Deutscher Immobilienboom lockt Geldwäscher an

Transparency International beklagt schwere Defizite im Kampf gegen Kriminelle

Deutscher Immobilienboom lockt Geldwäscher an

dpa-afx Berlin – Angesichts zahlreicher Schlupflöcher wird der deutsche Immobiliensektor zunehmend zum Ziel von milliardenschwerer Geldwäsche. Es werde vermehrt ausländisches Geld investiert, dessen Herkunft unklar sei, heißt es in einer am Freitag in Berlin vorgestellten Studie der Organisation Transparency International. Allein 2017 seien es mehr als 30 Mrd. Euro gewesen, hieß es. Ermittlungen in Italien zeigen, dass gerade die Mafia hohe Summen, die unter anderem aus dem Kokainhandel stammten, durch den Immobilienerwerb reinzuwaschen versucht. Transparency schätzt, dass 15 bis 30 % aller kriminellen Gelder inzwischen in Immobilien investiert werden – durch den Bau von Häusern über Sanierung bis hin zu Kauf, Verkauf und Miete. Oft geschieht das über Strohmänner, was die Aufdeckung schwierig macht.Mitte Oktober hatte auch der Chef der Anti-Geldwäsche-Einheit FIU, Christof Schulte, vor einer Zunahme krimineller Machenschaften im Immobiliensektor gewarnt. Er appellierte an Makler und Notare, sich in Verdachtsfällen an die FIU zu wenden, die verdächtigen Geldbewegungen nachspürt. Denn von knapp 60 000 Verdachtsmeldungen im Jahr 2017 auf mögliche Geldwäschefälle kamen lediglich 21 Hinweise von Immobilienmaklern (s. Grafik).”Es gibt ein massives Problem mit Geldwäsche bei Immobilien in Deutschland”, betonte Transparency-Deutschland-Chefin Edda Müller. “Die geltenden Gesetze und die Ausstattung der Ermittlungsbehörden stehen auch angesichts der Grenzenlosigkeit internationaler Finanzströme in keinem Verhältnis dazu.” Allein wegen seines Volumens biete der deutsche Immobilienmarkt ein riesiges Potenzial für Geldwäsche, heißt es in der Studie. Unbekannt sei, wie viele Immobilien und Grundstücke ausländischen juristischen Personen gehörten – in Berlin zum Beispiel laufen daher Projekte von Bürgern und Medien, um die wahren Eigentümer herauszufinden. Von einem arabischen Großclan wurden im Juli 77 Wohnungen, Häuser und Grundstücke beschlagnahmt. Am Mittwoch gab es eine internationale Großrazzia gegen Mitglieder der italienischen Mafiaorganisation ‘Ndrangheta, in Deutschland wird wegen Drogenhandels und Geldwäsche gegen 47 Beschuldigte ermittelt. Kaum InformationenImmer wieder wird auch eine mangelhafte Bund-Länder-Kooperation kritisiert. Zwar wird die FIU bis 2019 auf 475 Stellen aufgestockt, aber das Finanzministerium verwies am Freitag darauf, es sei primär Sache der Länder, Verdachtsanzeigen wegen Geldwäsche bei Immobilien nachzugehen. Insgesamt ist die Datenbasis bisher sehr schlecht, auch die Bundesregierung kann immer wieder nur Schätzungen zum Umfang des Problems nennen. Transparency fordert, dass für Notare die Schweigepflicht bei einem Verdacht aufgehoben werden soll, da sie durch den Grundbucheintrag unmittelbar mit Kaufverträgen zu tun haben. Zudem müsse die geplante Digitalisierung und Zentralisierung der Grundbücher durch die Bundesländer beschleunigt werden, um mehr Transparenz zu schaffen.