IM INTERVIEW: ELKE KÖNIG

"Das ist nun wirklich ein wenig wie Flöhe fangen"

Die Chefin des Single Resolution Board über die Idee einer Bad Bank für Europa, Tücken der Abwicklungsplanung und den Bedarf der Banken an Bail-in-Mitteln

"Das ist nun wirklich ein wenig wie Flöhe fangen"

– Frau König, wie sehr schmerzt es Sie, dass die schief liegende Monte dei Paschi di Siena nicht abgewickelt, sondern mit öffentlichen Mitteln gerettet wird?Zu Monte dei Paschi werde ich mich wie zu jedem anderen Institut nicht äußern. Unabhängig von Einzelfällen und ganz allgemein ist festzustellen, dass die Bankenabwicklungsrichtlinie als Ausnahme die vorsorgliche Rekapitalisierung einer Bank vorsieht, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Das Vorliegen dieser Bedingungen muss von den dafür zuständigen Stellen festgestellt werden. Das sind in erster Linie Kommission und EZB.- Als Außenstehender fragt man sich, welche Bank überhaupt jemals abgewickelt werden soll, wenn nicht jetzt Monte Paschi, die dermaßen in den Seilen hängt. In Aufsichtskreisen ist mit Blick auf das von Ihnen geleitete Single Resolution Board das Wort von der überflüssigsten Behörde in der EU gefallen.Das fand ich unfair und nicht gerechtfertigt.- Dennoch steht die Frage im Raum, welches Signal gesendet wird, wenn die Politik zuerst mit viel Aufwand eine EU-Bankenabwicklungsbehörde aufbaut, dann aber zu verhindern weiß, dass sie zum Einsatz kommt. Und das betrifft natürlich auch Sie, selbst wenn Sie noch nicht ins Verfahren eingebunden sind.Sicher. Wir verfolgen jedes dieser Verfahren natürlich ganz genau, denn wenn die Voraussetzungen für eine vorsorgliche Rekapitalisierung – unter anderem eine Gefährdung der Finanzstabilität in dem Fall, dass diese Rekapitalisierung nicht stattfindet – nicht gegeben sind, dann besteht möglicherweise eine staatliche Beihilfe, die zwingend zur Abwicklung führt. Mein Credo ist, unabhängig von konkreten Einzelfällen: Wir sollten ein bisschen mehr darauf vertrauen, was wir mit dem Abwicklungsregime geschaffen haben. Wir haben im Vergleich zur Krise 2007/2008 heute im Grundsatz deutlich stärkere Banken, und das bringt mich zu der Überzeugung, dass durch die Schieflage einer Bank nicht direkt der gesamte Finanzsektor in Aufruhr gerät. In einigen wenigen Mitgliedstaaten haben wir Banken, die im vergangenen Stresstest sehr schlecht abgeschnitten haben. Das Thema der Non-Performing Loans ist in diesem Zusammenhang nicht unbekannt und muss angegangen werden.- Andrea Enria, Vorsitzender der European Banking Authority, schlägt eine europaweite Bad Bank vor.Das Thema ist wichtig, und Enria spricht die richtigen Punkte an. Allerdings scheint mir sein Vorschlag einer wundersamen Geldvermehrung nahezukommen.- Warum?Nicht alle Non-Performing Loans sind gleich. In Deutschland sind es Schiffskredite, Spanien hat seine Erfahrungen mit Immobilienkrediten gemacht. Vor diesem Hintergrund würde ich bezweifeln, dass es Sinn hat, das alles in eine europäische Bad Bank zu packen. Non-Performing Loans abzubauen geht einher mit der Realisierung von Verlusten in Form von Abschreibungen oder Abgangsverlusten. Ich verstehe zwar den Ansatz, für die Finanzierung dieser Non-Performing Loans eine staatliche Lösung zu fordern, aber die Grenze zu staatlicher Beihilfe scheint fließend. Dennoch, Andrea Enria hat einige wichtige Punkte angesprochen.- Welche?Wir brauchen eine Idee, wie man einen europäischen Markt für Non-Performing Loans schafft. Dafür aber müssen Banken überhaupt erst einmal die nötigen Daten so aufbereiten, dass man ein Portfolio verkaufen kann. Andrea Enria hat Recht, wenn er sagt, dass es dazu in vielen, gerade kleineren Instituten einfach am Know-how fehlt. Das zweite, wichtigere Thema ist, dass man ein System schaffen muss, in dem man solche Loans auch tatsächlich verwerten kann. In Europa haben wir ein sehr heterogenes Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht und insbesondere Insolvenzrecht. In Deutschland etwa gibt es einen sehr starken Gläubigerschutz. Es gibt aber auch Länder in Europa, die einen sehr starken Schuldnerschutz haben oder andere gesellschaftlich politische Ziele mit ihrem Insolvenzrecht verfolgen. Das ist nationales Recht, und da sollten die Mitgliedsstaaten ihre Hausaufgaben machen.- Das hört sich an, als würde es noch sehr lange dauern, bis man da ein ebenes Spielfeld erreicht hat.Darum ist es ja auch gut, dass Enria dies angesprochen hat. Nur die Lösung, eine europäische Bad Bank, scheint mir über das Ziel hinauszuschießen. Das Problem muss kurzfristig gelöst werden, und ich begrüße sehr, dass die EZB als Aufsichtsbehörde inzwischen bei den Banken auf einen zügigen Abbau der Problemkredite drängt.- Was fehlt denn noch im regulatorischen Werkzeugkoffer?Da würde ich vorrangig das Regime zur Abwicklung zentraler Kontrahenten nennen. Ansonsten gilt es, die Regulierung, die bisher eingeführt wurde, auch anzuwenden. Als wichtigstes Instrument für die Abwicklungsbehörden haben wir da MREL.- Das sind die Mindestquoten für die bail-in-fähigen Verbindlichkeiten.Das ist der Puffer, mit dem wir eine etwaige Abwicklung finanzieren werden. Der Aufbau von MREL ist dabei in einigen Fällen schwieriger als in anderen.- Warum?Wir haben in Europa eine sehr heterogene Bankenlandschaft. Einige Banken, zum Beispiel Genossenschaften, sind dabei so aufgestellt, dass sie Kapital nur organisch bilden können. Wir haben in Europa auch Institute, die abgesehen vom Eigenkapital allein über ihre Einlagen finanziert sind, und man muss es sich zweimal überlegen, ob man solch einem Institut aufträgt, neben seinem Eigenkapital noch eine Schicht Nachrangkapital zu bilden. Denn man muss sich fragen, was diese Banken mit diesem Geld machen, um das sie ihre Bilanz verlängern und für das es gegebenenfalls erst einmal keinen sinnvollen Zweck gibt. Als Deutsche weiß ich, was in diesem Fall vor Jahren bei den Landesbanken passiert ist. Andere Banken absolvieren gerade sehr intensive Restrukturierungsprogramme. Auch sie gehören nicht zu den Instituten, die am Markt derzeit einfach Kapital aufnehmen können. Für das überwiegende Gros der Banken aber ist es einfach eine Frage der Zeit, um MREL in erforderlichem Ausmaß zu bilden, indem sie etwa auslaufende Anleihen durch nachrangige Papiere ersetzen. Wir haben ja schon im Dezember öffentlich gemacht, wo wir mit MREL stehen, und damit versucht, den Hiobsbotschaften, die so verbreitet werden, etwas entgegenzusetzen.- Die EBA stellte zunächst eine Zahl von 700 Mrd. Euro in den Raum, die sie bald auf 300 Mrd. herabrevidierte …… und zuletzt sogar auf möglicherweise nur 124 Mrd. Euro. Es kursierte auch schon die Fantasiezahl von 1 Bill. Euro. Bei manchen sehr großen Zahlen ist es schwer, keine politische Absicht zu vermuten.- Welchen Zweck verfolgt die EBA?Ich unterstelle der EBA keine politische Zielrichtung. Die Transparenz der Daten ist heute deutlich höher als noch vor ein bis zwei Jahren. Andere verfolgen eher den Zweck, deutlich zu machen, dass man noch langsamer vorgehen solle.- Wie viele Milliarden fehlen denn jetzt?Wir haben für 70 der größten Bankengruppen unter unserer Aufsicht MREL einmal relativ mechanisch ausgerechnet und sind auf Basis der Zahlen für 2015 auf ein Delta 112 Mrd. Euro gekommen. Das ist zwar immer noch eine große Zahl, mit 700 Mrd. aber hat sie nichts zu tun. Zum Vergleich: Allein im Januar 2017 haben Banken in Europa privat 25 Mrd. Euro einwerben können. Auf dieser Basis dürfte das Delta realistisch insgesamt zwischen 100 und 200 Mrd. Euro liegen. Die Rechnung berücksichtigt freilich nicht, welche Qualität wir im Einzelfall von MREL erwarten.- Auf welche MREL-Quote bezieht sich das Delta?Wir haben gesagt, dass MREL für die größten Banken in Europa nicht unter 8 % der Bilanzsumme liegen sollte. Das hat mir freundliches Unverständnis und den Hinweis, dass es dafür gar keine Rechtsgrundlage gebe, eingebracht. Es entspricht aber der ganz schlichten Grundlogik der entsprechenden Verordnung. 8 % der Bilanzsumme ist der Mindestwert, um im Fall einer Abwicklung im Zweifelsfall auf den europäischen Abwicklungsfonds zurückgreifen zu können.- Zählen Sie strukturierte Anleihen zu MREL?Wir haben in unserer ersten Analyse alle strukturierten Anleihen erst einmal als nicht MREL-anerkennungsfähig angenommen. Wenn wir im nächsten Schritt die Structured Bonds einzeln analysiert haben, wird sich das Problem voraussichtlich wieder etwas kleiner darstellen. MREL muss sukzessive eingeführt werden, und wenn man feststellt, dass etwas ein Problem ist, dann ist der Faktor, mit dem man arbeiten kann, die Zeitachse, nicht aber die grundsätzliche Anforderung.- Wie lange wird es dauern, bis Sie die Anleiheverträge der Banken einzeln durchgegangen sind, um festzustellen, ob diese Verbindlichkeiten MREL-fähig sind?Diese Aufgabe bringt einen tatsächlich an die Grenzen des Machbaren. Von allen Formen, in denen man Nachrang definiert, ist vertraglicher Nachrang aus unserer Sicht ein praktischer Albtraum. Denn dann müssen wir wahrscheinlich wirklich mit anwaltlicher Unterstützung jeden einzelnen Vertrag durchsehen. Deshalb war ich immer ein großer Verfechter des gesetzlichen Nachranges. Vielfach haben Sie aber auch mit Emissionen von Instituten zu tun, die nicht im Land des Hauptsitzes, sondern im Ausland oder über Finanzierungsvehikel begeben wurden. Da müssen Sie sich überlegen, ob Sie diese für einen Bail-in überhaupt heranziehen können. In der EU sieht die Abwicklungsrichtlinie BRRD klare Regeln vor; wenn es dann auf sonnige Inseln geht, sieht es ganz anders aus. Da kommen viele Dinge zusammen, die letztlich auch Teil des MREL-Deltas sind, weil etwa Emissionen von Finanzierungsvehikeln bisher nicht berücksichtigt wurden.- Nun überarbeitet die EU ihre Eigenkapitalrichtlinie CRD IV. Schränkt Sie der entsprechende Vorschlag der Kommission ein?Die Kommission würde jetzt sagen: überhaupt nicht. Ich lese den Vorschlag etwas vorsichtiger. Es gibt da viele kleine Bausteine, bei denen wir sagen, wir schauen uns mal an, was aus dem Gesetzgebungsverfahren herauskommt, was etwa Abstufungen der Anforderungen zwischen global systemrelevanten und anderen Instituten angeht, unsere Pflicht zur ausführlichen Rechtfertigung von Entscheidungen oder die Frage einer Begrenzung von Anforderungen durch die Leverage Ratio. Manche Vorschläge der Kommission sind sehr sinnvoll, bei manchem muss man aufpassen, dass wir als Abwicklungsbehörde noch den nötigen Spielraum behalten und nicht in einer Rechtfertigungsschleife landet, in der man sagen muss, eigentlich müsste ich jetzt zunächst einmal nachweisen, dass das Institut knapp vor dem Kollaps steht, um agieren zu können.- Im Entwurf ist ja auch die Rede von einem Verlustabsorptionskapital, also TLAC, von 6,75 % der Bilanzsumme. Sie hatten mindestens 8 % gefordert.Das stimmt. Der Vorschlag der Kommission folgt dem TLAC Term Sheet des Financial Stability Board. Das ist nicht ganz so ambitioniert. Diejenigen, die darauf hinweisen, dass man hier der internationalen Vorgabe folgt, vergessen aber immer eins: TLAC ist eine Mindestanforderung. Es ist vorgesehen, dass die Abwicklungsbehörde höhere Anforderungen festsetzen kann. Auch der Kommissionsvorschlag sieht dies vor.- Würden Sie sich der Einfachheit halber dafür einsetzen, dass diese Zahl noch einmal geändert wird?Wir sollten im Grundsatz bei dem bleiben, was wir jetzt haben: einem Ansatz, der eine direkte Verbindung zwischen der Anforderung an das Verlustabsorptionskapital und der Abwicklungsstrategie herstellt und die Ausgestaltung in das Ermessen der Abwicklungsbehörde stellt. Letztlich geht es darum, über das nötige Kapital zu verfügen, das Verluste absorbiert und erforderlich ist im Zusammenhang mit der Abwicklungsstrategie. Und die wird von Institut zu Institut unterschiedlich sein.- Wie sehen diese Unterschiede aus?Wenn Sie versuchen, für den Einlagenteil eines Instituts einen Käufer zu finden, und der andere Teil geht in die Abwicklung, dann mag in diesem Fall die volle Rekapitalisierung vielleicht gar nicht erforderlich sein, weil sie nur einen Teil hinreichend kapitalisiert halten müssen. Wenn es allerdings um ein großes, komplexes Institut geht, kann ich zunächst nur versuchen, das Institut zu rekapitalisieren und dann in Schritten Abwicklungs- und Restrukturierungsentscheidungen zu treffen. Eine gänzlich andere, aber ebenso valide Strategie ist es, zu überlegen, ob es einen Käufer gibt. Ich bin da ein bisschen vorsichtig, denn ein Verkauf ist ja immer auch ein privatwirtschaftliches Instrument, und wenn ein Verkauf bisher gescheitert ist, stellt sich die Frage, warum er dann im Falle der Abwicklung auf einmal sehr schnell gelingen soll. Das kann aber auch nur eine Frage des Preises sein. Dann gibt es den Versuch, das Geschäft aufzuspalten und etwa auf ein Brückeninstitut zu übertragen. Das ist sicher eine sinnvolle Lösung, wenn Sie zu dem Schluss kommen, Ballast hinter sich zu lassen. Man muss aber auch realistisch sein in der Frage, was Ballast ist und was nicht. Die Tücke bei einem Brückeninstitut ist auch, dass Sie die ganze Organisationsstruktur auf das neue Institut übertragen. In manchen Fällen aber ist gerade die Organisationsstruktur ein Teil des Problems, etwa weil sie zu teuer ist.- Im Januar sagten Sie, Sie hätten rund 100 Abwicklungspläne erstellt. Wie viele müssen Sie noch erarbeiten?Wir haben 130 Institute unter unserer direkten Aufsicht. Hinzu kommen grenzüberschreitend tätige Banken, die nicht so groß sind, dass sie unter die Aufsicht der EZB fallen, aber dennoch in unseren Bereich fallen, weil sie in mehr als einem Mitgliedstaat der Eurozone tätig sind. Und das ist nun wirklich ein wenig wie Flöhe fangen, weil man gucken muss, wer dazugehört und wer nicht. Hier sind wir auf die nationalen Aufseher angewiesen. Insgesamt kümmern wir uns um 140 bis 150 Banken. Unter einem Institut “mit Abwicklungsplan” muss man sich dabei vorstellen, dass wir alle wesentlichen Fragen adressiert haben, aber noch lange nicht alle Probleme gelöst haben. Man hat eine erste Abwicklungsstrategie, die aber noch operationalisiert werden muss.- Welche Probleme gibt es denn?Bei einer ganzen Reihe von Instituten haben wir eine mangelnde Datenverfügbarkeit identifiziert, als wir die Struktur der Verbindlichkeiten abgefragt haben. Das sind Daten, die von der Aufsicht nicht abgefragt werden. Man kann darüber lachen, aber wenn es dann drei Monate dauert, bis wir diese Daten von einem Institut bekommen, und diese auch nur annähernd richtig sind, dann ist das ein Problem, denn im Falle eines Falles brauchen Sie diese Daten sofort, quasi auf Knopfdruck. Ein weiteres Thema ist, dass Sie im Zuge der Abwicklungsplanung erst einmal bestimmte kritische Funktionen identifizieren müssen. Was ein Institut für kritisch erachtet und was für eine Abwicklung kritisch ist, sind manchmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Ist eine Funktion als kritisch definiert, muss man sie abtrennen oder sehr schnell veräußern können. Dann muss man aber auch beweisen, dass man sie vor einem Verkauf auch schnell abtrennen kann. Solche Themen gehen wir jetzt an.- Wie lange dauert es, bis ein Abwicklungsplan genehmigt worden ist?Wenn wir einen Plan besprochen haben, und das Board sagt, es genehmigt ihn, dann gibt es einen viermonatigen Prozess, in dem die EU-Aufsichtsbehörden außerhalb der Eurozone, in deren Hoheitsgebiet die Banken tätig sind, beteiligt werden. Das passiert gerade. Gerade kleinere EU-Mitgliedstaaten haben ab und an das nicht zu unterschätzende Problem, dass eine Bank für ihr Land wichtig ist, das Exposure des Instituts dort aber nicht einmal 1 % des Geschäftsvolumens der Gruppe entspricht. Diese Frage der Abgrenzung haben Sie aber auch innerhalb der Eurozone bei grenzüberschreitend wichtigen Instituten.- Wie stellen Sie denn die Liquiditätsversorgung einer Bank in Abwicklung sicher?Damit sprechen Sie in der Tat eine ungelöste Frage an. Wir können zwar theoretisch die Mittel im Single Resolution Fund auch dazu nutzen, Liquidität bereitzustellen. Hier sollte man aber realistisch sein. Im Fund sind derzeit knapp über 10 Mrd. Euro. Wenn das für die Liquiditätsversorgung reichen soll, muss das Institut schon recht klein sein. Deswegen ist das Thema der Liquidität während einer Abwicklung etwas, an dessen Lösung wir, auch international, intensiv mitarbeiten.- Was ist konkret zu tun?Mit der EZB besprechen wir derzeit, unter welchen Bedingungen man davon ausgehen kann, dass die Zentralbank in solchen Fällen Liquidität bereitstellt, und zwar nicht als Notliquidität, sondern ganz normal. Die Zentralbank ist aus meiner Weltsicht noch immer “lender of last resort”, und es wäre bizarr, wenn man ein Institut übers Wochenende wieder solvent auf die Beine stellt, aber dann daran scheitert, dass dieses Institut am Montag keine Geschäftspartner findet, die ihm Geld leihen. Das Beruhigende ist: Die anderen Abwicklungsbehörden führen ebenfalls mit ihren Zentralbanken solche Gespräche. Auch dort gibt es keine festgezerrten Lösungen. Eine weitere Frage ist in diesem Zusammenhang: Muss man nicht auch sehr genau darauf achten, wie viel Liquiditätsspielraum ein Institut hat und welche von Rechten Dritter freien Vermögenswerte es da noch gibt? Denn das ist die Voraussetzung dafür, um Liquidität von der Notenbank zu bekommen: dass Sie irgendwo Vermögenswerte haben, die Sie dort einreichen können. Wenn es die nicht gibt, dann sind Sie schnell mit ihrem Latein am Ende.- Wie wollen Sie denn verhindern, dass ein eigentlich kerngesundes Institut, das infolge etwa eines hohen Handelsverlusts kurzzeitig unter die Mindestkapitalmarke der Aufsicht rutscht und damit einen Bail-in auslöst, daraufhin von den Ratingagenturen so heruntergeprügelt wird, dass Sie sich eine Rekapitalisierung gleich sparen können?Auf Ebene des Financial Stability Board arbeiten wir in einem Arbeitskreis zu genau diesem Thema mit. Erfahrungsgemäß gilt für Ratings wie im Fußball: Der Abstieg geht immer schneller als der Aufstieg. Dieses Thema spielt für die Liquidität und die Frage, wann ein Institut wieder Marktzugang bekommt, eine Rolle. Wir diskutieren es auch mit den Agenturen. Es kann natürlich nicht sein, dass wir sagen, ein Institut ist jetzt wieder solvent, und die Ratingagentur klassifiziert das Institut als “Default”, womit es keinen Marktzugang mehr haben wird.- Sie bearbeiten die Agenturen, dass diese nicht so böse umgehen mit einem solchen Institut?Wir kommunizieren den Ratingagenturen sehr klar, was unsere Schritte sind, und gehen davon aus, dass die Agenturen das in ihren Ratings dann auch berücksichtigen und ihr Rating nur aussetzen – was schon schlimm genug ist – oder dass der Markt in diesem Fall einer Abwicklungsbehörde vielleicht ein bisschen mehr über den Weg traut als nur dem Rating. Letztlich ist dies aber genau der Grund, warum man sagen muss, dass ein solches Institut, auch wenn es nach einem solchen Ereignis rekapitalisiert in den Markt zurückkehren sollte, wohl noch eine Weile auf Liquiditätshilfe angewiesen sein wird.- Haben Sie den Abwicklungsplan für die HSH Nordbank schon in der Schublade?Für die HSH Nordbank gibt es, so wie für andere Banken auch, natürlich einen Abwicklungsplan.- Wie sieht der aus?Da sind wir wieder am Anfang: Zu einzelnen Instituten äußere ich mich nicht.—-Das Interview führten Andreas Heitker und Bernd Neubacher.