine andere Stoßrichtung. Die Promis, darunter neben Fußballstars wie der ehemalige Nationaltorwart Francesco Totti (AS Roma) oder die 2020 verstorbene Hand Gottes, Diego Armando Maradona, auch zahlreiche Politiker, werden in der Enthüllungsgeschichte namentlich genannt und sogar abgebildet.

Intesa Sanpaolo bittet Kunden um Verzeihung

Vorfälle wie diese gehören bedauerlicherweise zum Tagesgeschäft der Banken. Kein Geldhaus der Welt ist gefeit vor fehlbaren oder gar kriminellen Beschäftigten. Laut dem Bericht beteuert Covielle, die Informationen nicht weitergeben (beziehungsweise verkauft)zu haben. Alle Kopien seien vernichtet. Das reicht natürlich nicht, um ihn zu exkulpieren. Intesa Sanpaolo entlässt den Mann, verklagt ihn und bittet die betroffenen Kunden um Verzeihung.

Damit hat die Bank die Rechnung ohne den „Corriere della Sera“ gemacht. Dessen Entscheidung, die betroffenen Kunden namentlich zu nennen, macht diese de facto ein zweites Mal zum Opfer. Ein vergleichbares Vorgehen Schweizer Medien wäre kaum vorstellbar. Und wohl auch in Deutschland nicht, auch wenn die medienwirksame Verhaftung des früheren Post-Chefs Klaus Zumwinkel vor Jahren Furore machte. Zwar war auch hier das Bankgeheimnis durch illegale Aktivitäten verletzt worden. Dadurch wurden aber, anders als im aktuellen Fall in Italien, kriminelle Aktivitäten des prominenten Spionage-Opfers ans Tageslicht gebracht.

Bankgeheimnis ist nicht tot

So schlecht geht es dem immer wieder totgesagten Schweizer Bankgeheimnis offenbar nicht. 2014 beschloss das Schweizer Parlament, die Strafbarkeit auszuweiten. Außer den mit sensiblen Kundendaten betrauten Bankbeschäftigten können seither auch Dritte, namentlich die Medien, belangt werden, wenn sie illegal beschaffte Daten veröffentlichen.

Anlass für die Verschärfung der Strafnorm waren die Indiskretionen des früheren Informatikmitarbeiters der Bank HSBC in Genf, Hervé Falciani. Er hatte umfangreiche Kundenlisten mit den Namen mutmaßlicher oder tatsächlicher Steuerflüchtlinge an andere Länder verkauft, darunter auch an Deutschland.

Italienisches Bankgeheimnis nur vertraglich geregelt

Eine Publikation der Namensliste wäre in der Schweiz auch unter dem alten Bankgeheimnis sicher unzulässig gewesen. „Das Schweizer Bankgeheimnis ist im Bankengesetz verankert und sieht eine strafrechtliche Sanktion im Fall einer Verletzung vor. In Italien ist das Bankgeheimnis nur auf vertraglicher Ebene zwischen Bank und Kunde vorgesehen und wird aus der Datenschutzgesetzgebung abgeleitet“, erläutert Tamara Erez, Direktorin des von den lokalen Banken betriebenen „Centro Studi Villa Negroni“ in Vezia bei Lugano. Offensichtlich reichten auch die durch den Vorfall ebenfalls verletzten strengen Datenschutzrichtlinien der Europäischen Union nicht aus, um die Daten unbescholtener Bankkunden zu schützen.

Ernüchternd ist diese Tatsache nicht nur für die betroffenen Kunden, sondern auch für die betroffene Bank. Laut einem Sprecher ist Intesa Sanpaolo brennend an der Quelle der Namensliste interessiert. Beobachter vermuten, dass die Informationen aus vertraulichen Gerichtsakten stammen. Gute Werbung für den Finanzplatz Italien ist der Fall sicher nicht. Aber wohl eine mögliche Erklärung dafür, dass es dem nahe der italienischen Grenze gelegenen Schweizer Finanzplatz Lugano auch Jahrzehnte nach der vermeintlichen Beerdigung des Schweizer Bankgeheimnisses weiterhin sehr gut geht.

Italiens mediale
Enthüllungen untergraben das Vertrauen ins
Bankgeheimnis und
schwächen den Finanzplatz.

Von Daniel Zulauf, Zürich
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