Bundesbank sorgt sich um Kapitalpuffer der Banken
Die Bundesbank sorgt sich um prozyklische Effekte, falls in einem Konjunkturabschwung Kreditausfälle das Eigenkapital der Banken reduzieren und deren Risikoaktiva treiben. An die Banken ergeht der Appell, den Puffer an Eigenkapital zu stärken. Die Datenbasis zur Immobilienfinanzierung wird kritisiert.bn Frankfurt – Die Deutsche Bundesbank sorgt sich um prozyklische Effekte der Regulierung. Bei der Präsentation ihres diesjährigen Finanzstabilitätsberichts hat die Zentralbank vor entsprechenden Verwundbarkeiten des Finanzsystems gewarnt. Die derzeit gute Lage der Unternehmen spiegele sich in einer niedrigen Risikovorsorge, erklärte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch am Mittwoch. Dies habe die Eigenkapitalquoten der Banken gestärkt, und zwar die risikogewichteten stärker als die ungewichteten. In einen konjunkturellen Abschwung aber würden die Eigenkapitalpuffer der Banken durch Kreditausfälle und regulatorisch durch steigende Risikogewichte unter Druck geraten: “Der Trend der vergangenen zehn Jahre könnte sich dann umkehren”, sagte Buch. In diesem Zeitraum sind neben der Risikovorsorge auch die Risikogewichte für Unternehmens- und Retail-Kredite kontinuierlich gesunken (siehe Grafik). Hinzu kommt, dass Banken ihre Kredite an “finanziell verwundbare Unternehmen relativ stark ausgeweitet” haben, stellt die Bundesbank fest.Bei hohem Wachstum und niedrigen Zinsen hätten sich Verwundbarkeiten aufgebaut, stellte Buch mit Blick auf “unterschätzte Kreditrisiken, überbewertete Vermögenswerte und Kreditsicherheiten sowie das Risiko von Zinsänderungen” fest. Zwar sei dabei der Eintritt einzelner Risiken verkraftbar, jedoch könnten sich Kredit-, Bewertungs- und Zinsrisiken innerhalb des Finanzsystems verstärken. Abwärtsrisiken könnten von den Marktteilnehmern unterschätzt werden. Ein unerwartet starker Konjunktureinbruch und fallende Vermögenspreise würden dann mehrere Verwundbarkeiten gleichzeitig offenlegen und die Kreditvergabe durch Banken womöglich reduzieren und den Konjunktureinbruch verstärken. “Das Finanzsystem könnte die negative wirtschaftliche Entwicklung verstärken”, hieß es zur “möglichen prozyklischen Wirkung des Finanzsystems”.Damit könnten die Aufseher von Spätfolgen der europaweiten Einführung der Risikogewichtung durch den Eigenkapitalstandard Basel II im Jahr 2007 eingeholt werden. Schon damals war im Markt kritisiert worden, das Regelwerk werde prozyklisch wirken, da die oft mit Hilfe interner Modelle berechnete Eigenkapitalunterlegung durch die Banken auf Daten beruht, die in der Regel nicht viel mehr als eine Handvoll Jahre zurückliegen. Dauert ein Aufschwung also nur lange genug, besteht damit schon infolge aufsichtlicher Bestimmungen die Gefahr, dass Banken Risiken unterschätzen.In ihren Abschlüssen für 2018 werden nach internationalen Regeln bilanzierende Institute zudem erstmals den neuen Bilanzstandard IFRS9 zur Bildung von Risikovorsorge anwenden, dem in Bankenvorstandsetagen ebenfalls prozyklische Wirkung zugeschrieben wird. Dafür, dass die Banken bzw. ihre Schuldner fürs Erste stabil bleiben werden, sprechen auf der anderen Seite hingegen eine in den vergangenen Jahren gesunkene Verschuldung der privaten Haushalte sowie eine kräftig gestiegene Eigenmittelquote der deutschen Unternehmen.Auf eine Debatte über die Prozyklizität von Regulierung und Aufsicht wollten sich Buch und Joachim Wuermeling, im Bundesbankvorstand unter anderem für Bankenaufsicht zuständig, am Mittwoch nicht einlassen. Der Befund der Bundesbank sei keine Kritik an internen Modellen, sagte Buch. Wuermeling wies darauf hin, dass interne Modelle auch die Berechnung von Abschwungszenarien vorsähen. Die Bankenaufsicht unternehme derzeit zudem “erhebliche Anstrengungen”, um zu verhindern, dass mit Hilfe von Modellen arbeitende Banken ihre Risiken unterschätzen, zum Beispiel im Zuge der gezielten Überprüfung interner Modelle (TRIM). Appell an die KreditwirtschaftAngesichts der momentanen Risiken, die politisch durch Handelsdispute und Brexit geprägt sind, appellieren die Aufseher an die Institute, ihre Kapitalpuffer zu verstärken. Die bestehenden könnten nicht ausreichen, wenn bei einem Abschwung Risiken etwa aus Kreditausfällen, Neubewertungen von Vermögenspositionen und Zinsänderungen gleichzeitig eintreten würden, sagte Wuermeling. Noch sei im momentanen Aufschwung Zeit, Puffer aufzubauen, erklärte Buch.Jenseits verbaler Intervention hat die Bundesbank die Option, in dem mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums, der Bundesbank sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) besetzten Ausschuss für Finanzstabilität auf makroprudenzielle Maßnahmen wie die Verhängung eines antizyklischen Kapitalpuffers zu dringen. Wie Buch erklärte, wird im Gremium tatsächlich über einen solchen Puffer diskutiert, der andernorts in Europa bereits in Kraft gesetzt worden ist und mit welchem der Kapitalaufbau in den Banken verordnet würde. “Das ist eine Diskussion, die auch international und europäisch geführt wird”, sagte sie. Vorsichtiger äußerte sich Buch über den Einsatz makroprudenzieller Instrumente, die nicht bei den Banken, sondern bei der Nachfrage ansetzen wie die Festlegung von Obergrenzen für den Beleihungswertauslauf oder Anforderungen an die Amortisation von Immobilienkrediten. Noch sehe man keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken, sagte Buch. Laut Einschätzung der Bundesbank weichen die Immobilienpreise nach Jahren laxer Geldpolitik zwar um 15 % bis 30 % von dem Niveau ab, das den Fundamentaldaten sowie der regionalen und demografischen Entwicklung entspräche. Die Hürde für den Einsatz solcher Instrumente liege aber hoch, sagte Buch, die mit Blick auf die Immobilienfinanzierung auch mangels Datenbasis zurückhaltend agiert: “Wir wissen sehr viel über die aggregierten Kredite. Wir wissen aber nur sehr wenig darüber, wie die Standards in der Kreditvergabe sind, was die Beleihungswertausläufe und die Verschuldung der Kreditnehmer angeht. Uns fehlen auf systematischer Basis einfach die nicht-aggregierten, granularen Daten”, räumte sie ein. Auch der Ausschuss für Finanzstabilität empfahl bereits, die Datenlage zum Wohnimmobilienmarkt zu verbessern. Buch: “Dass wir etwas tun müssen, ist klar.”Wie am Montag bekannt geworden war, will die BaFin zu diesem Zweck eine Abfrage bei den Banken starten. Für ein neues Meldeformat fehlt ihr zwar noch die rechtliche Grundlage. Bis diese vorliegt, könnte sie indes eine Erhebung wie die Niedrigzinsumfrage anberaumen, mit der sie und die Bundesbank Instituten zweijährlich wegen der Folgen des Zinstiefs auf den Zahn fühlen.