IM INTERVIEW: WERNER HOYER, EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK

"Der Brexit haut bei uns richtig rein"

Der Präsident fordert eine Kapitalerhöhung - Einschränkung der Kreditvergabe befürchtet - Kapazitäten des ESM im Blick - Smart City als neues Mega-Thema

"Der Brexit haut bei uns richtig rein"

– Herr Hoyer, die Briten treten aus der Europäischen Union (EU) aus. Was werden aus Ihrer Sicht die wesentlichsten Konsequenzen des Brexit für die EU sein?Zunächst bedauere ich es außerordentlich, dass sich die Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden haben. Das ist eine Situation, in der wir alle verlieren – in erster Linie die Briten selbst, aber auch Länder wie Deutschland und natürlich die EU insgesamt. Großbritannien ist ein Schwergewicht in der EU. Mit Großbritannien geht nicht nur ein wesentlicher Beitragszahler, sondern auch ein wichtiger Politikgestalter mit einer globalen Perspektive. Das wird Europa fehlen.- Die Briten halten am gezeichneten Kapital der EIB heute 16 %. Was passiert mit diesem Anteil?Lassen Sie mich noch einmal betonen: Auch für die EU-Bank ist der britische Ausstieg schmerzlich. Die Briten waren und sind ein wichtiger Partner, das lässt sich schon von der Kapitalseite der Bank ableiten. Unsere Anteilseigner stehen uns mit insgesamt gut 240 Mrd. Euro als gezeichnetem Kapital zur Seite. 16 % davon, das ist der britische Anteil, entsprechen rund 40 Mrd. Euro. Wenn dieser Betrag künftig fehlt, ist das im Hinblick auf das Kreditvergabevolumen schon sehr relevant. Wir werden unsere Kreditvergabe einschränken müssen. Und die Bank wird – wenn die Mitgliedstaaten nicht gegensteuern – stärker schrumpfen, als es durch eine Reduzierung von 16 % des Kapitals zum Ausdruck kommt.- Wie stark könnte das Volumen der EIB bei der Kreditvergabe denn sinken?Die EIB ist die Bank mit der höchsten Hebelwirkung unter den internationalen Finanzinstitutionen weltweit. Wenn das gezeichnete Kapital um 40 Mrd. Euro reduziert würde und wir unsere statutorische Begrenzung der Kreditvergabe auf das 2,5-Fache des Kapitals ansetzen, dann würde sich unser maximales Kreditvergabevolumen um etwa 100 Mrd. Euro verringern. Der Brexit haut bei uns also richtig rein.- Und was ist der EIB-Anteil der Briten wert?Das harte Eigenkapital, also der von den Mitgliedstaaten eingezahlte Betrag, beläuft sich auf 24 Mrd. Euro. Der 16-%-Anteil, der auf die Briten entfällt, entspricht damit rund 3,8 Mrd. Euro. Dabei muss man allerdings wissen, dass die Staaten eigentlich nur 14 Mrd. Euro eingezahlt haben. Der Restbetrag stammt aus einer Transformation von Reserven in das harte Eigenkapital. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten der EU über einen Zeitraum von 60 Jahren nur 14 Mrd. Euro aufgebracht haben, um diese Bank zu finanzieren. Und mit diesen 14 Mrd. Euro unterhalten wir jedes Jahr ein Ausleihvolumen von rund 85 Mrd. Euro und eine Bilanzsumme von fast 600 Mrd. Euro. Wenn wir den britischen Anteil auf das tatsächlich bar eingezahlte Kapital von 14 Mrd. Euro herunterbrechen würden, käme man auf einen Betrag von lediglich gut 2 Mrd. Euro.- Was passiert denn jetzt mit dem Anteil der Briten? Kann er einfach auf die übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten übertragen werden.In den Statuten der EIB ist die Regelung kristallklar: Die Anteile der Bank sind nicht handelbar. Was in einer vergleichbaren Situation bei anderen Institutionen wie der Weltbank oder der Osteuropa-Bank passieren würde, dass andere Staaten die Anteile übernehmen beziehungsweise aufkaufen würden, ist bei der EIB also nicht möglich – obwohl es EU-Staaten gäbe, die interessiert wären, den Anteil der Briten ganz oder teilweise zu übernehmen. Es geht in den Brexit-Verhandlungen nun also um die Frage, wie viel man den Briten für ihren Anteil auszahlt. Die EU hat angeboten, bei der Berechnung das insgesamt eingezahlte Kapital anzusetzen, also einschließlich der Summe, die aus der Transformation von Reserven kam. Das sind dann die 3,8 Mrd. Euro, also deutlich mehr als die 2 Mrd. Euro, die wir den Briten eigentlich schulden. Reagiert haben die Briten darauf aber bisher noch nicht.- Kann man die Statuten nicht einfach dahingehend ändern, so dass die Anteile auf andere Staaten übertragbar würden?Das würde eine Vertragsänderung voraussetzen. Und an eine Änderung des EU-Vertrages denkt zurzeit kein Mensch. Das ist illusorisch.- Wann rechnen Sie denn damit, dass das Geld nach Großbritannien zurückfließen wird?Das ist Teil der Brexit-Verhandlungen, die für die EU-27 Michel Barnier führt. Wir müssen abwarten, was dabei herauskommt. Ich stehe in sehr engem Kontakt mit Barnier, denn die Verhandlungen sind für uns äußert relevant. Wir sind kapitalmarktbasiert, und nicht wie die übrigen EU-Institutionen budgetorientiert.- Was bedeutet das mit Blick auf Ihre Bondholder?Das heißt, dass wir schnell Klarheit benötigen und nicht bis zum letzten Tag der Brexit-Verhandlungen warten können. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass mancher Investor in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 beginnt, einen Bogen um uns zu machen. Der Brexit ist also ein sehr marktsensitives Thema. Deshalb hoffen wir auch, dass wir möglichst schon in den nächsten Monaten Klarheit bekommen, welche Auswirkungen der Brexit ganz konkret auf die EIB hat. Für alle Beteiligten muss klar sein, dass in unserem Fall nicht die Aktionäre zuerst kommen, sondern die Bondholder. In der Vergangenheit haben die Mitgliedstaaten immer wieder ein starkes Signal ausgesandt, dass sie geschlossen hinter der EU-Bank stehen, zuletzt mit der Kapitalerhöhung 2013. Das macht unsere Stärke auf den Märkten und bei den Ratingagenturen aus. Deshalb brauchen wir auch jetzt ein solches Signal der Unterstützung, dass unser Geschäftsmodell mit dem Top-Rating “AAA” trotz Brexit unangetastet bleibt. Das erwarten die Bondholder.- Sie haben die Brexit-Auswirkungen auf Ihre Kreditvergabekapazität und die marktsensitive Situation mit Blick auf die Bondholder angesprochen. Wie sieht es aus: Braucht die EIB eine Kapitalerhöhung?Ich bin der Meinung, man sollte in dieser Frage klar Position beziehen und das gezeichnete Kapital der EIB erhöhen. Wir brauchen dabei keine Bareinzahlung, wie die Mitgliedstaaten dies 2013 mit der Aufstockung um 10 Mrd. Euro gemacht haben. Es reicht, dass wir einen kleinen Teil unserer Reserven in das harte Eigenkapital überführen und ansonsten das abrufbare Kapital erhöhen. Trotzdem ist das für die Mitgliedstaaten immer noch ein sensibles Thema, weil damit auch Haushaltsprozeduren in Gang gesetzt werden. In Deutschland müsste man damit zum Beispiel durchs Parlament. Das alles ist keine Kleinigkeit. Und deshalb können wir damit auch nicht bis zum letzten Moment in 2019 warten.- Haben Sie aus den Staaten schon Signale bekommen, ob sie einen solchen Schritt mitgehen würden?Ja, und die meisten Staaten sind bereit mitzuziehen. Allerdings gibt es auch einzelne Länder, die nicht so sehr an der Schließung der Investitionslücke durch die EIB interessiert sind. Diese Länder können sich theoretisch auch eine Schrumpfung der Bank vorstellen.- Die EIB finanziert auch Projekte in Großbritannien, zum Beispiel im Infrastrukturbereich. Solche Projekte haben naturgemäß sehr lange Laufzeiten. Sie gehen zum Teil bis in die 2050er Jahre. Wie gehen Sie mit diesen Projekten um? Stellen die Briten Sicherheiten für diese Projekte und die Bonds?Auch dies ist Teil der Verhandlungen von Michel Barnier, denen ich nicht vorgreifen kann. Man könnte aber zum Beispiel überlegen, diese Sicherheiten auf den heutigen Wert zu diskontieren, aber dann müsste Großbritannien nochmal in einem erheblichen Maße einzahlen. Dabei ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass Großbritannien mit seinem gezeichneten Kapital in Höhe der 16 % nicht nur für Projekte in Großbritannien haftet, sondern mit 16 % für alle bis 2019 unterzeichneten Projekte in ganz Europa haftet, egal ob sich das finanzierte Projekt in Großbritannien, Griechenland oder Finnland befindet. Gerade in dieser EIB-spezifischen Besonderheit zeigt sich die in Europa nicht immer einfach zu definierende Balance zwischen Solidarität und Subsidiarität, die dem europäischen Integrationsprozess eigen ist und die letztlich auch seine Erfolgsgeschichte begründet. Und darüber hinaus besteht die anteilsmäßige Haftung sogar für EIB-Projekte weltweit, ob in Nepal, Kamerun oder Ecuador. Dies ist übrigens auch im Zusammenhang zu sehen mit der starken Rolle Großbritanniens in der europäischen Entwicklungspolitik.- Wie sieht es mit Alternativen dazu aus? Was ist zum Beispiel von der Idee zu halten, dass Großbritannien eine eigene Förderinstitution nach dem Vorbild der KfW aufbauen könnte, die als alleinige Adresse diese Projekte übernimmt und dann auch für die Finanzierungen geradesteht?Genau so eine Institution bräuchten die Briten jetzt dringend. Großbritannien ist das einzige große Land in der EU, das über keine eigene Förderbank verfügt. Das Land ist heute bei der Finanzierung großer Projekte wie etwa im Bereich von Innovation, Klimaschutz, Energieeffizienz oder Straßen- und Tunnelbau auf die EIB angewiesen. So eine Förderinstitution lässt sich aber nicht innerhalb von ein paar Jahren auf die Beine stellen. Und auch die Übertragung solcher Projekte samt ihrer Finanzierungen wäre eine enorme Herausforderung. Unser Kreditbuch in Großbritannien hat eine hervorragende Qualität und trägt mit zu unserem Triple-A bei.- Wie groß ist das Kreditbuch für Projekte in Großbritannien?Das sind etwa 7,5 Mrd. Euro pro Jahr. Insgesamt umfasst unser Portfolio in Großbritannien rund 55 Mrd. Euro.- Aktuell wird in der EU nicht nur über den Brexit, sondern auch viel über Reformen in der Eurozone diskutiert. Welche Rolle könnte die EIB bei einer Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion spielen? Können Sie sich die Übernahme neuer Aufgaben vorstellen?Es müssen gar nicht unbedingt neue Aufgaben sein. Die Ziele der Europäischen Investitionsbank, die schon in den Verträgen von Rom festgelegt wurden, sind mit Kohäsion und Unterstützung des Binnenmarkts ja immer noch gültig. Es gibt also weiterhin Handlungsbedarf. Nehmen wir den Gemeinsamen Markt. Die Hälfte unseres Sozialprodukts wird noch immer nach nationalen Regeln und nicht nach den Regeln des Gemeinsamen Marktes produziert und verteilt. Hinzu kommen die regionalen Disparitäten. Und: Die EIB ist die Bank der gesamten EU und nicht die der 19 Euro-Staaten, auch wenn klar ist, dass sich mit dem Ausscheiden Großbritanniens die Gewichte verschieben werden und die Eurozone ein stärkeres Gewicht erhalten wird.- Welche Reformen brauchen wir denn dann?Wir brauchen in der Europäischen Union vor allem einen Innovationsschub. Wir müssen aber überlegen, wie wir das erreichen wollen, ob wir en bloc vorgehen wollen oder ob wir das mit Hilfe konzentrischer Kreise erreichen wollen. Mit anderen Worten: Soll zum Beispiel die Eurozone das Zentrum bilden, um bei Innovation, aber auch bei anderen Themen geschlossen voranzumarschieren. Für mich bietet sich das an. Wenn sich Europa global behaupten will, dann muss die Eurozone auf jeden Fall dringend verstärkt und vertieft werden. Zurzeit reden wir hier allerdings vorwiegend über Symbolthemen wie den europäischen Finanzminister oder ein Eurozonen-Budget. Ich glaube nicht, dass das entscheidende Punkte sind.- Sondern?Die Handlungsfähigkeit der Eurozone ist das Entscheidende. Nehmen wir die Schuldenkrise. Die Frage ist doch, was machen wir, wenn der IWF einmal nicht mehr als Krisenmechanismus uneingeschränkt zur Verfügung steht – was sehr bald der Fall sein wird. Oder: Was machen wir, um die Investitionslücke in den Mitgliedstaaten zu schließen? Die Antworten darauf sind einfach: Wir haben dafür mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und der EU-Bank die institutionellen Lösungen. Der ESM und die EIB sind die logischen Grundpfeiler für eine Vertiefung der Währungsunion. Wir müssen uns von Symbolthemen wie der Schaffung eines Eurozonen-Budgets lösen, weil dies nur zu Abwehrmechanismen führt – wofür ich volles Verständnis habe.- Und was halten Sie von der Einführung einer zusätzlichen Fiskalkapazität, mit der die Eurozone auf externe Schocks reagieren könnte?Das kommt darauf an. Für asymmetrische Schocks könnten wir zweifelsohne eine Backstop-Fazilität brauchen. Da kann der ESM natürlich eine gewichtige Rolle spielen. Aber was den Transmissionsmechanismus in die Realwirtschaft angeht, da braucht es die EIB.- Könnte eine Eurozonen-Vertiefung auch zu einer neuen Art der Zusammenarbeit zwischen dem ESM und der EIB führen? Und wie könnte diese aussehen?Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Man könnte für vermehrte Investitionen in die Realwirtschaft etwa einen kleinen Teil der dann zusätzlichen Kapazität des ESM für die EIB nutzbar machen, und zwar ohne dass die Handlungsfähigkeit des bestehenden Euro-Rettungsschirms in einer aufkommenden Krisensituation gefährdet oder auch nur geschwächt würde. Ich unterstütze auf jeden Fall eine Weiterentwicklung des ESM, wie sie aktuell diskutiert wird, mit großer Sympathie.- Sie sprachen die Investitionslücke in Europa an. Um dagegen vorzugehen, war auch der Europäische Fonds für strategische Investitionen – kurz EFSI – ins Leben gerufen worden. Was hat er bisher gebracht, um dieses Problem zu lösen?Im Vorfeld der Konzeption des EFSI hatten wir eine Investitionslücke von 700 Mrd. Euro in der EU ausgerechnet. EFSI hat die Investitionslücke um – Pi mal Daumen – 100 Mrd. Euro reduziert. Das ist schon eine beachtliche Leistung. Aber wir können als öffentliche Bank damit natürlich nur einen Teil zu den ganzen Aktivitäten beitragen, die entfaltet werden müssen. Den wesentlichen Teil muss das Abräumen von Investitionshemmnissen bringen. Und da bezweifele ich, dass wir in den vergangenen zwei bis drei Jahren gut vorangekommen sind, zumal in der Zwischenzeit die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen dazugekommen sind und über COP21 in Paris die Klimaziele, die hoffentlich gerade in Bonn bekräftigt werden, konkretisiert wurden. Damit ist das Ziel, die Investitionslücke zu schließen, noch ambitionierter geworden.- Aktuell bereiten die Gesetzgeber die Verlängerung und Ausweitung des Fonds vor. Was wird aus den Forderungen, den EFSI einfacher, transparenter und geografisch ausgewogener auszugestalten? Gibt es Veränderungen bei EFSI 2.0?Die Verhandlungen sind im Grunde abgeschlossen, und es wäre sehr wünschenswert gewesen, wenn es strukturelle Vereinfachungen gegeben hätte, weil der EFSI heute einfach zu kompliziert ist. Aber wenn es darum geht, Projekte durch die Brüsseler Instanzen zu bringen, bin ich mittlerweile fast schon zu einem zynischen Realisten geworden. Ich war von Anfang an dafür, den Fonds möglichst einfach, transparent und mit klaren Verantwortlichkeiten aufzusetzen. Aber mit jedem Schritt der Realisierung ist das Vorhaben dann doch komplizierter geworden.- Ein Vorwurf von Kritikern war, dass EFSI zum Teil Projekte fördert, die auch ohne EFSI eine Finanzierung erhalten hätten …Das kommt immer wieder einmal auf, ist aber nicht haltbar. Es mag vereinzelt Projekte gegeben haben, die sicherlich auch anderweitig Mittel erhalten hätten – aber für das EFSI-Portfolio insgesamt gilt das nicht. Nehmen wir zum Beispiel den Neustart für Heidelberger Druck. Dieser wäre ohne die EIB mit der Absicherung durch EFSI so nicht zustande gekommen. Ein solches Kreditvolumen mit diesen Konditionen hätte der Privatsektor nicht auf die Beine stellen können. Selbst Autobahnprojekte, die immer sehr kritisch gesehen werden, wären vielleicht irgendwann auch anders finanzierbar gewesen – dann aber fünf oder gar zehn Jahre später. Und wenn ich mir die katastrophale Situation der Infrastruktur in Deutschland anschaue, muss ich sagen: Jeder Tag, an dem ein solches Infrastrukturprojekt früher realisiert wird, ist ein großer Erfolg für die Volkswirtschaft und für die Produktivität.- Angestrebt war eine Hebelwirkung der eingesetzten Gelder von 15. Wo liegt sie nach zwei Jahren tatsächlich im Schnitt?Es ist weiterhin sehr realistisch, dass wir den Faktor 15 schaffen. Aber mehr als eine grobe Schätzung kann man zurzeit noch nicht geben. Aktuell liegen wir bei einem Hebel von gut 14. Bei unserer Kapitalerhöhung vor einigen Jahren hatten wir unseren Anteilseignern einen Faktor von 18 versprochen, in einem Zeitraum von drei Jahren. Den hatten wir schon nach zwei Jahren und drei Monaten erreicht. Weil wir mit EFSI aber in riskantere und kleinere Projekte investieren wollten, haben wir den Zielwert niedriger angesetzt.- Die EIB hat eine Vorreiterrolle bei grünen Bonds, also Anleihen, die zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten begeben werden. Der Markt boomt, aber es fehlt ihm bis heute an einheitlichen Definitionen, Standards und auch Kontrollmechanismen. Was muss auf europäischer Ebene – auch seitens der Politik – in dieser Hinsicht getan werden?Bei der Entwicklung der Kriterien, anhand derer definiert werden kann, was ein grüner Bond ist und was nicht, benötigen wir in der Tat eine weitgehende internationale Vereinheitlichung. Da haben wir mit unseren Climate Awareness Bonds auch schon einiges an Vorgaben für diesen Markt geleistet. Wir sind auch mit unseren Partnern, die ebenfalls grüne Anleihen emittieren, in einem ständigen Dialog und in einer laufenden Konsenssuche. Das ist ein sehr konstruktiver Prozess. Bei grünen Bonds war die EIB nicht nur die Avantgarde, sondern ist heute auch der größte Emittent in diesem Segment.- Wie wird sich dieser Markt weiterentwickeln?Green Bonds sind nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil viele Investoren aufgrund ihrer Statuten dazu gezwungen sind, auch in solche Anleihen zu investieren. Die Frage ist, wie sich dieser Markt jetzt weiterentwickelt: Gehören Projekte zur Erhaltung der Ozeane und ihre Finanzierungen zum Beispiel noch zu den Green Bonds oder sind das Blue Bonds? Dieser Markt wird sich weiter ausdifferenzieren. Und es ist notwendig, dass wir hier der Scharlatanerie nicht Tür und Tor öffnen. Wir müssen mit anderen Institutionen zusammen über internationale Konventionen Standards schaffen, die diese Produkte verlässlich machen. Ansonsten springen die Investoren irgendwann von diesen Anleihen ab, und das kann bei der Größe dieses Marktes zu einem Problem werden. Das könnte erhebliche Erschütterungen auslösen.- Smart City wird unsere Städte in den nächsten Jahren in Sachen Energieeffizienz, E-Mobilität, Müllentsorgung und -vermeidung sehr stark verändern. Wo steht die EIB bei diesem Thema, und könnte diese rasante Entwicklung dafür sorgen, dass die EIB auch Pionier in Sachen innovativer Smart City Bonds wird?Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Für unsere Vordenker im Haus ist das das absolute Mega-Thema. Smart City wird unsere Städte fundamental verändern. Es geht dabei zum Beispiel um die Datenübertragungs- und auch Datenverarbeitungskapazitäten im Transportsektor. Dies ist ja ein Bereich, der gerade für die Automobilindustrie – vor allem auch in Deutschland – sehr wichtig ist.- Hier geht es unter anderem um den Bereich des autonomen Fahrens, oder?Ja. Ich bin davon überzeugt, dass in absehbarer Zeit kaum noch einer selber ein Auto steuern darf. Das autonome Fahren wird schneller Realität, als wir uns das heute vorstellen können. Das heißt natürlich auch, dass eine Smart City für die Zukunft bis zum letzten Laternenmast, der noch eine Datenübermittlungseinheit benötigt, aufgerüstet werden muss, um die direkte und fehlerfreie Kommunikation von zwei autonomen Fahrzeugen auf der Straße auch gewährleisten zu können. Für eine Bank, die dafür da ist, eine intelligente Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, ist das eine riesige Herausforderung. Wir befassen uns sehr intensiv mit dem Thema und suchen nach Modellplänen. Und wir suchen auch nach entsprechenden Finanzierungsinstrumenten. Das könnten dann Smart City Bonds sein.—-Das Interview führten Kai Johannsen und Andreas Heitker.