GASTBEITRAG ZUR SERIE: FINANZPLATZ FRANKFURT (18)

Beständige Verantwortung

Börsen-Zeitung, 7.9.2018 3 000, 5 000 oder 10 000? Aktuell scheint die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt vor allem an der Zahl derjenigen Banker gemessen zu werden, die im Zuge des Brexit hierher verlagert werden könnten. Und tatsächlich wird...

Beständige Verantwortung

3 000, 5 000 oder 10 000? Aktuell scheint die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt vor allem an der Zahl derjenigen Banker gemessen zu werden, die im Zuge des Brexit hierher verlagert werden könnten. Und tatsächlich wird der sich abzeichnende Zuspruch die gute Position des wichtigsten Finanzzentrums Kontinentaleuropas weiter stärken. Unterstrichen wird diese Einschätzung durch die Tatsache, dass die Verlagerung der Euro-Clearing-Aktivitäten von London nach Frankfurt bereits in vollem Gange ist und zunehmende Unterstützung erfährt. Gewachsenes FundamentDie Stärke Frankfurts fußt jedoch nicht allein auf einer klugen Nutzung von sich bietenden Sonderkonjunkturen wie dem Brexit. Vielmehr verfügt der Finanzplatz Frankfurt über ein gewachsenes Fundament aus Unternehmen und Institutionen, die mit der heimischen Realwirtschaft und den globalen Waren- und Geldströmen ebenso verwoben sind wie mit ihrer Heimatstadt und der Gesellschaft. Letztlich wird sich auch der Zuwachs durch den Brexit um diesen Nukleus herum gruppieren.Die genossenschaftliche FinanzGruppe, die mit einer konsolidierten Bilanzsumme von 1,24 Bill. Euro mehr als ein Sechstel des Finanzplatzes Deutschland repräsentiert, gehört zu jenem harten Kern des Finanzplatzes. Mit der Frankfurter Volksbank befindet sich eine der größten deutschen Genossenschaftsbanken ebenso vor Ort wie eine Reihe von Unternehmen der DZ Bank Gruppe – von der Union Investment bis hin zur DZ Bank AG selbst als genossenschaftlichem Zentralinstitut.Hier laufen die Liquiditätsströme aller Genossenschaftsbanken Deutschlands zusammen. Wenn ein Mittelständler über seine lokale Volksbank eine Finanzierung für seine Exporte realisieren will, tut er dies mit Unterstützung aus der Frankfurter DZ Bank. Und wenn im Saarland ein neuer Windpark CO2-freien Strom für eine Kleinstadt produziert, dann kommt die Projektfinanzierung dafür mit erheblicher Wahrscheinlichkeit unter anderem von der genossenschaftlichen Zentralbank. Dass die genossenschaftliche Bankengruppe ihren Oberbau durch die Fusion von DZ Bank und WGZ Bank vor zwei Jahren vollständig auf ein Spitzeninstitut konsolidiert hat, nützt auch dem hiesigen Finanzzentrum.Zudem sind die Unternehmen unserer Bankengruppe gemeinsam einer der größten Arbeitgeber des hiesigen Bankgewerbes und bilden dabei auch in beachtlichem Umfang jedes Jahr neue Nachwuchskräfte aus. Allein die DZ Bank AG beschäftigte zum Ende des Jahres 2017 in Frankfurt 3 400 Mitarbeiter. Insgesamt kommt die DZ Bank Gruppe in Frankfurt auf 7 500 Beschäftigte und ist damit drittgrößter Arbeitgeber der hiesigen Finanzindustrie.Neben unserer Verantwortung als Arbeitgeber stellen wir seit vielen Jahren die Tragfähigkeit unseres Geschäftsmodells unter Beweis. So hat die genossenschaftliche FinanzGruppe im vergangenen Jahr ein konsolidiertes Ergebnis vor Steuern von 8,9 Mrd. Euro erwirtschaftet. Auf Basis dieser Stärke sind wir in der Lage, mit vorausschauendenden Investitionen in unser Kundengeschäft die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Organisation zu sichern. Die vor Kurzem angekündigten Investitionen in die Digitalisierung unserer Organisation in Höhe von 500 Mill. Euro sind ein Ausdruck dessen. Einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag stellt die DZ Bank AG für die Digitalisierung des Geschäfts zur Verfügung. Am Standort Frankfurt werden unsere Anstrengungen für Digitalisierung und Innovation etwa in unserem Engagement für das TechQuartier greifbar, mit dem wir seit dem Start als Sponsor und Partner zusammenarbeiten, sowie durch unser eigenes Innovationslabor. Monetärer NutzenDer wirtschaftliche Erfolg und die Stabilität unserer Organisation nutzen dem Finanzplatz Frankfurt auch unmittelbar monetär. So leisten wir über die Zahlung von Gewerbesteuern einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der städtischen Infrastruktur. Die Unternehmen der DZ Bank Gruppe haben in den vergangenen drei Jahren Gewerbesteuern an die Stadt Frankfurt in Höhe von zusammengerechnet 190 Mill. Euro überwiesen. Legt man allein den von der DZ Bank AG geleisteten Betrag an, so stehen wir gemessen an den Zahlen des laufenden Jahres für 13 % des Gewerbesteueraufkommens der inländischen Finanzinstitute. Bedenkt man, dass die Finanzindustrie insgesamt für rund 40 % des Frankfurter Gewerbesteueraufkommens sorgt, stellt sich bisweilen die Frage, ob die Bedeutung solide wirtschaftender Finanzinstitutionen der örtlichen Verwaltungsspitze durchweg bewusst ist.Dass das Engagement der heimischen Finanzindustrie als “Corporate Citizen” weit über die Erfüllung der steuerlichen Pflicht hinausgeht, ist hinlänglich bekannt, aber eben nicht selbstverständlich. Wir übernehmen als Branche gemeinsam Verantwortung als Unterstützer der hiesigen Forschungs- und Bildungseinrichtungen wie der Frankfurt School of Finance and Management oder dem House of Finance an der Goethe-Universität, finanzieren Stiftungslehrstühle und arbeiten bei berufsbegleitenden Studienprogrammen zusammen. Zudem fördern wir kulturelle Institutionen von der Oper bis zum Städel Museum oder ergänzen das gesellschaftliche Leben um eigene Angebote, wie es die DZ Bank beispielsweise mit ihrer weltweit renommierten Sammlung künstlerischer Fotografie tut. Für uns als genossenschaftlichen Banken liegt es in der DNA, Verantwortung zu übernehmen: Wir verstehen uns als treibende Kraft der Weiterentwicklung des Finanzplatzes, aber eben auch in Verantwortung für die Gemeinschaft und die Stadt.Nicht zuletzt auf diese Weise tragen wir das Gemeinwesen und den Standort in einer Form mit, die Frankfurt attraktiv macht – auch, aber nicht nur für neue Kollegen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Wer sich für Frankfurt entscheidet, kann ohne große Eintrittsbarrieren Mitglied und Mitgestalter einer Bürgergesellschaft werden, die sich aus sich selbst heraus engagiert – das Bestehende sichernd und das Neue fördernd, wie etwa die klugen Fortentwicklungen der Frankfurter Museumslandschaft zeigen.Die im Zuge des Brexit-Votums aufgekommene Hoffnung auf einen Bedeutungsschub für Frankfurt – etwa seitens der Bundespolitik – zeigt deutlich: Ein starker Finanzplatz ist für die Realwirtschaft dienlich und zugleich eine tragende Säule unserer Gesellschaft insgesamt. Das liegt zum einen am direkten Beitrag zur deutschen Wirtschaftsleistung, der durch die Finanzwirtschaft erbracht wird. In ganz Deutschland sind das immerhin 4 %, in Hessen sogar 7 %. Umso wichtiger sind die erkennbaren vielfältigen Anstrengungen der hessischen Landesregierung für den Finanzplatz.Zum anderen, und noch wichtiger, hat unsere Branche einen wesentlichen Anteil daran, dass die Unternehmen unseres Landes sich solide finanziert ihrem internationalen Wettbewerbsumfeld stellen können. Der weltumspannende Erfolg der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft ist auch das Ergebnis eines tragfähigen und in der Region starken Bankensystems.Gerade die Genossenschaftsbanken haben ihre Kreditvergabe an Unternehmenskunden stark ausgebaut und sind auch in herausfordernden Jahren für ihre Kunden präsent gewesen: Die Firmenkundenkredite legten bei uns in zehn Jahren um fast 60 % zu, während der Gesamtmarkt lediglich um 11 % wuchs. Unsere partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Unternehmern, die gerade dezentrale Verbundorganisationen wie uns kennzeichnet, macht die hiesige Finanzwirtschaft nicht erst seit dem Brexit zu einer der Herzkammern unseres Wirtschaftslebens.Wir wünschen uns deshalb, dass die Bundespolitik wie auch diejenigen, die neu am Finanzplatz hinzukommen, ebenso beständig Verantwortung für Finanzplatz und Realwirtschaft übernehmen. Standortpolitik wird schließlich auch in Berlin gemacht. Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Signale der Bundesregierung ermutigend. Viele Auswanderer Es sollte jedoch im Blick nach vorn – bei aller Freude über die Brexit-Zuwanderung – nachdenklich stimmen, dass mittlerweile mehr Deutsche das Land verlassen als zurückkommen. Leider sind dies weit überdurchschnittlich viele Hochqualifizierte in der Alterskohorte zwischen 20 und 30 Jahren, die einem alternden und oft stillstehenden Deutschland den Rücken kehren. Darin spiegelt sich oft auch die Unzufriedenheit etwa über Geschenke an die heutigen Rentner wider, deren Kosten die nachfolgenden Generationen auf Dauer stark belasten werden.Derweil sollte sich auch der Finanzplatz selbst seiner noch offenen Aufgaben bewusst sein. Die Konsolidierung und Strukturierung von Initiativen, die sich das Wohl des Finanzplatzes auf die Fahnen geschrieben haben, hat in den vergangenen Jahren sichtbare Fortschritte gemacht. Hier muss der Finanzplatz aber noch schlagkräftiger und zielgerichteter werden. Das darf in der Freude über die gegenwärtige Sonderkonjunktur nicht in den Hintergrund geraten. Hier sind weitere und vor allem gemeinschaftliche Anstrengungen im Schulterschluss von Landespolitik, Stadtverwaltung und Finanzindustrie vonnöten.—-Wolfgang Kirsch, Vorstandsvorsitzender DZ Bank —-Zuletzt erschienen: – London liegt in Europa weit vorn (6. September)- Fondsgeschäft hat noch reichlich Luft nach oben (4. September)- “Es wird immer zu wenig gebaut” – Interview mit Georg Hoogendijk (31. August)