Deutsche Banken sind bei ESG nur Mittelmaß
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Deutsche, schweizerische und italienische Banken rangieren mit ihren Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit im Mittelmaß, gerade im Vergleich zu den Instituten aus Frankreich oder einigen Häusern aus den Niederlanden und Spanien. Diesen Schluss legt die Studie „ESG and digital transition as measures of long-term sustainability for banks“ nahe, welche die Ratingagentur Scope in den kommenden Tagen publizieren wird. Die Untersuchung ist die erste, mit welcher die Bonitätswächter die Nachhaltigkeitsrisiken europäischer Institute bewerten, und soll fortan regelmäßig aktualisiert werden.
Den Status „Best in Class“ gesteht Scope Santander und BNP Paribas zu. Die drei deutschen der 54 untersuchten europäischen Großbanken – Deutsche Bank, Commerzbank und LBBW – werden derweil mit der breiten Masse als „sich entwickelnd“ eingestuft (siehe Tabelle).
Diese Kategorisierung relativiert die Selbstdarstellung der deutschen Kreditinstitute, die hinsichtlich Nachhaltigkeit neuerdings schwer auf sich halten. Insbesondere die Deutsche Bank, deren Vorstandsvorsitzender Christian Sewing die Führung des Nachhaltigkeitsrats des Instituts übernommen und damit ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) zur Chefsache gemacht hat, propagiert ihre Initiativen sehr offensiv. Ihrer Fondstochter DWS hat dies bereits Vorwürfe des Greenwashing eingebrockt – entsprechende Medienberichte wertet Scope als „potenziell erhebliches Reputationsrisiko“, wie es in der 31-seitigen Studie heißt.
Nachzüglerin Commerzbank
Die Commerzbank wiederum steuert ihre Umwelt- und Sozialrisiken adäquat, wie Scope anerkennt. Allerdings sei die Bank bei der Umsetzung ESG-relevanter Prozesse eine Nachzüglerin. Auch habe ihre Governance Schwächen gezeigt, als es nach der Finanzkrise darum gegangen sei, eine konsistente Strategie zu entwickeln. Zudem sorge der Wunsch der Bundesregierung, sich des staatlichen Anteils von 15% am Institut zu entledigen, für Druck auf das Management. Der Fintech-Hub Mainincubator schließlich habe erfolgreiche Initiativen vorzuweisen. Dennoch benötige die Bank größere Investitionen in ihre IT-Strukturen, da die bislang ergriffenen Maßnahmen kaum neue Branchenstandards setzen dürften.
Allzu hart will Dierk Brandenburg, Team Leader Financial Institutions bei Scope Ratings, mit den deutschen Instituten allerdings nicht ins Gericht gehen. Die Einstufungen zeigen seiner Meinung nach vor allem, dass Häuser, die sich früher als die deutschen Institute am Megatrend ESG ausgerichtet haben, dank ihrer Erfolgsbilanz nun einen entsprechenden Vorteil genießen. Während Nachhaltigkeit in Frankreich als Staatsräson vorgegeben ist, drängten gerade bei Deutsche Bank und Commerzbank in den vergangenen Jahren strategische Umbauten bei begrenzten finanziellen Mitteln Fragen der Nachhaltigkeit lange Zeit in den Hintergrund.
Die Ambitionen nehme man den Banken schon ab, Zweifel regten sich vielmehr mit Blick auf die Umsetzung, sagt Brandenburg auch mit Blick auf eine industriell geprägte Wirtschaftsstruktur der Bundesrepublik, die sich unweigerlich im Kreditbestand einer Großbank niederschlagen muss. Kündige ein Institut nun etwa an, in einer gewissen Frist ein bestimmtes Volumen nachhaltiger Finanzierungen zu erreichen, so sei dies schwer einzuordnen, zumal man nicht wisse, welche Finanzierungen diese Bank bereits in ihren Büchern habe, gibt Brandenburg zu bedenken. In diesem Punkt wolle Scope die Marketing-Politik der Banken nicht weiter tragen, sagt er der Börsen-Zeitung.
Limitierender Faktor
Weil die Zahl der Ankündigungen in Sachen Nachhaltigkeit zwar hoch ist, indes der Mangel an konkreten Daten noch stark, hat Scope das E und auch das S in ihrer Einstufung eher niedrig gewichtet. Neben dem G umfassen die Einordnungen zudem das Kriterium digitale Übergangsrisiken. Als limitierender Faktor habe in dem Verfahren die Governance gewirkt, berichtet Brandenburg. Falls es dort nicht stimme, beeinträchtige dies das Gesamtbild. So attestiert Scope den beiden dem Feld hinterherhinkenden Instituten, der italienischen Volksbank Banca Popolare di Sondrio sowie der georgischen Konsumfinanzierer JFC MFO Swiss Capital Environmental, mit Blick etwa auf ihre Eigentümerstruktur denn auch Defizite.
Im Gegensatz zu den ungleich größeren Wettbewerbern Standard & Poor’s sowie Moody’s, die in den vergangenen Jahren auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ratingagenturen übernommen haben und nun ESG-Ratings separat anbieten, versteht Scope ihre Urteile nicht als selbstständige Ratings, sondern als Modifikator in der gewöhnlichen Bewertung. Die ESG-Bewertung werde in das Kredit-Rating integriert und könne im Zweifel, wenn ein Emittent etwa zwischen „A“ und „A+“ stehe, die Bonitätsnote auf die höhere Stufe heben, nicht aber abwärts drücken, sagt Brandenburg. Eine Abweichung nach oben würdige damit im Rating, dass eine Bank den langfristigen Interessen ihrer Gläubiger Rechnung trage. Dagegen würden akute Defizite zum Beispiel in der Governance schon jetzt im Kredit-Rating berücksichtigt.
Wie Scope die Nachhaltigkeit europäischer Banken beurteilt | |||||
Langfristige Einstufung | |||||
Name | Land | Einstufung | Name | Land | Einstufung |
Banco Santander | Spanien | Best in Class | Deutsche Bank | Deutschland | Developing |
BNP Paribas | Frankreich | Best in Class | Erste Group Bank | Österreich | Developing |
Bankinter | Spanien | Advanced | FCA Bank | Italien | Developing |
Barclays | Großbritannien | Advanced | HSBC Holdings | Großbritannien | Developing |
Brage Finans | Norwegen | Advanced | Ibercaja Banco | Spanien | Developing |
Rabobank | Niederlande | Advanced | Istituto Bancario del Lavoro | Italien | Developing |
Crédit Agricole | Frankreich | Advanced | Intesa Sanpaolo | Italien | Developing |
DNB Bank | Norwegen | Advanced | JSC MFO Micro Business Capital | Georgien | Developing |
ING Groep | Niederlande | Advanced | Kutxabank | Spanien | Developing |
KBC Groep | Niederlande | Advanced | LBBW | Deutschland | Developing |
SEB | Schweden | Advanced | Landkreditt Banks | Norwegen | Developing |
Société Générale | Frankreich | Advanced | MBank | Polen | Developing |
Achmea Bank | Niederlande | Developing | Mediobanca | Italien | Developing |
Allied Irish Banks | Irland | Developing | Nationwide Building Society | Großbritannien | Developing |
Banco BPM | Italien | Developing | Nordea Bank | Finnland | Developing |
Banco Desio | Italien | Developing | OP Yrityspankki OYJ | Finnland | Developing |
Bank of Ireland | Irland | Developing | PKO Bank | Polen | Developing |
Crédit Mutuel | Frankreich | Developing | Sandnes Sparebank | Norwegen | Developing |
Belfius Bank | Belgien | Developing | Santander Consumer Finance | Spanien | Developing |
BN Bank | Norwegen | Developing | Santander UK | Großbritannien | Developing |
BPCE | Frankreich | Developing | Sparebank 1 Nordmore | Norwegen | Developing |
Caixa | Spanien | Developing | Standard Chartered Bank | Großbritannien | Developing |
Commerzbank | Deutschland | Developing | Svenska Handelsbanken | Schweden | Developing |
Credit Suisse | Schweiz | Developing | Swedbank | Schweden | Developing |
Credito Emiliano | Italien | Developing | Unicredit | Italien | Developing |
Danske Bank | Dänemark | Developing | Banca Popolare di Sondrio | Italien | Lagging |
De Volksbank | Niederlande | Developing | JSC MFO Swiss Capital | Georgien | Lagging |
Börsen-Zeitung |