„Da braut sich etwas zusammen“
fir Frankfurt
– Die hohe Inflation und steigende Zinsen werden nach Ansicht von Vertretern der Finanzbranche künftig zu mehr Kreditausfällen führen und sich entsprechend negativ auf die Risikovorsorge der Banken auswirken. Der Vorstandsvorsitzende von ING Deutschland, Nick Jue, sagte am Mittwoch beim Banken-Gipfel des „Handelsblatts“, im eigenen Geschäft zwar aktuell noch keine Ausfälle ausmachen zu können, aber mit ihnen zu rechnen. „Der Schmerz wird vielleicht etwas später kommen, bei der Risikovorsorge“, sagte er.
Auch der Vorstandschef und Co-Gründer von Raisin, Tamaz Georgadze, glaubt, dass mittelfristig Kreditausfälle ein Thema für die Finanzbranche sein werden. Abzuwarten sei, wie stark sie durchschlagen und die Kreditvergabefähigkeit der Banken beeinflussen.
Stramm steigende Preise machten vielen Bürgern zu schaffen, sagte die Vorstandsvorsitzende der Schufa, Tanja Birkholz. Sie berichtete davon, dass es den Menschen zunehmend schwerfällt, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Da braut sich etwas zusammen“, warnte sie. In einer Umfrage im Mai hätten 40% der Menschen angegeben, Sorge zu haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. 14% erwarteten ihr zufolge zu diesem Zeitpunkt, in dem die Energiepreise noch deutlich niedriger lagen, mit großer Wahrscheinlichkeit Kredite zu benötigen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Bürger schränken sich ein
Birkholz verwies zudem auf eine weitere Umfrage, der zufolge etwa 20% sagten, sich finanziell „sehr stark einschränken“ zu müssen, und mehr als 50% „etwas“. Was die Zahl der Negativeinträge bei der Schufa angehe, sei bisher nur ein leichter Anstieg zu bemerken. „Aber wir erwarten da etwas – ganz, ganz klar.“ Die Zahl der Kreditanfragen habe zuletzt deutlich zugenommen. „Wir stellen schon fest, dass mehr Menschen Kredit brauchen als sie womöglich bekommen“, sagte Birkholz. „Diese Relation verschlechtert sich.“
Ukraine-Krieg prägt
Den Ukraine-Krieg bezeichnete Raisin-Vorstandschef Georgadze als das bei Weitem einschneidendste Ereignis, nicht nur für die Finanzbranche. „Der Krieg und wie wir auf ihn reagieren, wird uns langfristig prägen. Wir haben eine klare Wahl zwischen einem demokratischen und einem diktatorischen System. Wir haben die Wahl zwischen internationalem Recht und dessen Missachtung.“ An zweiter Stelle sieht er die Zinswende. Auf die Geschäftsmodelle von Finanzinstituten wirke sich diese kurzfristig überwiegend positiv aus, mittelfristig aber über Kreditausfälle negativ.