Im InterviewHauke Burkhardt, Deutsche Bank

„Brauchen Dreiklang aus Banken-Finanzierung, Kapitalmarkt und Fördermitteln“

Hauke Burkhardt fordert im Interview einen Schulterschluss von Banken-, Kapital- und Fördermittelmärkten. Dafür reicht der Leiter Unternehmensfinanzierung der Deutschen Bank Debt Funds die Hand und warnt davor, dass die schlechte Stimmung in Deutschland nicht zur Realität werden dürfe.

„Brauchen Dreiklang aus Banken-Finanzierung, Kapitalmarkt und Fördermitteln“

Im Interview: Hauke Burkhardt

„Die Stimmung darf nicht zur Realität werden“

Leiter Unternehmensfinanzierung der Deutschen Bank fordert Finanzierungsdreiklang für Transition Finance

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Um die nachhaltige und digitale Transformation der Wirtschaft finanzieren zu können, müssen Banken, Finanzinvestoren und Förderinstitute zusammenrücken. Im Interview der Börsen-Zeitung skizziert Hauke Burkhardt von der Deutschen Bank, wie das gehen könnte, und warnt, dass die negative Stimmung in Deutschland nicht zur Realität werden dürfe.

Herr Burkhardt, der nachhaltige und digitale Umbau unserer Wirtschaft ist ein Mammutprojekt, das Billionen verschlingen wird. Können Banken das stemmen?

Deutschland muss seine Wirtschaft umbauen, digitaler und klimafreundlicher werden. Das erfordert massive Investitionen: 100 Mrd. Euro pro Jahr bis 2045 sind eine Größenordnung, die die Banken nicht alleine stemmen können. Wir brauchen einen Dreiklang aus Bankenfinanzierung, Kapitalmarkt und Fördermitteln.

Das Finanzierungsvolumen zeigt Banken also ihre Grenzen auf?

Im Gegenteil: Als Berater und Anbieter verschiedener Finanzierungslösungen spielen wir Banken eine wichtige Rolle. Der höhere Kapitalbedarf ist die eine Sache. Wir brauchen auch andere Finanzierungsstrukturen, denn Investitionen in die Nachhaltigkeit sind vor allem langfristige Projektfinanzierungen, die oftmals mit einem erheblichen technologischen Risiko verbunden sind. Und: Es verändern sich auch die Risikostrukturen bei den klassischen Finanzierungen.

Wir brauchen auch andere Finanzierungsstrukturen, denn Investitionen in die Nachhaltigkeit sind vor allem langfristige Projektfinanzierungen.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Inwiefern?

Wenn ein Unternehmen beispielsweise seine komplette Produktionsanlage austauscht, dann steigt durch diese hohe fremdkapitalfinanzierte Investition erst einmal der Verschuldungsgrad (Leverage). Solche Investitionen wirken sich in der Regel zunächst negativ auf den Cashflow aus. Auch wenn die Investitionen mittelfristig wichtig, richtig und gut für das Unternehmen sind.

Welchen Ton spielen in Ihrem geforderten Dreiklang die Banken?

Die Rolle der Banken sehe ich vor allem beim Beraten, Strukturieren und gegebenenfalls Verteilen der Investitionsfinanzierung auf eine sinnvolle Anzahl an Finanzierern. Wir kennen und verstehen unsere Kunden und können die Risiken als Hausbank gut einschätzen.

Deutsche Bank kooperiert mit Förderbanken

Und was ist mit den Fördermitteln?

Wir arbeiten beispielsweise schon heute mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) zusammen. Wir arrangieren EIB-Finanzierungen und beraten die Kunden. Sie bekommen günstigere Finanzierungen durch die EIB, und wir können, dank einer Risikounterbeteiligung der EIB, ein höheres Finanzierungsvolumen darstellen.

Die EIB übernimmt beispielsweise bis zu 50% der Risiken für ein bestimmtes nachhaltiges Kreditportfolio der Deutschen Bank. Ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein?

Das angesprochene Kooperationsprogramm ist auf ein Kreditvolumen von 400 Mill. Euro angelegt. Damit allein werden wir das Transition-Finance-Volumen natürlich nicht stemmen. Es ist eine von vielen Kooperationen mit der EIB, der KfW und anderen Förderinstituten. Ein großer Baustein ist aber ein größerer Kapitalmarkt – wir müssen die Kapitalmarktunion in Europa weiter vorantreiben, um die anstehenden Herausforderungen zu finanzieren.

Dass Verbriefungen in Europa einen schlechten Ruf haben, finde ich nicht gerechtfertigt.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Eine schnelle Umsetzung der Kapitalmarktunion scheint ziemlich unwahrscheinlich.

Leichter umsetzen ließen sich Fortschritte am Verbriefungsmarkt. Der ist in Europa immer noch unterrepräsentiert und macht nur rund ein Zwölftel des US-Verbriefungsmarkts aus. Dass Verbriefungen in Europa einen schlechten Ruf haben, finde ich nicht gerechtfertigt. Banken können das Risiko eines Kunden einschätzen und über Verbriefungen Finanzierungspartner gewinnen, um das Risiko zu teilen. Mit dem Kapitalmarkt als großer und wichtiger Baustein für die Transformationsfinanzierung meine ich aber ausdrücklich auch den privaten.

Deutsche Bank reicht Debt Funds die Hand

Sie reichen als Bank Debt Funds die Hand?

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in der Transformationsfinanzierung deutlich mehr Private Debt sehen – auch weil der Leverage-Finance-Markt nicht groß genug ist, um die vielen eingesammelten Milliarden an Private-Debt-Kapital unterzubringen.

Am wohlsten fühlt sich Private Debt aber im Schatten von Private Equity. Das klassische Firmenkundengeschäft meiden Debt Funds meist. Womit hatten Ihre Kunden zuletzt zu kämpfen?

In den vergangenen drei Jahren hatten Unternehmen zahlreiche Herausforderungen auf der Einkaufs- und Lieferkettenseite: Corona, Lieferengpässe, Krieg in der Ukraine, Inflation, hohe Energiepreise. Das hat den Betriebsmittelbedarf signifikant angehoben. Dazu vielleicht eine interessante Statistik: Während das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland zwischen 2016 und heute um 20% gestiegen ist, ist das Kreditvolumen im selben Zeitraum um 40% gewachsen. Das verdeutlicht den hohen Betriebsmittelfinanzierungsbedarf.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in der Transformationsfinanzierung deutlich mehr Private Debt sehen.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Laut Bundesbank waren Kredite mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr 2022 noch der Haupttreiber im Kreditgeschäft. 2023 hat sich das wieder gelegt. Ist das Problem damit gelöst?

Im Jahr 2023 konnten wir sehen, dass die Inflation etwas zurückging. Viele Unternehmen hatten sich im Jahr davor ihre Kreditlinien gesichert. Daher überrascht es mich nicht, dass die Bundesbankstatistik des vergangenen Jahres wieder weniger Betriebsmittelkredite auswies. Dabei handelte es sich um eine Normalisierung.

Normalisiert haben sich auch wieder die Zinsen. Wie stark haben Banken im Kreditgeschäft bislang von der Zinswende margenseitig profitiert?

Wenn die Leitzinsen ansteigen, dann steigen auch die Liquiditätskosten, also die Refinanzierungskosten der Banken. Der Anstieg des Basiszinssatzes gleicht sich also ein Stück weit aus. Die Nettomargen sind deshalb gar nicht so stark angestiegen, wie man vielleicht vermutet. Wo wir Banken schon einen Effekt spüren, ist bei der Risikoprämie. Wenn die Risiken im Markt zunehmen, dann laufen die Spreads auseinander.

Das heißt?

Der Unterschied zwischen Risikoaufschlägen von Unternehmen mit Investment-Grade zu riskanteren mit Non-Investment-Grade ist größer geworden. In einem Marktumfeld, wo Risiko nach vielen Jahren wieder einen Preis hat, beobachte ich deshalb unterm Strich schon größere Margen im Kreditgeschäft.

Die Stimmung ist schlechter als die Realität

Müssten Banken angesichts der vielen Krisen und gestiegenen Risiken eigentlich nicht deutlich mehr Risikovorsorge betreiben?

Wenn wir die aktuelle Stimmungslage mit der Faktenlage vergleichen, dann ist die Stimmung schlechter als die Zahlen. Das gleiche Phänomen hatten wir im vergangenen Jahr bei der Frage, ob wir eigentlich genug Gas haben, um durch den Winter zu kommen. Die Stimmung darf nicht zur Realität werden.

Wenn wir die aktuelle Stimmungslage mit der Faktenlage vergleichen, dann ist die Stimmung schlechter als die Zahlen.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Wie sieht die Realität denn aus?

Deutsche Unternehmen sind in Summe relativ gut durch die vielen Krisen seit 2020 gekommen – auch, weil sie mit einer relativ hohen Eigenkapitalbasis in die Krisen gegangen sind und schnell auf die neuen Herausforderungen reagiert haben. Es gibt zwar mehr Insolvenzen, aber wir haben weder eine Insolvenzwelle noch eine Restrukturierungswelle. Wir sind jetzt wieder auf einem Niveau, das wir vor Corona hatten – bevor die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wurde.

Investitionsdruck als Treiber für Finanzierungsmarkt

Was erwarten Sie für dieses Jahr?

Die Inflationsraten dürften weiter zurückgehen. Mit etwas Zeitversatz folgen dann auch die Langfrist- und später die Kurzfristzinsen. Dies führt zu niedrigeren Finanzierungskosten und erhöht den Wert diskontierter, zukünftiger Cashflows – beides erhöht die Anlagenrenditen. So könnte sich die Lücke zwischen Verkäufervorstellungen und Bieterpreisen etwas schließen. Das bedeutet natürlich mehr Transaktionen im Bereich von M&A, Immobilien und weiteren Assetklassen.

Und was bedeutet das für den Finanzierungsmarkt?

Insgesamt treibt der Handlungsdruck durch die Assetklassen den Finanzierungsmarkt in 2024 an: vor dem Hintergrund der digitalen und nachhaltigen Transformation, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu
sichern, müssen im Corporate-Bereich signifikante Investitionen getätigt werden. Ähnliches gilt für das M&A-
Geschäft.

Der M&A-Markt kommt dieses Jahr zurück?

Die Flaute im vergangenen Jahr führt dazu, dass zum einen mehr Unternehmen tätig werden wollen und nicht mehr relevante Betriebsteile verkaufen oder ergänzende Zukäufe möchten. Zum anderen sitzen auch Private-Equity-Fonds noch auf beträchtlichem „Dry Powder“, was investiert werden will. Bei Immobilien befeuern steigende Mieten den Wunsch nach Kauf von Eigentum.

Herr Burkhardt, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Philipp Habdank.

Zur Person

Hauke Burkhardt ist Head of Trade Finance & Lending DACH and Global Co-Head of Lending bei der Deutschen Bank. Als Leiter der Unternehmensfinanzierung macht sich der seit über 16 Jahren für die Deutsche Bank arbeitende Banker dieser Tage viele Gedanken darüber, wie sich die Zukunft finanzieren lässt und wie die Zukunft der Finanzierung aussieht. Burkhardt absolvierte ein Duales Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und begann seine Karriere im Corporate Banking der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, ehe es 2007 dann zur Deutschen Bank ging.