Commerzbank hegt Ambitionen im Schweizer Firmenkundengeschäft
"Wir wollen ein großes Stück vom Kuchen"
Die Commerzbank will im Schweizer Firmenkundengeschäft aufdrehen und sieht die Integration der Credit Suisse als "Riesengelegenheit"
Von Daniel Zulauf, Zürich
Die Commerzbank hat bereits nennenswertes Kreditgeschäft in der Schweiz. Vom Verschwinden der Credit Suisse verspricht sich Marc Steinkat, Chef der Commerzbank Schweiz, große Chancen für die Frankfurter im Firmenkundengeschäft. Würde die Bank heute neu gegründet werden, würde er es in der Schweiz tun.
Der Commerzbank geht es so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das könnte auch für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) in der Schweiz eine frohe Kunde sein. Die zweitgrößte Bank Deutschlands will im Schweizer Firmenkundengeschäft kräftig aufdrehen und in die Lücke vorstoßen, die sich zwölf Monate nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS allmählich in der Schweizer Kreditlandschaft zu öffnen beginnt.
„Wir wollen ein großes Stück vom Kuchen“, sagt Marc Steinkat, Chef von Commerzbank Schweiz. Der 56-Jährige kam vor bald zehn Jahren nach Zürich, um den Schweizer Industrie- und Handelsunternehmen Exportfinanzierungen und damit zusammenhängende Finanzdienstleistungen anzubieten. „Wir sind jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich gewachsen und erwarten eine Beschleunigung“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Auslandsbanken haben es schwer
Steinkat spricht im Wissen darum, dass Auslandsbanken in der Schweiz kein leichtes Spiel haben: Im Oktober fragte der Industrieverband Swissmem seine Mitgliedsfirmen, ob diese den ausländischen Kreditinstituten zutrauten, erfolgreich in die Bresche der Credit Suisse zu springen. Nur knapp 30% bejahten.
Jean-Philippe Kohl, SwissmemDie Ersten, die damals das Land verließen, waren die Auslandsbanken.
Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor bei der wichtigen Branchenorganisation, weiß warum: „Die Schweizer KMU bringen mit ihrer Skepsis zum Ausdruck, dass sie von ihren Kreditgebern eine langfristige und wetterfeste Partnerschaft erwarten.“ Bei manchen Firmen würden noch immer die negativen Erfahrungen nachhallen, die sie in der Finanzkrise machen mussten. „Die Ersten, die damals das Land verließen, waren die Auslandsbanken“, sagt Kohl.
Beträchtliche Kreditzusagen
Umso stärker betont Steinkat die Leidensfähigkeit der Commerzbank, die diese in der jüngeren Vergangenheit auch in der Schweiz unter Beweis gestellt habe. Das Negativzinsregime in Europa hatte dem Institut aus Frankfurt heftig zugesetzt und den Konzern 2020 tief in die Verlustzone getrieben. Es folgte ein tiefgreifender Abbau von Stellen und Kosten. Auch die Schweiz musste das 2014 aufgebaute Netz von sechs Niederlassungen in fast allen Landesteilen auf den Standort Zürich konzentrieren.
Marc Steinkat, Commerzbank SchweizWir haben viel gelernt, unser Geschäftsmodell geschärft, den Fokus stärker auf die Handelsfinanzierung gelegt.
„Wir haben viel gelernt, unser Geschäftsmodell geschärft, den Fokus stärker auf die Handelsfinanzierung gelegt und den Mehrwert der Commerzbank so besser von anderen Banken abgegrenzt“, resümiert Steinkat seine Lehrjahre in der Schweiz. Der lange Atem scheint sich gelohnt zu haben. „Unsere Kunden ermutigen uns sehr, auch weiterhin in der Schweiz zu wachsen“, sagt der Manager, der 2020 selbst Schweizer wurde.
Commerzbank hat bereits großes Schweizer Kreditengagement
Die Commerzbank hat nach eigenen Angaben Kreditzusagen gegenüber Schweizer Firmenkunden in Höhe von 11 Mrd. sfr ausstehend. Das ist kein Pappenstiel. Privatwirtschaftliche Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden nehmen in der Schweiz aktuell nicht hypothekarisch gedeckte Bankkredite in Höhe von insgesamt rund 60 Mrd. sfr in Anspruch. Die Hälfte dieser Ausleihungen ist nicht besichert.
Die Statistik der Nationalbank zeigt zudem, dass das Volumen an Blankokrediten gegenüber privatwirtschaftlichen Firmen ab 50 Mitarbeitende seit Ende 2020 um fast 7 Mrd. sfr zurückgegangen ist. Der Grund dafür ist nicht eine Verknappung des Angebotes, sondern ein Rückgang der Nachfrage. Vier Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie ist eine große Mehrheit der Schweizer Unternehmen – einschließlich KMU – immer noch solide finanziert. „Die Eigenkapitalquoten bewegen sich oft bei mehr als 40% und die Kreditnachfrage ist entsprechend verhalten“, konstatiert man auch bei der Commerzbank.
Das kann sich allerdings sehr rasch ändern. Umfragen und statistische Beobachtungen im Segment der exportorientierten Schweizer KMU-Landschaft zeigen, dass die Kreditnachfrage der Firmen schlagartig zunimmt, wenn die Firmen markante Umsatzveränderungen nach oben wie nach unten erwarten. Während heftige Wachstumsschübe typischerweise einen höheren Investitionsbedarf erzeugen, können abrupte Umsatzverluste zu einer Liquiditätsverknappung führen.
Verwöhnte Firmenkunden
Mit zwei einheimischen, international tätigen Großbanken direkt vor der Haustüre genossen die Schweizer Exportfirmen bis vor Kurzem eine privilegierte Situation in Sachen Kreditversorgung. Das wird sich ändern, wenn die Credit Suisse bald einmal ganz in der UBS aufgegangen ist. „Wir sind jetzt einer Großbank de facto stärker ausgeliefert und Abhängigkeiten mögen wir grundsätzlich nicht“, sagte Swissmem-Präsident Martin Hirzel im Dezember in einem Streitgespräch mit UBS-Chef Sergio Ermotti in der NZZ.
Martin Hirzel, SwissmemWir sind jetzt einer Großbank de facto stärker ausgeliefert und Abhängigkeiten mögen wir grundsätzlich nicht.
Swissmem-Vizedirektor Kohl sagt deshalb mit Blick auf die Commerzbank-Offensive: „Es ist nur zu begrüßen, wenn sich ausländische Banken hierzulande in der Finanzierung von Industriefirmen engagieren möchten.“ Bedarf gibt es insbesondere im Bereich der KMU: Sie verfügen im Unterschied zu globalen Großfirmen nicht selbstverständlich über ein Netzwerk zu Banken mit internationaler Erfahrung. Kohl spricht für eine Industrie, die mit ihren über 330.000 Beschäftigten jährlich Exportleistungen im Wert von rund 70 Mrd. sfr erbringt und damit quasi ein Fünftel aller jährlichen Gütereinfuhren der Schweiz finanziert.
Aufnahmefähige Commerzbank
Marc Steinkat kokettiert: „Könnte man die Commerzbank noch einmal gründen, müsste man dies in der Schweiz tun.“ Deren „extrem große Exportorientierung“ sei der Kuchen, von dem sich die deutsche Unternehmerbank in den nächsten Jahren ein großes Stück abschneiden möchte. „Das Verschwinden der Credit Suisse ist ein Malheur für die Schweiz, die Bank war lange ein Pfeiler der starken Schweizer Wirtschaft. Die veränderte Situation ist nun aber eine Riesengelegenheit für uns“, sagt Steinkat und ergänzt vielsagend: „Wir sind nicht limitiert, was die Aufnahme von Kunden und Mitarbeitenden der Credit Suisse anbelangt, vorausgesetzt, sie passen zu unserem exportorientierten Geschäftsmodell.“
Marc Steinkat, Commerzbank SchweizWir sind nicht limitiert, was die Aufnahme von Kunden und Mitarbeitenden der Credit Suisse anbelangt.
Swissmem-Präsident Hirzel sagt zwar, die mittelgroßen und großen Unternehmen seines Verbandes unterhielten traditionell Beziehungen zu ausländischen Banken. „Aber in einem Abschwung möchten wir von diesen nicht abhängig sein.“ In vielen Fällen wird sich eine solche Abhängigkeit aber kaum vermeiden lassen. Das Versprechen der Commerzbank – „wir sind gekommen, um zu bleiben“ – erhält vor diesem Hintergrund durchaus seinen Wert, auch wenn es den nächsten Schlechtwettertest noch nicht bestanden hat.