Kapitalspritze

Credit Suisse bittet Aktionäre zur Kasse

Credit Suisse hat nach den Debakeln mit Greensill und Archegos schwer zu kämpfen. Die Großbank beschafft sich 1,8 Mrd. sfr an frischen Mitteln. Die Aufarbeitung der Krisenfälle hat auch die Aufsichtsbehörde Finma auf den Plan gerufen.

Credit Suisse bittet Aktionäre zur Kasse

Von Daniel Zulauf, Zürich

António Horta-Osório erlebt gerade ein Dé­jà-vu. Die Aktionäre der Credit Suisse werden den Mann am 30. April zum neuen Präsidenten ihres Verwaltungsrates wählen – mitten in einer großen Krise. Genau dies hatte der 56-jährige Portugiese schon vor zehn Jahren erlebt, als er frisch zum Vorstandschef der Lloyds Banking Group berufen worden war. Ein Finanzskandal hatte dem Institut gigantische Verluste und Horta-Osório eine zweimonatige Erschöpfungsdepression beschert. Dann aber packte der Banker den Stier an den Hörnern und brachte die britische Großbank wieder voran.

Aktionäre angezapft

Auf einen solchen Ausgang hoffen nun auch die Eigentümer und die 49000 Angestellten der Schweizer Großbank. Nach Kreditverlusten in Milliardenhöhe mit dem amerikanischen Hedgefonds Archegos steckt diese in argen Schwierigkeiten. Zu deren Überwindung zapft sie zum zweiten Mal binnen vier Jahren die Aktionäre an. Über die Ausgabe von zwei Pflichtwandelanleihen hat sie sich am Donnerstag ein zusätzliches Kapitalpolster von 1,8 Mrd. sfr gesichert.

Mit dem Geld will das Institut das Kapitalpolster aufpolieren und sich die Chancen auf künftiges Wachstum wahren. Die Kernkapitalquote war im Zuge der jüngsten Verluste von 12,9% zum Jahresende auf 12,2% per Ende März eingebrochen. Die Quote soll bis Ende des Jahres wieder auf 13% angehoben werden.

Die Anleihen werden in spätestens sechs Monaten in 203 Millionen neue Aktien umgewandelt. Damit steigt die Zahl der Aktien um rund 9%. Offensichtlich haben die Investoren in den vergangenen Tagen und Wochen diese Kapitalerhöhung vorausgesehen. Jedenfalls sind die Credit-Suisse-Aktien seit Bekanntgabe des Archegos-Milliardenverlustes am 6. April ziemlich genau im Umfang der nun angekündigten Ausweitung des Kapitalkleides gesunken. Am Donnerstagmorgen fielen die Titel um gut 2% auf unter 9,2 sfr.

Die letzte große Kapitalerhöhung der Credit Suisse war im Frühjahr 2017, als sich die Bank durch die Ausgabe von 405 Millionen neuen Aktien ein zusätzliches Eigenkapital von 4 Mrd. sfr beschafft hatte. Das Geld wurde für die Umsetzung des kostspieligen Restrukturierungsplans des damaligen CEO Tidjane Thiam eingesetzt.

Seither hat Credit Suisse im Rahmen von drei Aktienrückkaufprogrammen 132 Millionen Titel im Wert von 1,6 Mrd. sfr vom Markt zurückgekauft, um den seinerzeitigen Verwässerungseffekt auszugleichen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass diese neuerliche Kapitalerhöhung den Effekt dieser Rückkäufe wieder vollständig ausradiert.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Bank nun in erster Priorität ihre volle Dividendenfähigkeit zurückerlangen will und Pläne für künftige Aktienrückkäufe vorerst einmal in die Schublade wandern. In diesem Sinne äußerte sich am frühen Donnerstagmorgen in einer Telefonkonferenz mit Journalisten auch Credit-Suisse-Finanzchef David Mathers. CEO Thomas Gottschein bezeichnete die Archegos-Verluste und die Milliardenverluste von Credit-Suisse-Fondsinvestoren im Nachgang zur Pleite des Lieferkettenfinanzierers Greensill als „inakzeptabel“.

Aus der Kreditfinanzierung der gewagten Aktienspekulationen des US-Hedgefonds-Managers Bill Hwang hat Credit Suisse nach letzter Bilanz einen Verlust von rund 5 Mrd. Dollar erlitten. Davon wurden 4,4 Mrd. Dollar dem ersten Quartal angelastet. Weitere 600 Mill. gehen nun zulasten des zweiten Quartals. Von Hwangs gigantischen Aktienpositionen, die Credit Suisse als Sicherheit für die Kredite genommen hatte, seien inzwischen 97% liquidiert, sagte Gottstein.

Boni gekürzt

Die verantwortlichen Investment-Bank-Manager und andere Spitzenkräfte im Credit-Suisse-Konzern wurden in den vergangenen Wochen entlassen. Viele Manager in hohen Positionen mussten ganz auf ihren leistungsabhängigen Teil des Jahresgehaltes verzichten, was im Fall von CEO Thomas Gottstein einer Lohnkürzung um zwei Drittel gleichkommt. Im gleichen Maße müssen am 30. April aber auch die Aktionäre auf die bereits versprochene Dividende verzichten. Statt 0,29 sfr pro Titel sollen sie nur mehr 0,10 sfr erhalten.

Investmentbank schrumpft

In Zukunft wird die Investmentbank geschrumpft. Das für die Archegos-Verluste verantwortliche Prime Brokerage wird gemäß Gottstein um ein Drittel verkleinert. Es kommt zum Rückbau von Bilanzpositionen im Umfang von 35 Mrd. Dollar oder rund 10% gegenüber Ende März. Die risikogewichteten Aktiva sollen sogar um nahezu ein Fünftel auf das Niveau von Ende 2020 zurückgefahren werden. Was dies für die künftige Gewinnkraft der Credit Suisse bedeutet, bleibt abzuwarten. Mathers sagte, die aufzugebenden Geschäfte seien im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital nicht sehr profitabel gewesen. Alles in allem hat die Credit Suisse im ersten Quartal des Jahres einen Verlust von 252 Mill. sfr eingefahren. Dies, obschon die Geschäftsbedingungen eigentlich hervorragend gewesen seien, wie Gottstein betonte. Ohne die Archegos-Pleite hätte die Bank nach seinen Angaben einen Gewinn von 3,6 Mrd. sfr ausweisen können – so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr in einem einzelnen Quartal.

Aufsicht interveniert

Die Aufarbeitung des Archegos-Debakels und die Abwicklung der Greensill-Fonds haben auch die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. Die schweizerische Finma gab am Donnerstagmorgen bekannt, dass sie zwei Enforcement-Verfahren führe. Unmissverständlich gab die Finma zudem zu verstehen, dass sie bei den Sofortmaßnahmen der Bank in den vergangenen Wochen ein gewichtiges Wort mitgeredet habe.