IM GESPRÄCH: CARSTEN KRÖHL, HEIDRICK & STRUGGLES

Brexit-Banker als Mangelware

"Der Talentpool ist nicht unendlich" - Umzugsbanken droht Personalknappheit in Frankfurt

Brexit-Banker als Mangelware

Gibt es in Frankfurt überhaupt genügend Banker, wenn aus London die Institute abwandern? Carsten Kröhl, der für Heidrick & Struggles, einen der weltweit größten Personalberater, für den Finanzsektor Spezialisten vermittelt, ist skeptisch.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtDie am Finanzplatz um sich greifende Euphorie, dass durch den Brexit bis zu 10 000 neue Bankerjobs in Frankfurt entstehen könnten, teilt nicht jeder vorbehaltlos. Es gibt auch skeptische Stimmen, ob etwa die Bürokapazitäten reichen. Andere sehen das Problem, dass womöglich gar nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Personalberater wie Carsten Kröhl, zuständig für den Finanzsektor bei Heidrick & Struggles, arbeiten bereits auf Hochtouren. “Die ersten Banken, die den Umzug ihres EU-Geschäfts nach Frankfurt bereits beschlossen haben, suchen derzeit schon nach Personal”, erzählt Kröhl. Er macht sich Sorgen, dass der hiesige Arbeitsmarkt nicht genügend Kapazitäten bietet. “Der Talentpool ist nicht unendlich, er wird schon bald, spätestens in zwölf bis 18 Monaten, erschöpft sein, woher sollen die neuen Banker dann noch kommen?”Es wird zudem angezweifelt, dass viele Londoner Banker nach Deutschland kommen. Insofern ist es auf den ersten Blick eigentlich eine gute Nachricht für den deutschen Bankerarbeitsmarkt, der insbesondere bei den Großbanken – Deutsche Bank, Commerzbank und HVB – große Personalabbaurunden hinter sich hat. Doch das scheint Personalberatern offenkundig die Akquise für Brexit-Banken nicht zu erleichtern. Zukunft ohne EU-PassBislang haben schon einige US-Großbanken, britische sowie japanische Banken verkündet, dass sie ihre Europaeinheiten von London nach Frankfurt holen. Grundsätzlich bleibt es für die Finanzbranche schwierig zu planen, weil die Art des Abschieds Großbritanniens weiterhin völlig in den Sternen steht, wie die festgefahrenen Verhandlungen zwischen der EU und der Londoner Regierung zeigen. Doch die Banken müssen für alle Eventualitäten, also auch für einen harten Brexit, bei dem der EU-Pass für Finanzgeschäfte seine Gültigkeit verliert, gewappnet sein und beginnen ihre Vorbereitungen.Zunächst werden IT-Bereiche hochgezogen, was am einfachsten zu bewerkstelligen ist, wie Kröhl ausführt. Die operativen Bereiche, das Risikomanagement sowie der juristische Bereich folgen später. In den nächsten zwei bis drei Jahren werde daher das Thema Talentsuche für Brexit-Zuzügler unter den Banken ein wichtiges Thema in der Personalvermittlung sein, so der 41-Jährige. Aktuell sieht er über den Brexit hinaus zwei wesentliche Bewegungen am Personalmarkt für Banker: im Übernahmegeschäft sowie im Wealth Management. “Im M & A-Geschäft gibt es derzeit viel Personalaufbau, und zwar insbesondere beim Mittelstandsgeschäft”, so Kröhl, der 2016 nach acht Jahren von Heads Executive Consultancy zu Heidrick gewechselt ist. Alle wollen SuperreicheIm Wealth Management wiederum macht sich bemerkbar, dass gleich eine Reihe Banken – unter anderem die Deutsche Bank – das Geschäft mit den besonders Reichen unter den Reichen (Ultra High-Net-worth Individuals, UHNWI) mit wenigstens 30 Mill. Dollar Vermögen ausbauen wollen. Da der Pool an Beratern aber begrenzt ist, werden hier verstärkt Investmentbanker angesprochen, berichtet Kröhl. Da diese mit den reichen Firmeninhabern über deren Geschäft Kontakt haben, hoffen die Banken, dass sie die Vermögenden auch davon überzeugen können, das Privatvermögen von der Bank betreuen zu lassen.Allerdings ist fraglich, ob die als äußerst konservativ geltenden reichen Deutschen sich von Investmentbankern, denen der Ruf als Zocker nicht erst seit der Finanzkrise vorauseilt, locken lassen. Investmentbanker sind Deal-Maker und nicht diejenigen, die lange zu einem Kunden Vertrauen aufbauen, wie es im Wealth Management Grundvoraussetzung in der Beratung ist.Zudem wollen die meisten Reichen lieber zwei getrennte Bankverbindung haben, eine für die Firmenkasse und eine andere für die private Schatulle. Außerdem bleiben sie eher lange einer Bank treu und sind kaum zum Wechsel bereit. Das heißt aber auch, dass Berater, die die Bank wechseln, ihre bisherige Klientel in den seltensten Fällen mit zu ihrem neuen Arbeitgeber nehmen können. Das bewege sich im einstelligen Prozentbereich, schätzt Kröhl. Die Banken, die die Berater abwerben, setzen aber eben darauf, dass sie die reiche Klientel mit ins Haus bringen.Vor allem ist die Zahl der Superreichen hierzulande mit nur etwa 13 000 sehr begrenzt, während immer mehr Banken sich auf diese schmale Klientel stürzen. Angesichts regulatorischer Anforderungen (Beratungsprotokoll etc.) sind allerdings die wenigsten Wealth-Management-Einheiten profitabel.Dennoch rufen immer mehr Geldhäuser die Superreichen als Wachstumsfeld aus. Dafür schauen sie auch nach Vertriebspersonal im verwandten Feld des Assetmanagements. Dort allerdings dreht sich das Personalkarussell ohnehin auf Hochtouren, da das Fondsgeschäft insbesondere bei den großen Anbietern in diesem Jahr glänzend läuft. Fondsvertrieb sucht KräfteAllen voran boomt wieder das institutionelle Geschäft, weswegen für alle Kundengruppen neue Vertriebsmitarbeiter gesucht werden, sagt Kröhl. Da die Versicherer die größte Kundengruppe für Assetmanager sind, werden naturgemäß auch für diese Klientel die meisten Leute gebraucht. “Die Vertriebskräfte für das institutionelle Geschäft, die gesucht werden, sind aber in der Regel nur Ersatz für vakante Positionen, nur punktuell gibt es einen Personalausbau”, präzisiert der verheiratete Vater dreier Kinder.Berichten zufolge baut etwa Union Investment den Vertrieb aus, knapp 30 neue Leute werden für das Filialgeschäft gesucht. Bei der Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken läuft das Geschäft mit Vollgas, das Vermögen ist auf Rekordniveau.Angesichts des munteren Wechselspiels zwischen den Gesellschaften und angesichts einer begrenzten Zahl von Experten für die institutionellen Kundengruppen gehen nach Angaben von Kröhl immer mehr Assetmanager dazu über, bei den Kundengruppen selbst nach neuen Talenten Ausschau zu halten. Ein Leiter Kapitalanlage bei einer Versicherung bringe etwa die notwendigen Fähigkeiten für eine Vertriebstätigkeit mit, vor allem mit Blick auf die gestiegenen speziellen regulatorischen Anforderungen für die einzelnen Kundensegmente. “Die Spezialkenntnisse in der Regulatorik, in steuerlichen oder rechtlichen Themen sind heutzutage für Vertriebsmitarbeiter viel wichtiger, als ein dickes Adressbuch mit potenziellen Kunden mitzubringen.” Abschlüsse vorausgesetztZudem werde immer häufiger im Vertrieb vorausgesetzt, dass die Kandidaten eine gute Ausbildung mit Abschlüssen wie CFA (Chartered Financial Analyst) oder CIIA (Certified International Investment Analyst) mitbrächten, so Kröhl. Dies gelte mittlerweile auch im Wholesale-Geschäft (Vermögensverwalter, Finanzberater oder Bankvertriebe), während es im institutionellen Geschäft schon länger gefordert werde.Mit Blick auf die Gehälter lohnen sich die Wechsel zu anderen Arbeitgebern indes immer seltener. Denn angesichts der schrumpfenden Gewinnmargen wegen der gestiegenen regulatorischen Anforderungen an Assetmanager und wegen des Booms der kostengünstigen ETF werden die üblichen Spielräume beim Jobwechsel immer geringer, hat Kröhl beobachtet. “Viele Kandidaten bewegen sich beim Gehalt beim Wechsel quasi seitwärts.” Dabei ist das Fixgehalt zwar meist unverändert, aber die Boni fallen ab. Das gilt auch insgesamt für die Gehaltsentwicklung im Assetmanagement, unabhängig von einem Wechsel oder einem Verbleib auf alter Position. Starke AnziehungskraftDer boomende deutsche Fondsmarkt übt weiterhin eine starke Anziehungskraft auf ausländische Anbieter an, stellt Kröhl fest. Obwohl hierzulande schon viele Gesellschaften aus dem Ausland aktiv sind, reißt der Zustrom nicht ab. Insbesondere US-Fondsanbieter wollen in nächster Zeit Vertriebsbüros öffnen, allerdings mit weniger als einer Handvoll Personal.Im Gegensatz zu den Banken spielt das Thema Brexit bei den Fondshäusern keine Rolle, bestätigt Kröhl. Denn die meisten haben bereits ausreichende oder ausbaufähige Strukturen in Luxemburg oder Irland, um auch nach dem Abschied Großbritanniens das EU-Geschäft weiterhin betreiben zu können.