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Der schwierige Weg zur Risikoreduzierung im Bankensektor

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 20.7.2017 Peter Simon hat in den vergangenen Wochen so etliche Extraschichten abgerissen. Doch für den eigentlich bis zur Sommerpause angestrebten Bericht zum Bankenregulierungspaket, das die...

Der schwierige Weg zur Risikoreduzierung im Bankensektor

Von Andreas Heitker, BrüsselPeter Simon hat in den vergangenen Wochen so etliche Extraschichten abgerissen. Doch für den eigentlich bis zur Sommerpause angestrebten Bericht zum Bankenregulierungspaket, das die EU-Kommission im letzten November auf den Tisch gelegt hatte, hat es dann doch nicht gereicht. Der SPD-Politiker Simon, ein Jurist aus Mannheim, ist im EU-Parlament dafür zuständig, die zahlreichen vorgeschlagenen Änderungen in der Kapitalrichtlinie (CRD IV/CRR), dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) und der Abwicklungsrichtlinie BRRD zu analysieren, zu bewerten und, wo nötig, noch zu verändern. Sein Bericht, der die Verhandlungsgrundlage des Parlaments über das Gesetzespaket werden soll, ist nun für September, möglicherweise erst für Oktober zu erwarten. Drei SchnellverfahrenDer Prozess, den Regulierungsrahmen für Europas Kreditinstitute an verschiedenen Stellen neu zu justieren, gestaltet sich bislang zäh. Auch im Rat der EU, in dem die Mitgliedstaaten der Union sich über die Vorschläge zur leichteren Abwicklung, zu neuen Verschuldungs- und Liquiditätskennziffern und zu mehr Proportionalität beugen, ist man seit November noch nicht so richtig weit gekommen. In den vergangenen Monaten ging es nur darum, Positionen in dem Paket zu identifizieren, die von besonderer Dringlichkeit sind und daher über ein Fast-Track-Verfahren vorgezogen werden sollten. “Damit haben wir viel Zeit verloren”, sagt Klaus Wiedner, der in der Generaldirektion für Finanzstabilität und Kapitalmärkte der EU-Kommission die Bankenregulierung verantwortet.Die EU-Staaten sind sich mittlerweile einig, dass drei Dossiers im Schnellverfahren behandelt werden. Dabei geht es um das Thema Gläubigerhierarchie in der BRRD, um die Einführung des internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS 9 sowie die künftige Behandlung von Großkrediten aus Nicht-Euro-Ländern. Die estnische EU-Ratspräsidentschaft setzt darauf, dass die Verhandlungen hierzu mit dem EU-Parlament bis Ende Oktober abgeschlossen sind, damit alle drei neuen Gesetze noch zum Jahreswechsel in Kraft treten können.Die Regulierungsvorschläge der EU-Kommission nach der letztjährigen CRD-IV-/CRR-Review sind die erste große Revision der Nach-Krisen-Regeln im europäischen Bankensektor. Diskutiert werden sie mittlerweile nur noch unter dem Schlagwort “Risikoreduzierung” und gelten als wichtige Stärkung der Bankenunion und Grundlage für weitere Schritte beim Thema Vergemeinschaftung. Auch deshalb kommt dem Paket gerade aus deutscher Sicht eine besondere Bedeutung zu. Die eigentlichen inhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Vorschlägen dürften nach der Sommerpause beginnen. Ratspapiere zum Stand der Diskussion zeigen, dass es noch einen gewaltigen Gesprächsbedarf gibt. Bei wesentlichen Punkten des Regulierungspakets ist bislang weder eine Meinungsbildung in den EU-Staaten abgeschlossen, geschweige denn ein Konsens absehbar.Stichwort Proportionalität: Einig sind sich alle Beteiligten zwar, dass kleinere Banken verhältnismäßiger in die Regulierung eingebunden werden sollen. Was dies konkret bedeutet und wer genau eine “kleine Bank” ist, ist aber nach wie vor umstritten. Die EU-Kommission hat als Schwellenwert eine Bilanzsumme von 1,5 Mrd. Euro genannt. Bei den deutschen Sparkassen, die auf eine durchschnittliche Bilanzsumme von 2,9 Mrd. Euro kommen, kam dies gar nicht gut an. Auch EU-Parlamentsberichterstatter Simon hat bereits Nachbesserungen angekündigt. Er möchte zusätzliche Qualitätskriterien einführen sowie vor allem den Schwellenwert mit der wirtschaftlichen Stärke des jeweiligen Landes ergänzen. Simon schlägt hierfür eine Größenordnung von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor.Das Bundesfinanzministerium hat Ende Juni einen “deutschen” Gegenvorschlag in Brüssel verbreitet, der auf einem dreistufigen Ansatz basiert, in dem die Größe, die Komplexität des Geschäftsmodells und die systemische Relevanz der jeweiligen Bank eine Rolle spielen. Nach diesem Modell könnten “kleine und nicht komplexe Institute” auch eine Bilanzsumme von bis zu 3 Mrd. Euro vorweisen, dürften zugleich aber zum Beispiel keine internen Modelle benutzen. Auch Berlin plädiert aber dafür, dass neben Erleichterungen beim Reporting und den Veröffentlichungspflichten für kleine Banken auch die neue Liquiditätskennziffer NSFR, mit der Finanzierungsrisiken gemessen werden, sowie die Vorgaben fürs Trading Book in einer simpleren Version zum Tragen kommen. Einigung bis Mitte 2018?Doch wird das Risiko in der Bankenunion tatsächlich durch das neue Gesetzespaket signifikant gesenkt? Hier sind sich noch längst nicht alle einig. Die Grünen im EU-Parlament haben bereits im März vor einem “regulatorischen ,rollback”` gewarnt. Und auch Berichterstatter Simon hat in einigen Punkten ambitioniertere Ziele verlangt. So fordere die EU-Kommission eine Leverage Ratio von 3 %. Bei den großen Banken in Europa liege diese aktuell schon durchschnittlich bei 4 %. “Und warum sollten wir nun darunter bleiben?”Die EU-Kommission hofft weiter, dass sich Parlament und Rat bis Jahresende detailliert auf ihre Positionen zum CRD-IV-/CRR-Paket einigen können. Dann, so heißt es in der Behörde, könnten die Verhandlungen über einen Kompromiss bis Mitte 2018 abgeschlossen werden. Viele in Brüssel halten diesen Zeitplan angesichts der zähen letzten Monate aber für deutlich zu optimistisch.