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Deutschland bleibt bei Immobilien Safe Haven

Die Lage auf den deutschen Immobilieninvestmentmärkten ist komplex. Trotzdem kann Deutschland weiterhin als Safe Haven angesehen werden, wenn auch nicht uneingeschränkt. 

Deutschland bleibt bei Immobilien Safe Haven

Die Lage auf den deutschen Immobilieninvestmentmärkten ist so kompliziert wie selten zuvor. Erstmals zeigen sich zudem sinkende Kaufpreise. Kann Deutschland vor diesem Hintergrund weiterhin als Safe Haven angesehen werden? Ja, aber nicht uneingeschränkt. 

Zum Narrativ des „sicheren Immobilienhafens“ Deutschland ge­hören vor allem drei Aspekte: Rechtssicherheit, Liquidität und stabile Fundamentaldaten. Rechtssicherheit ist grundsätzlich gewährleistet, doch hier handelt es sich lediglich um eine Voraussetzung, die noch keine Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit von Investments zulässt.  

Der zweite Aspekt ist die bislang hohe Marktliquidität. Mit einem (offiziell) gemeldeten Rekordvolumen von 111 Mrd. Euro 2021 und einem starken Jahresauftakt von 24 Mrd. Euro im ersten Quartal 2022 gehört Deutschland nach wie vor zu den weltweit liquidesten Immobilienstandorten und bewegt sich auf Augenhöhe mit dem Vereinigten Königreich (umgerechnet rund 18,7 Mrd. Euro). Diese Liquidität folgt aus einem bisher hohen Investoreninteresse, sagt aber nichts über zukünftige Entwicklungen aus.  

Aktuell verwundbar

Das dritte Kriterium schließlich besteht in einer Kombination aus starken wirtschaftlichen Fundamentaldaten und Wachstumspo­tenzialen für Unternehmen. Gerade in diesem Punkt zeigt sich Deutschland aktuell verwundbarer als noch in den vergangenen Jahren – und selbst im Vergleich zu den Coronajahren 2020 und 2021. Schließlich korrigierte das Institut für Weltwirtschaft nicht zuletzt infolge des Ukraine-Krieges seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum kürzlich von 5,1% auf 2,1%. Damit liegt die Prognose auch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 2,8%. 

Erschwerend hinzu kommt die aktuelle Kombination aus starken inflationären Tendenzen von mehr als 7%, den unterbrochenen Lieferketten und der Energiekrise mit explosiv steigenden Preisen von 39,5% im Jahresvergleich. Dies sorgt bei der Industrienation Deutschland für bislang ungekannte Herausforderungen.  

Auch auf den Immobilienmärkten sind die Herausforderungen zahlreich: Die bis vor Kurzem hohen Kaufpreise mit einer Spitzenrendite von zuletzt durchschnittlich 2,61% für Core-Büroimmobilien und die ähnlich niedrigen Ankaufsrenditen bei Wohnimmobilien sorgen dafür, dass der Spielraum für weitere Wertzuwächse begrenzt ist – zumal die Kreditzinsen de facto bereits zwischen 2 und 3% liegen.

 Aktuell erleben wir zudem Preisrückgänge beziehungsweise sinkende Multiplikatoren aufgrund der Zinserhöhungen. Sofern solche kurzfristigen Preisdellen ausgesessen werden können, kann ein Investment in deutsche Immobilien auf lange Sicht dem Werterhalt und der Absicherung des eigenen Portfolios dienen. Dies entspricht dem Bild des „Safe Havens“ ja auch weitestgehend. Hingegen können unerwartete Leerstände oder Zusatzausgaben schnell da­für sorgen, dass ein schlecht geplantes Investment in Schief­lage gerät. 

Es gibt jedoch auch Impulse für eine positive Wertentwicklung. Zum einen sind die Leerstände für Büros in deutschen A-Städten mit 4,5% zum Jahresende 2021 äußerst gering – verglichen mit den entsprechenden Lagen im europäischen Durchschnitt (7,2%), im Vereinigten Königreich (6,8%) und vor allem in den USA (12,3%). Darüber hinaus sind die Spitzenmieten im Bürosegment mit 42,50 Euro je Quadratmeter und Monat selbst in den „teuersten“ Bürostädten Frankfurt am Main und München im internationalen Vergleich noch relativ niedrig – selbst im Worst-Case-Szenario einer Rezession und vermehrter Insolvenzen ist die „Fallhöhe“ deutlich geringer als an Standorten wie Paris oder Madrid.

Auch, was moderne Wohnungen sowie Logistikobjekte betrifft, herrscht insgesamt nach wie vor ein deutlicher Nachfrageüberhang zu­mindest vonseiten der Mieter. Im Wohnsegment sorgt gerade in Städten wie Berlin mit einer großen ukrainisch- und russischsprachigen Community die Geflüchtetenwelle mit bis zu 100000 Menschen für einen enormen Nachfrageschub. 

Im Gewerbeimmobiliensegment hingegen sind vor allem „grüne“, also zertifiziert nachhaltige Immobilien Mangelware. Da immer mehr Unternehmen gemäß den Pariser Klimazielen CO2-Neutralität erreichen wollen und die genutzten Flächen dabei eine sehr wichtige Rolle spielen, kann von einem anhaltenden Bedarf in diesem Teilbereich ausgegangen werden – zumal Immobilien, die hohen ESG-Standards entsprechen, nach wie vor eher selten sind. 

Nur noch „grüne“ Objekte

Gleiches gilt für Investoren wie Fondsmanager, die aufgrund der EU-Taxonomie und ähnlicher Regularien für einige Fondsprodukte nur noch „grüne“ Objekte ankaufen können. Immobilien, die diesen Kriterien hingegen nicht entsprechen und auch nicht nachgerüstet werden können, werden für immer weniger Unternehmen nutzbar sein und folglich mittelfristig Wertverluste verzeichnen. Darüber hinaus verdienen Institutionelle ihr Einkommen überwiegend an den Kapitalmärkten. Der aktuelle Bärenmarkt kann also dafür sorgen, dass weniger Mittel zur Verfügung stehen und entsprechend weniger Kapital in Immobilien investiert werden kann.  

Auf lange Sicht ist Deutschland mit einer Kombination aus relativ niedriger Staatsverschuldung ge­messen am Bruttoinlandsprodukt, exzellent ausgebildeten Fachkräften und einer starken dezentralen und mittelständischen Wirtschaft, weiterhin ein wettbewerbsfähiger Standort. Dementsprechend positiv stehen die Zeichen, dass sich sowohl die Wirtschaft als auch der Immobilienmarkt robust zeigen werden.

Darüber hinaus sorgt auch die Wahrnehmung, dass deutsche Investoren zu den defensivsten der Welt gehören – und der Anteil nationaler Käufer auf den deutschen Transaktionsmärkten weiterhin hoch ist – für ein Sicherheitsgefühl bei internationalen Anlegern. Mit anderen Worten: Das Bild des „sicheren Anlagehafens“ mit einem überzeugenden Risiko-Rendite-Verhältnis kann auch weiterhin zutreffend sein – wenngleich nicht mehr an jedem Standort, in jeder Assetklasse und mit jedem Mieterprofil. Und vor allem: nur bei einem marktgerechten Preis. 

Der Wind dreht sich

Kurzfristig verdichten sich je­doch die Anzeichen dafür, dass sich der Wind auf den Märkten dreht und wir uns in einen Käufermarkt bewegen. Für beide Seiten erwachsen dadurch neue Herausforderungen, aber auch Chancen. Für eigenkapitalstarke Käufer, die nur eingeschränkt auf Darlehen angewiesen sind und dementsprechend trotz der Zinswende investieren können, wird es vermutlich einfacher, an ein vielversprechendes Produkt zu ge­langen.

Für den Verkäufer hingegen ist eine größtmögliche Abschlusssicherheit jetzt umso wichtiger. Aufgrund der ersten Preisrückgänge, die sich in mehreren Segmenten zeigen, ist es jetzt umso relevanter, dass eine geplante Transaktion auch zustande kommt. Hierzu muss der Verkäufer vor allem den Markt genau kennen – und wissen, wer auch unter erschwerten Voraussetzungen und bei höheren Zinsen ein verlässlicher Handelspartner ist.