LEITARTIKEL

Das Fondswunder

Der Investmentbranche ist im vorigen Jahr ein Wunder gelungen. Nicht allein, dass sie - keineswegs eine Selbstverständlichkeit - überlebt hat. Die Fondsanbieter konnten trotz des Existenzkampfs, den ihnen die Politik aufgezwungen hat, sogar Geschäft...

Das Fondswunder

Der Investmentbranche ist im vorigen Jahr ein Wunder gelungen. Nicht allein, dass sie – keineswegs eine Selbstverständlichkeit – überlebt hat. Die Fondsanbieter konnten trotz des Existenzkampfs, den ihnen die Politik aufgezwungen hat, sogar Geschäft machen. Mehr noch: Das verwaltete Vermögen überschritt erstmals die Schwelle von 2 Bill. Euro, der Nettoabsatz der Spezialfonds erreichte einen Rekordwert, und die fürs breite Publikum aufgelegten Sondervermögen schafften eindrucksvoll den Umschwung zu wieder ansehnlichen Geldzuflüssen.Was daran ein Wunder ist, und warum die Asset Manager ums Überleben kämpfen mussten? Hätten europäische und deutsche Regulatoren, namentlich das Bundesfinanzministerium, ihre ursprünglichen Vorstellungen durchgesetzt, wäre die Branche zumindest in weiten Teilen de facto kaputtreguliert worden. Immerhin gab es unter anderem im Zuge der Umsetzung der AIFM-Richtlinie zur Regulierung alternativer Fondsmanager ernst gemeinte Bestrebungen, die fast 1 Bill. Euro schweren deutschen Spezialfonds abzuschaffen und die Auflegung neuer offener Immobilienfonds zu unterbinden. Hinzu kam das im Rahmen der EU-Marktrichtlinie Mifid II erwogene Provisionsverbot, das in der geplanten Form einseitig die Fonds getroffen hätte – und in Europa wohl noch nicht endgültig vom Tisch ist. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass diese Vorstöße in ihrer Gesamtwirkung durchaus geeignet waren, der Branche, die in Deutschland direkt und indirekt das Kapital von 50 Millionen Menschen verwaltet, das Wasser abzugraben. Dass das eigentliche Geschäft, die Betreuung der Kunden und die Entwicklung bedarfsgerechter Produkte zu kurz kommen, wenn die rund 80 Mitgliedsgesellschaften des Branchenverbandes BVI praktisch gleichzeitig mit mehr als 30 Gesetzgebungsvorhaben bombardiert werden, sei nur am Rande erwähnt.Dass aus der Finanzkrise und auch aus einem beispiellosen Betrugsskandal wie dem Fall Madoff regulatorische Lehren zu ziehen sind, die Regierungen dabei eine gewisse Resolutheit an den Tag legen und auch mal den Widerstand von Besitzstandswahrern und Lobbyisten brechen müssen: geschenkt. Dabei kann auch die Fondsbranche – wiewohl schon vergleichsweise streng reguliert – nicht außen vor bleiben, und das bestreitet sie selbst gar nicht. Gerade die jüngsten Erfahrungen mit der Rechtsetzung für Asset Manager zeigen aber andererseits exemplarisch, wie insbesondere die Exekutive von einem Extrem ins andere verfällt: von übertriebener Deregulierung (die freilich von vielen Marktakteuren vehement gefordert worden war) zur Überregulierung bis hin zu Anflügen von Regulierungswahn.Den Einfall, ganze Produktgattungen oder Assetklassen, die sich jahrzehntelang bewährt haben und zudem eine zentrale Rolle bei der betrieblichen, überbetrieblichen und privaten Altersvorsorge spielen, schlichtweg ausradieren zu wollen, nur weil es auch mal Fehlentwicklungen gibt (Immobilienfonds) oder weil man eh gerade am Regulieren ist (Spezialfonds), kann man ja nur als Schnapsidee werten. Wenn Vorteile und Eigenarten bestimmter deutscher Finanzprodukte und deren Bedeutung für das Vorsorgesparen im fernen Brüssel nicht verstanden werden (dieses Phänomen ist auch den Bausparkassen vertraut), ist das schlimm genug. Aber in Berlin? Die Fondsgesellschaften (und indirekt ihre Kunden) haben es offenbar verständigen Parlamentariern zu verdanken, dass mancher regulatorische Kelch gerade noch an ihnen vorübergegangen ist.Indes gibt es auf dem Gebiet der Fondsregulierung auch Beispiele, für die die Bundesregierung Anerkennung verdient. So beseitigt Berlin mit der beschlossenen Möglichkeit des steuerschonenden Pension Pooling Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Ländern und fördert damit den Finanzplatz Deutschland. Auch das ist zumal in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Doch sollte die Politik darüber hinaus die laufende Gesetzgebung dazu nutzen, weitere regulatorische Exzesse und Absurditäten abzubiegen. Das gilt etwa für die nach derzeitigem Stand drohende Zweiklassengesellschaft von Alt- und Neuanlegern in bestehenden offenen Immobilienfonds. Es gilt ferner im internationalen Rahmen für die Regulierung der Schattenbanken, mit denen die längst regulierten klassischen Investmentfonds nicht wahllos in einen Topf geworfen werden dürfen. Und es gilt nicht zuletzt für die Finanztransaktionssteuer. Hier ist bisher nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie vermieden werden soll, dass nicht die Krisenverursacher (unter denen die Fondsbranche sowieso keine tragende Rolle spielt) zur Kasse gebeten werden, sondern Kleinanleger und Vorsorgesparer. ——–Von Bernd Wittkowski ——-Die Exekutive verfällt von einem Extrem ins andere: von übertriebener Deregulierung bis hin zu Anflügen von Regulierungswahn.