Bewährungsstrafen im Cum-ex-Prozess
Im ersten Teil des Strafprozesses wegen der Cum-ex-Geschäfte des inzwischen verstorbenen Milliardärs Rafael Roth hat die Kammer unter dem Vorsitz von Kathleen Mittelsdorf ein vergleichsweise mildes Urteil gesprochen. Wegen schwerer Steuerhinterziehung und Beihilfe sind die beiden früheren Mitarbeiter des Wealth Managements der HypoVereinsbank am Dienstag zu Bewährungsstrafen und zur Zahlung von 60 000 bzw. 20 000 Euro an die Steuerkasse verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az. 6 KLs – 1111 Js 27125/12). Das abgetrennte Verfahren gegen den Steuerberater und früheren Finanzbeamten Hanno Berger läuft weiter.
Der in den vergangenen anderthalb Jahren am Landgericht Wiesbaden verhandelte Cum-ex-Fall ist bundesweit der erste, in dem Anklage erhoben wurde. Die lange Verzögerung seit der 2018 angenommen Anklage begründete die Mittelsdorf mit der Corona-Pandemie, der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Angeklagten B. sowie mit dem Umstand, dass das Landgericht über keine eigene Cum-ex-Kammer verfügt. Dieser Hinweis bezog sich offenbar auf den sich aufdrängenden Vergleich mit dem Landgericht Bonn, dessen Cum-ex-Urteile zu den Geschäften der Hamburger Privatbank M.M. Warburg zum Teil bereits den Bundesgerichtshof (BGH) passiert haben.
In der Sache folgte die Kammer der anklageführenden Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Sie sieht es als erwiesen an, dass Andreas B. und Michael G. mit den im Kundenauftrag rund um den Dividendenstichtag durchgeführten Kreisgeschäften mit Dax-Werten den Fiskus in den Veranlagungsjahren zwischen 2006 bis 2008 um rund 106 Mill. Euro erleichterten. Ihr Motiv sei in erster Linie der Wunsch nach beruflichem Fortkommen gewesen, sagte Mittelsdorf. Das monetäre Interesse sei zweitrangig gewesen, da ihre Boni nur indirekt an die Cum-ex-Geschäfte geknüpft waren.
Selbständige Entscheidungen
Auch wenn Roth den Profit einstrich, begann Andreas B. nach Auffassung des Gerichts schwere Steuerhinterziehung. Er habe die komplexen Geschäfte in dem Wissen ermöglicht, dass sie sich ausschließlich wegen der doppelten Erstattung von Kapitalertragssteuer und Solidaritätsbeiträge lohnten. Als Abteilungsleiter habe er selbständige Entscheidungen treffen können. Seiner Beteuerung, die Natur der Geschäfte nicht verstanden zu haben, schenkte sie keinen Glauben.
Das Strafmaß blieb deutlich unter der Forderung der Anklage, die vier Jahre und sechs Monate gefordert hatte. Auch bei der Frage nach einer Aussetzung auf Bewährung setzte sich die Kammer klar vom Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ab. Diese hatte unter Berufung auf ein BGH-Urteil den Standpunkt vertreten, dass bei Steuerstrafsachen, die einen Schaden von mehr als einer Millionen Euro verursachen, von einer Aussetzung der Strafe auf Bewährung grundsätzlich abzusehen sei.
Auf die Forderung der Verteidigung, die einen Freispruch gefordert hatte, ging Mittelsdorf nicht ein. Sie kritisierte jedoch, dass der Angeklagte während des gesamten Verfahrens bemüht gewesen sei, die Verantwortung bei anderen abzuladen. Für die Aussetzung auf Bewährung sei jedoch mitausschlaggebend gewesen, dass B. trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch einen Unfall die langen Fahrtwege von München nach Wiesbaden in Kauf genommen hat und so das Verfahren ermöglichte.
Austauschbarer Spezialist
Der als Wertpapierspezialisten innerhalb der Hierarchie in der Bank niedriger angesiedelten Michael B. wurde wegen Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten gefordert. „Er hat die Geschäfte zwar verstanden und umgesetzt, war aber im Gegensatz zu B. austauschbar“, fasste Mittelsdorf die Einschätzung seiner Rolle des Wertpapierspezialisten zusammen. Zugutegehalten wurde ihm, dass er durch sein Teilgeständnis bereits von 2011 an die Arbeit der Ermittler unterstützt habe.