IM GESPRÄCH: PETER SCHNEIDER, SPARKASSENVERBAND BADEN-WÜRTTEMBERG

"Brüssel muss Tempo rausnehmen"

Der Sparkassenpräsident über die Auswirkungen der EU-Regulierung auf die Kreditinstitute vor Ort

"Brüssel muss Tempo rausnehmen"

Die Europäische Union hat in Reaktion auf die Finanzkrise in den vergangenen Jahren zu viele Vorgaben für Banken und Märkte beschlossen, findet der Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands, Peter Schneider.fed/bl Stuttgart – Der Sparkassenpräsident richtet einen dringenden Appell an die europäischen Gesetzgeber, bei der Regulierung von Banken und Sparkassen einen Gang herunterzuschalten . “Brüssel muss Tempo rausnehmen”, fordert Schneider im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Sparkassenpräsident dringt darauf, die Betrachtung der Gesamtfolgen der Regulierung zu verstärken. “Es ist falsch, alles zu vereinheitlichen und alles in einen Konfektionsanzug zu pressen”, mahnt Schneider und fügt an: “Die Vielzahl der Systeme, die sehr unterschiedlich funktionieren, ist doch gerade eine große Chance für Europa.”Schneider beschreibt, wie die immer umfangreicher werdenden Vorgaben aus Brüssel die Mitgliedsinstitute seines Verbands davon abhalten, sich um ihre eigentlichen Aufgaben zu kümmern. “Wenn die Sparkassen im Verband zusammenkommen, müssten sie sich eigentlich mit Fragen des Wettbewerbs, des Markts oder des Vertriebs befassen.” Stattdessen gehe es “fast immer nur um Regulierung”, berichtet Schneider und kommt zum Fazit: “Da stimmt doch etwas nicht.” Die Regulierung der EU sei “wie ein Dauerbeschuss”. Insbesondere die Mitarbeiter am Schalter seien betroffen, denn sie müssten die Vorgaben ja konkret anwenden. “Wir fühlen uns wie in einer Wurfbude, jeder hat freien Wurf und wir müssen zusehen, wie wir den Bällen einigermaßen ausweichen können.”Schneider veranschaulicht seine Kritik an drei Beispielen. Was erstens die Kapitalanforderungen angehe, so “sind wir natürlich dafür, dass alle ihr Kapital hochfahren müssen”. Schließlich schaffe mehr Eigenkapital Stabilität. “Die Richtung stimmt, aber dann geht es im Detail los.” So komme aus Brüssel die Anforderung, mittelständische Unternehmenskredite stärker zu unterlegen. Ständig neue Gefechte”Dabei war doch das Kreditbuch in der Krise nicht das Problem”, hält der Sparkassenpräsident dagegen, “risikobehaftet war vielmehr das Anlagebuch.” Schneider beklagt, dass man “da dann auf allen Ebenen agieren muss, das kostet sehr viel Kraft. Und wenn es endlich gelungen ist, ans Ziel zu gelangen, dann wartet bereits das nächste Gefecht.”Zweites Beispiel ist die strukturelle Liquiditätsquote, die Net Stable Funding Ratio. “Das Bestreben, die Laufzeiten von Aktiv- und Passivseite einander anzupassen, mag ja abstrakt betrachtet eine gute Idee sein, aber mit fatalen Auswirkungen etwa auf Baden-Württemberg”, mahnt Schneider. Schließlich wollten kleine und mittlere Unternehmen eine bankgestützte Finanzierung mit fixen Zinsen, lang laufend. “Die Einlagenseite unserer Sparkasse sieht haargenau umgekehrt aus: Kurzlaufende Einlagen – gerade in den aktuellen Niedrigzinszeiten.” Wenn die Sparkasse das nun aufgrund von EU-Vorgaben übereinanderbringen müsse, werde die langfristig stabile Finanzierungskultur der Unternehmen zerstört. “Das ist ein höchst gefährlicher Angriff”, meint Schneider. Gut gemeintDrittes Beispiel schließlich ist der Verbraucherschutz. “Vieles ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht”, urteilt Schneider. “Produktinformationsblätter, Beratungsprotokolle: Mancher Verbraucher fragt entnervt, ob die Sparkasse nicht auf den Popanz verzichten kann.” Man müsse sich nur vorstellen, argumentiert der Sparkassenpräsident, dass “einige der erfolgreichsten Unternehmer Baden-Württembergs wahrscheinlich am Beraterprotokoll gescheitert wären”. Er blickt mit Sorgen nach vorn: “Die nächsten fünf Jahre werden schwieriger als die vergangenen fünf. Und wer die vergangenen fünf Jahre erlebt hat, der weiß, was das heißt.” Die “Nebenwirkungen” der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank werden nach seiner Einschätzung “weit unterschätzt”. Solide Geschäftsmodelle wie Bausparen oder Lebensversicherungen kommen nach seiner Beobachtung unter Druck. “Wenn sich junge Menschen heute fragen, warum sie überhaupt noch sparen sollen, müssen doch Alarmglocken schrillen.” Er erkenne aber nicht, dass dieses Bewusstsein in Brüssel durchgedrungen sei. “Dort glaubt man, man könne weiterregulieren, bis Sparkassen und Banken ertragsfrei sind.” Schneider weist darauf hin, dass die Kosten der regulatorischen Lasten den Sparkassen in Baden-Württemberg bereits heute 10 % des verfügbaren Gewinns wegnehmen.Auch mit Blick auf die neue europäische Bankenaufsicht mahnt er, den Aufwand für Banken und Sparkassen fest im Blick zu behalten. “Wenn man eine europäische Bankenaufsicht möchte, dann muss sie auch wirklich europäisch sein.” Das dürfe nicht darauf hinauslaufen, “dass am Ende alle kommen und prüfen – Bundesbank, BaFin und EZB”. Was die regional verankerten Institute angeht, sehe er im Übrigen nicht, dass sich die Qualität der Aufsicht verbessern würde, unterstreicht der Sparkassenpräsident. “Um die zu durchleuchten, brauche ich keinen Oberaufseher der EU.”