Autoversicherung

Führende Autoversicherer setzen sich von der Masse ab

Die Autoversicherer in Deutschland sind auf Erholungskurs. Der Zyklus teilt den Markt jedoch in Gewinner und Verlierer. Die großen Player profitieren stärker als in der Vergangenheit.

Führende Autoversicherer setzen sich von der Masse ab

Führende Autoversicherer setzen sich von der Masse ab

Die Autoversicherung ist für die hiesige Assekuranz eine Baustelle. Die Branche hat in den vergangenen Jahren viele Milliarden Euro Verluste angehäuft. Allerdings intensiviert sich der Silberstreif am Horizont. Denn der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht mittlerweile davon aus, dass die Versicherer 2024 weniger für Schäden und ihre eigenen Kosten ausgegeben haben als ursprünglich gedacht.

Nahe an der Gewinnschwelle

Ende vergangenen Jahres schätzte der GDV die Combined Ratio, die diese Ausgaben in das Verhältnis zu den Einnahmen setzt, auf 106% für Deutschland. Seit kurzem lautet die Hochrechnung 104%. Damit nähert sich die Kenngröße 2024 dem Wert von 100%, der eine Art Gewinnschwelle markiert. Inklusive der Kapitalerträge dürfte die Assekuranz im Schnitt sogar schon 2024 diese Marke in Schlagdistanz gehabt haben.

Geringere Schäden im vierten Quartal

Die Ursache des guten Abschneidens: Die Schäden im vierten Quartal fielen geringer aus als gedacht. Zudem schlagen die Preiserhöhungen der vergangenen Jahre durch, die die Kunden alarmierten und die zugleich zu einer deutlichen Reduzierung der Verluste führen.

Nun also eine Erholung nach Preiskampf und Inflation, und alles geht weiter wie zuvor? Die Ausgangslage scheint dies nahezulegen. Denn in der Vergangenheit wechselten sich gute und schlechte Zeiten immer wieder ab. Seit der Deregulierung des Marktes gab es drei Preiskämpfe: 1996 bis 2001/2002 und Herbst 2004 bis 2012/2013. Der dritte hat 2022 begonnen, diesmal mehr von der Inflation und den höheren Unfallzahlen als von echten Preiskämpfen getrieben – und er könnte 2025 enden.

Schweinezyklus einmal anders

Die simple Logik derartiger Schweinezyklen: Wer durchhält, der kann anschließend wieder absahnen. Diesmal allerdings ist eine andere Entwicklung möglich. Denn die Versicherer scheinen in stark unterschiedlichem Ausmaß von der Erholung zu profitieren. Es deutet sich eine Spaltung des Marktes an.

Was ist passiert? Marktführer HUK-Coburg ist sicher, besser als der Schnitt des Marktes abgeschnitten zu haben. Vorstandsvorsitzender Klaus-Jürgen Heitmann schätzte im Januar im Interview der Börsen-Zeitung, die Combined Ratio habe sich ausgehend von 113% um mindestens zehn Prozentpunkte verbessert: „Wir sind nun wieder mit dem üblichen Abstand vor dem Markt.“ Die HUK-Coburg komme spürbar in die Nähe von 100%, zumal eine Kasko-Drohverlustrückstellung aufgelöst wurde und einen zusätzlichen Ergebnisbeitrag bringe.

Variantenreiche Angaben

Die Aussagen der Allianz sind weniger leicht zu fassen. Während die Bekanntgabe der Kfz-Combined-Ratio in Deutschland früher Routine war, beendete die Allianz diese Praxis vor mehr als einem Jahrzehnt. Offizielle Angaben existieren letztmals für 2011. Das Management begründete den Kommunikationsstopp damals mit Wettbewerbsüberlegungen, hatte aber erkennbar keine Lust mehr, die vergleichsweise schlechten Zahlen zu veröffentlichen. Erst seitdem die Werte besser sind, gibt es wieder Indikationen. Die Angaben bleiben jedoch wolkig. 2024 erklärte Finanzchefin Claire-Marie Coste-Lepoutre in der Bilanzpressekonferenz, die Allianz liege 2023 in Deutschland rund zehn Prozentpunkte besser als der Marktdurchschnitt. Dies erwies sich als zu hoch gegriffen und wurde später auf 5 bis 6 Prozentpunkte reduziert.

Variantenreiche Angaben

Ebenso variantenreich sind die Angaben für 2024. Der verantwortliche Vorstand Klaus-Peter Röhler hatte im Kapitalmarkttag im Dezember erklärt, die Allianz sei – ausgehend von damals 106% – rund sieben Prozentpunkte besser als der Marktschnitt. Im Februar 2025 dagegen sagte Bäte bei der Bilanzvorlage im Gespräch mit Analysten, man habe eine um zehn Prozentpunkte bessere Combined Ratio als die meisten anderen, einschließlich des Marktführers – wohl auch noch ausgehend von 106%, denn der GDV legte seine neue Hochrechnung erst am Tag der Jahrespressekonferenz vor.

Dies dürfte zu hoch gegriffen sein. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass entsprechend der Röhler-Richtschnur ein Wert in der Größenordnung von höchstens 99% richtig ist. Im Vergleich zur neuen GDV-Hochrechnung wäre die Allianz damit erneut mindestens fünf Punkte besser als der Markt.

Kleinere Firmen hinken hinterher

Damit entsteht in der Autoversicherung eine neue Lage. Denn dass beide Marktführenden mit spürbaren Abstand besser als die Konkurrenten sind, war bisher eine Ausnahme. Zwar lassen sich die Allianz-Zahlen nur abschätzen. Aber aus den Geschäftsberichten der Allianz Versicherungs-AG, die mit der ADAC Autoversicherung und der VW Autoversicherungs-AG das inländische Kfz-Geschäft abbildet, zeigt sich für die fernere Vergangenheit eine Combined Ratio am oder unter dem Marktschnitt. 2022 dagegen gelang ein Profitabilitätssprung über das Marktniveau hinaus, der 2023 wiederholt wurde. Doch damals schnitt die HUK-Coburg schlechter als der Markt ab.

Relevant ist die überdurchschnittliche Performance 2024 deshalb, weil das Duo bei einem Marktvolumen von 30,6 Mrd. Euro auf einen Marktanteil von 28% kommt. Die HUK-Coburg sammelte 2023 rund 4,8 Mrd. Euro ein, die Allianz kam zugleich auf 3,9 Mrd. Euro.

Wenn jedoch zwei Versicherer, die mehr als ein Viertel des Beitragsvolumens vereinen, erstmals viel besser als der Gesamtmarkt abschneiden, müssen zahlreiche der knapp 100 übrigen kleineren Konkurrenten rechnerisch deutlich schlechter als der Marktschnitt dastehen.

Personenschäden im Blick

Nun sind kurzfristige Entwicklungen der Combined Ratio nicht überzubewerten. Beispielsweise ist unklar, inwieweit Sonderdotierungen für Schadenrückstellungen aufgrund inflationsbedingter Zusatzkosten für Personenschäden das Bild verzerren. Die HUK-Coburg hatte zwei Jahre lang hohe Beträge zurückgelegt, Wettbewerber wie die Versicherungskammer Bayern sehen keine besondere Inflation bei Personenschäden. Auch die Allianz scheint hier nicht außerordentlich vorgesorgt zu haben.

Der Markt spaltet sich

Trotzdem deutet sich an: Der Markt spaltet sich. Die Allianz hat in den vergangenen Jahren viel Geld in ihr neues Tarifmodell gesteckt. Dies zahlt sich aus, wie Vorstand Röhler vorrechnete. Die Schadenquote der Allianz-Versicherungs-AG habe 2021 mit 76,3% noch fast auf dem Marktniveau gelegen. In den Folgejahren sei man um mindestens sieben Punkte besser gewesen.

Auch die HUK-Coburg hat mittlerweile ein neues Tarifierungssystem. Dies habe viel Geld und Aufwand gekostet, bilanziert Heitmann. Ein derart ernsthaftes Investment könne sich nur ein Versicherer notwendiger Größe leisten. „Autoversicherung wird sehr viel stärker als früher ein Skalenspiel“, sagte er im Januar der Börsen-Zeitung. Die kleineren Anbieter spürten dies auch in ihrer Combined Ratio.

HUK-Coburg und Allianz kommen gestärkt aus Zyklus heraus – Branche nähert sich mit Riesenschritten der Gewinnschwelle – Positivere Schätzung des GDV

Die Autoversicherer in Deutschland sind auf Erholungskurs. Der letzte Zyklus teilt den Markt jedoch in ungewöhnlicher Weise in Gewinner und Verlierer. Die großen Player profitieren stärker als in der Vergangenheit. Allianz und HUK-Coburg glänzen mit überraschend guten Profitabilitätskennziffern.

Von Michael Flämig, München