Deutschland, Land der Millionäre
jsc Frankfurt
In Deutschland leben gerade einmal 1,1% aller Menschen auf der Welt, das Land trägt nach Daten der Weltbank 4,4% zur Weltwirtschaftsleistung bei – doch der Anteil der Deutschen am Volk der Millionäre liegt ungleich höher: Annähernd 1,54 Millionen erwachsene Personen verfügen hierzulande über ein investierbares Vermögen von umgerechnet mindestens 1 Mill. Dollar, das entspricht einem Anteil von rund 7,4% der Millionäre rund um den Globus, wie die Daten der Beratungsgesellschaft Capgemini im aktuellen World Wealth Report für das abgelaufene Jahr zeigen.
Absolut ist die Zahl der Millionäre im Coronajahr gestiegen, relativ aber verliert die Bundesrepublik global an Gewicht: Um geschätzt rund 69000 oder um 4,7% legte die Zahl im vergangenen Jahr trotz Wirtschaftskrise zu, während global mehr als 1 Million Millionäre hinzukamen und die Gesamtzahl um 6,3% auf 20,8 Millionen stieg, wie der Bericht aufschlüsselt. Fiel die wachsende Wirtschaftsleistung als Treiber im vergangenen Jahr weg, so war 2020 auf die Aktienmärkte trotz zeitweiliger Turbulenzen Verlass. Obwohl die Schwankungen der Märkte den Effekt von schwarzen Schwänen zeigten – also von folgenschweren, kaum vorhersehbaren Ereignissen –, legten sie dennoch in einem beispiellosen Ausmaß zu, schreibt Anirban Bose, Chef der Finanzdienstleistungseinheit von Capgemini.
Den Aktienmärkten kommt für den Aufstieg der Superreichen eine zentrale Rolle zu: Als die Kurse im Jahr 2018 im Herbst einbrachen, sank die Zahl der Millionäre und ihr Vermögen erstmals seit vielen Jahren. Im vergangenen Jahr aber haben die Börsen das Vermögen aufgebläht und sorgen je nach Weltregion für starke Zuwächse. In den USA, wo der Aktienanteil unter den Wohlhabenden hoch ist und die Börsenkurse besonders stark zugelegt haben, kamen binnen Jahresfrist rund 666000 Millionäre hinzu. Der Zuwachs war auch prozentual stärker als fast überall sonst auf der Welt (siehe Grafik). Auch in Deutschland spielten Aktien eine wesentliche Rolle: 26% der Millionärsvermögen entfallen hier laut Erhebung von Capgemini auf Aktien. Das sind mehr als in Europa, wo der Wert bei 24% liegt, aber weniger als in Nordamerika, wo annähernd 38% der Vermögen in Aktien investiert sind.
Der Anstieg hat zur Folge, dass in Nordamerika, also in den USA und Kanada, mit 7,0 Millionen Menschen mehr Millionäre leben als im aufstrebenden Asien-Pazifik-Raum, wo 6,9 Millionen besonders wohlhabende Personen verortet werden. Das Ergebnis ist bemerkenswert, war doch China als viertgrößtes Millionärsland von der Pandemie auf Jahressicht weniger stark betroffen als die USA. Noch stärker wuchs die Zahl der Millionäre relativ betrachtet im Iran, wo die Börse zeitweilig aberwitzige Zuwächse verzeichnet hatte. „Die Finanzmärkte entkoppeln sich weiterhin von der Realwirtschaft“, so das Fazit für die globalen Börsen.
Zwischen reich und ultrareich
Eine hohe Zahl an Millionären deutet auf ein global ungleich verteiltes Vermögen hin. Auch innerhalb der Millionäre selbst – ohne die übrigen mehr als 99% der Weltbevölkerung – geht die Schere auseinander. Denn knapp 1% der Dollar-Millionäre – etwas mehr als 200000 Menschen mit einem Vermögen von jeweils mehr als 30 Mill. Dollar – besitzen gut ein Drittel (34%) des investierbaren Millionärsvermögens, wie Capgemini schätzt. Bezogen auf das investierbare Gesamtvermögen aller Millionäre weltweit – nämlich 79,6 Bill. Dollar – stehen der Gruppe der „Ultra High Net Worth Individuals“ (UHNWI) rund 27 Bill. Dollar zur Verfügung. Ähnlich wie die Zahl der Millionäre legte auch die Zahl der Menschen oberhalb der 30-Mill.-Dollar-Marke im vergangenen Jahr zu, weil immer mehr Vermögende diese Schwelle überschritten haben. Im langjährigen Durchschnitt von 2013 bis 2019 stieg sowohl die Zahl der Millionäre als auch ihr Vermögen Jahr für Jahr um ungefähr 6%.
Auf lange Sicht verschieben sich die Gewichte: Standen zur Jahrtausendwende Nordamerika und Europa im Populationsvergleich der Millionäre vorn, hat die Region Asien-Pazifik aufgeholt und lag in fünf aufeinanderfolgenden Jahren bis 2019 sogar vor Nordamerika. Afrika und der Nahe Osten ohne Iran legten im vergangenen Jahr nur moderat zu, Lateinamerika gab nach.
Um die Zahl der Millionäre zu schätzen, haben die Autoren öffentliche Daten zum investierbaren Vermögen mit Verteilungskurven kombiniert. Die Daten weichen von anderen Untersuchungen zum Teil ab. So hatte die Credit Suisse auch nicht unmittelbar investierbares Vermögen erfasst und auch nach Abzug der Schulden ein viel höheres Volumen ermittelt, so dass die Zahl der Millionäre demnach höher ausfällt.