Katharina Gehra und Daniel Andemeskel

Blockchain verändert Prozess­landschaft im Wertpapier­geschäft

Als ein Pionier in der deutschen Wertpapierbranche hat Universal-Investment über ihre Digital-Asset-Tochter UI Enlyte eine modulare Blockchain-Plattform gebaut.

Blockchain verändert Prozess­landschaft im Wertpapier­geschäft

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Börsen-Zeitung, 11.8.2022

Institutionelle Investoren öffnen sich für digitale Assets, brauchen dafür aber in der Regel Partner, die das in einen regulierungskonformen Rahmen einbetten. In Deutschland wurde dafür schon einiges festgezurrt mit dem Fondsstandortgesetz (Fo-StoG) und dem elektronischen Wertpapiergesetz (eWpG). Spezialfonds können nun bis zu 20 % Kryptoassets halten und institutionelle Investoren tokenisierte Fondsanteile erwerben. Als ein Pionier in der deutschen Wertpapierbranche hat Universal-Investment über ihre Digital-Asset-Tochter UI Enlyte eine modulare Blockchain-Plattform gebaut. Dabei könnten alle Phasen des Anlage- und Investmentprozesses ohne Prozessbrüche auf einer Plattform dargestellt werden – vom Onboarding über die Emission und Transaktion digitaler Assets bis hin zur Administration und dem Reporting, so Daniel Andemeskel, CEO und Co-Founder UI Enlyte und Head of Innovation Management, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Dabei geht Enlyte über den Fokus von Universal-Investment – die sich als Marktführer für Master-KVG und Private Label Fond bezeichnet – hinaus und ist mehr als eine Fonds-Service-Plattform, auch wenn die Aufnahme digitaler Fondsanteile der Kick-off für Enlyte war. Zuerst (mit entstehender Gesetzeslage) wurden dort Bond-Anteile gehandelt. Die Plattform ist als White-Label-Angebot für Fonds-Initiatoren, Assetmanager, Depotbanken sowie institutionelle und private Investoren aufgesetzt und nimmt alle (regulierten) tokenisierten Investment-Anteile auf. Wer mit seinen Wertpapier-Produkten über Enlyte geht, kann sich auch neuartige BaFin-registrierte Token-Investments erschließen.

Neuartige Anlageprodukte

Und da kommt Katharina Gehra als Gründerin des Blockchain-Spezialisten Immutable Insight ins Spiel. Über die Marke „Sustainliquid“ hat sie mit ihrem Team ein Anlageprodukt entwickelt, über das in energieeffiziente und damit umweltfreundliche Proof-of-Stake-Blockchains in-vestiert werden kann. Das Konsensusverfahren „Proof of Stake“ (PoS) benötigt deutlich weniger Rechenpower als Bitcoin, wo Einträge auf der Blockchain über „Proof of Work“ erfolgen. Dabei ist das Investment-Produkt als Zertifikat gestaltet, das als börsengehandeltes Wertpapier (ETI) liquide ist mit einer Mindeststückelung von 1 000 Euro. Gelistet ist es am Open Market der Börse Stuttgart. Die Anlagestrategie von Sustainliquid wurde mit Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen sowie gemäß Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung(Sustainable Finance Disclosure Regulation SFDR) konzipiert.

Dabei hat Gehra das Ziel formuliert, „dass alle dem Produkt zugrunde liegenden Operationen bis 2025 mit erneuerbaren Energien betrieben werden“. Um die Volatilität in dem Produkt zu begrenzen, sind Absicherungsstrategien installiert, mitunter auch aus dem dezentralen Finanzwesen (Decentralized Finance, DeFi). Die Rendite speist sich allein aus den Staking-Vergütungen (siehe Einblocker). Haftungsdach für die Anlagevermittlung ist die Gesellschaft PP Asset Management.

Verbriefte Eigentumsrechte

Bei der Tokenisierung analysiert Gehra das grundsätzlichen Design, um zu sehen, welche Substanz in einem Token steckt und was für eine Nutzbarkeit bzw. welches Geschäftsmodell sich daraus ergibt. Denn mit der Tokenisierung ergeben sich zum Beispiel in der Industrie neue Dimensionen der Maschine-zu-Maschine- Kommunikation mit Effizienzgewinnen in den Prozessen – analog in der Finanzindustrie, wo der Token das Eigentum verbrieft und diese Eigentumsrechte ohne zusätzliche Inter-mediäre handelbar werden. „Ge-schafft werden neue Standards mit sehr geringen Transaktionskosten“ – das sollte doch Musik sein in den Ohren jedes Managers auf dem C-Lvel.

Dabei blickt Gehra, die selbst am- bitionierte IT-Projekte in Banken durchgezogen hat, im Token-Universum zuvorderst auf Ethereum. Da prüft sie regelmäßig über das Entwicklerportal Github den Stand der geplanten Umstellung auf Proof of Stake, ein Mega-Projekt, das als „The Merge“ bekannt ist. Auf Ethereum werden bereits Finanzprodukte emittiert und über ihren Lebenszyklus auf der Blockchain gemanagt. Gelingt die Umstellung auf die schlankere PoS-Blockchain wie geplant Mitte/Ende September, dürfte die Ethereum-Nutzung stark zunehmen. Derzeit würden 97 % der Ethereum-Transaktionen von 3 % der SmartContracts getätigt, was Nutzung und Wertschöpfung demonstriere, sagt Gehra.

Regulatorische Sicherheit

Für Andemeskel ist der jüngste Crypto Crash eine Bereinigungsphase. Es sei nun allen klar geworden, dass Finanz- und Industrie-Token regulatorisch abgesichert werden müssten. Eine Basis könnte das EURegelwerk Mica sein. Denn Token würden in der Regel als Finanzinstrument eingesetzt. Der Enlyte-Chef hat bei der Tokenisierung aber nicht nur Neuemissionen im Blick, sondern auch das Wertpapier-Bestandsgeschäft, wo er einen graduellen Um-schwung in Richtung DLT (Distributed Ledger Technology) erwartet. Die Prozesslandschaft werde in ein paar Jahren mit dem Wegfall von Intermediären ganz anders aussehen. Dann käme es zu erheblichen Effizienzgewinnen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Gehra betreut auch einige Token- Projekte außerhalb der Finanzbranche. „Ich erwarte eine Welle an In- dustrie-Token, denn viele Projekte warten nur auf die begleitende regulatorische Sicherheit.“ So hat zum Beispiel die Deutsche Telekom in die Celo-Blockchain investiert und fungiert (über ihre Cloud-Struktur) auch als Validator für den Eintrag von Blockchain-Transaktionen, wofür sie dann Celo-Token erhält.

Gehra sieht außerdem eine Menge Potenzial für DLT-Strukturen im ESG-Reporting, wo es gelte, Milliarden Datenpunkte zu managen und Finanzinstrumente mit großen Volumina und langen Laufzeiten rechenschaftspflichtig zu gestalten. Auch das CO2-Zertifikate-Regime ließe sich über Blockchain-Plattformen besser steuern, da sich in Echtzeit der tatsächliche Ausstoß dokumentieren lasse.

Mit Einführung der Distributed Ledger Technology werden in der Regel dicke Bretter gebohrt, da einzelne Marktteilnehmer aus der Wertschöpfungskette herausgedrängt werden. „Die Disintermediation schafft Feinde, aber es öffnet sich die Tür für neue, bessere Geschäftsmodelle“ sagen die beiden unisono. Enlyte experimen­tiere schon mit Stablecoins als Zahlungsmittel. Möglich wird das über die Mica-Klassifizierungals E-Money-Token.

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