Diversität

Die Auserwählten im Reich der Partners Group

Die Angestellten der Investmentfirma Partners Group sind vor allem männlich. Daran muss sich etwas ändern, sagen Mitarbeiterinnen und Mitgründer Fredy Gantner.

Die Auserwählten im Reich der Partners Group

Von Daniel Zulauf, Zürich

Christine Warkentin ist ein Glückskind. Sie hat es geschafft, in ein Ausbildungsprogramm für Finanzanalysten bei Partners Group aufgenommen zu werden. „Ich will in einem Unternehmen mit Menschen arbeiten, die mich persönlich wachsen lassen. Hier darf ich das.“ Ein Arbeitsvertrag bei der Investmentfirma gilt in der Finanzbranche als Ritterschlag. Das wissen viele junge, gut ausgebildete Leute in der ganzen Welt. 2019 hatte Partners Group für jeden der etwa 200 ausgeschriebenen Jobs im Durchschnitt 140 Bewerbungen erhalten – 28000 an der Zahl. Das Verhältnis war auch im vergangenen Corona-Jahr ähnlich.  

In einem Sitzungszimmer im gläsernen Hauptsitz der Partners Group in Baar ist Frühstück angerichtet. Am Tisch sitzen neben der jungen deutschen Einsteigerin zwei Frauen im fortgeschrittenen Karrierestadium. Die Männer sind in der Minderheit. Schon ein kurzer Blick in die Personalstatistik enthüllt das Trugbild: Neun von zehn Mitglieder der obersten Managementebene sind Männer. Eine Stufe tiefer sind immer noch drei von vier Managern männlich. Auch ethnisch kommt die Firma auffallend homogen daher.

„Wir haben ganz klare Defizite“, konstatiert Ko-Gründer Fredy Gantner: „Zu wenige Frauen, zu wenige Asiaten“. Mit einer diversifizierteren Belegschaft wäre Partners Group ein besserer Investor, „davon bin ich fundamental überzeugt“, sagt der Mitgründer.  Doch die Firma scheint viele Frauen abzuschrecken. Nur 15% der Bewerber für unsere Investmentteams sind weiblich. „Ein Industrie-Phänomen“, meint Gantner. Aber nicht nur: „Es ist auch ein Zeichen, wie wir als Firma wahrgenommen werden.“

Lange Arbeitstage

Das Business von Partners Group wird im Jargon Private Equity genannt. Die Firma kauft mit dem Geld von Pensionskassen und anderen Profi-Investoren weltweit Unternehmen auf, um diese einige Jahre später für einen weit höheren Preis weiterzuverkaufen. Ein knallhartes Geschäft. Um jedes vielversprechende Investitionsobjekt wird erbittert gerungen. Wer zu wenig bietet, kommt nicht zum Zug. Wer sich die Sache zulange überlegt, bleibt auf der Strecke. Die Arbeitstage von Christine Warkentin sind lang – bisweilen enden sie erst um Mitternacht. „Ehrgeiz ist wichtig in unserem Job“, sagt sie. „Ich muss nicht immer gewinnen, aber ich will einfach besonders gut sein.“

Geld kommt in der Runde spontan nie zur Sprache. Dabei ist es das Thema allgegenwärtig. Partners Group steht auf dem zehnten Platz in der Rangliste der wertvollsten Börsenfirmen der Schweiz. Dabei wurden die Aktien erst vor einem Jahr in den Index der 20 Top-Unternehmen an der Six Swiss Exchange aufgenommen. Der Börsenwert ist seither um 60% auf über 40 Mrd. sfr gestiegen. Das Unternehmen ist erst gut 25 Jahre alt und wertmäßig schon doppelt so weit wie die über 150-jährige Credit Suisse.

Partners Group hat viele ihrer Angestellten mit Aktienbeteiligungen reich gemacht. Jetzt sind es die jährlichen Erfolgshonorare in dreistelliger Millionenhöhe, die an die verantwortlichen Mitarbeitenden ver­teilt werden, wenn sich die Investitionen für die Kunden gelohnt haben. Fredy Gantner und seine beiden Gründungspartner sind mehrfache Milliardäre.  

Suche nach Geld und Erfolg

Geld, Erfolg und Wettbewerb wirken offensichtlich wie ein Magnet auf junge Männer, die für einen Job bei Partners Group Schlange stehen. Aber auch Frauen sind nicht immun. Esther Peiner, sie leitet die Investitionsgruppe für private Infrastrukturanlagen, gehört zu den ganz wenigen Top-Managerinnen. Sie ist eine Industrie-Veteranin und räumt ein: „Als ich in der Branche angefangen hatte, waren mir die ganzen kurzfristigen Anreize schon sehr wichtig.“ Bei einem neuen Investitionsprojekt habe sie sich immer zuerst für das Finanzmodell interessiert. „Was die Firmen machten, war mir nicht wichtig.  Das ist mir rückblickend unan­genehm.“ 

Inzwischen ist Peiner selbst ein Vorbild für die Jungen. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb sie lieber von Verantwortung als von Geld redet. „Ich mache meinen Job hier, weil ich es genieße, tolle Firmen aufzubauen und weiterzuentwickeln.“ Auf eine Frage zum Börsenerfolg antwortet sie: „Dieses Gespräch ist erhellend für mich. Tatsächlich denke ich, wenn ich reinkomme oder rausgehe, kaum einmal an unseren Aktienkurs. Mit Stolz erfüllt mich vielmehr, wenn wir gute Investments tätigen – im betriebswirtschaftlichen Sinn.“

Doch um weiterhin erfolgreich zu sein, muss die Firma ihren genetischen Code verändern.  „Wir treffen sehr langfristige Investitionsentscheidungen, und das Fehlerrisiko nimmt zu, wenn die Gruppe der Entscheidungsträger einseitig zusammengesetzt ist“, sagt Peiner und erntet ein zustimmendes Nicken vom Firmengründer. Frauen verantworten einen Großteil der Konsumausgaben, und viele Firmen wachsen jetzt hauptsächlich in Asien. „Die Zusammensetzung unserer Investitionskomitees hat diesen Umständen unbedingt mehr Rechnung zu tragen.“ Partners Group muss, mit anderen Worten, eine „normale“ Firma werden. „Immerhin schaffen wir es inzwischen, aus den bloß 7% Bewerberinnen den Frauenanteil unserer Neueinstellungen auf 37% zu steigern“, lobt Gantner. Themen wie Teilzeitarbeit oder Babypause seien heutzutage verhandelbar. Aber wie weit diese Normalisierung gehen kann, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit darunter leidet, weiß wohl auch bei Partners Group niemand so genau.     

Mehr Diversität nötig

„Wir erleben eine unglaubliche Erfolgsstory“, sagt die für die Personal- und Talententwicklung zuständige Amanda Evans. „Doch dieses Wachstum ist auch ein Challenge – eine Herausforderung“, wie die Engländerin in astreinem Schweizerdeutsch  gleich selbst übersetzt.  In der Tat prophezeien Branchenkenner der Private-Equity-Industrie noch viele Jahre mit weit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Die schnelle Fahrt lässt dem Unternehmen wenig Zeit, die internen Strukturen zu überarbeiten. „Die Perspektive kann man trotzdem ändern“, sagt das Geschäftsleitungsmitglied Philip Sauer, der das Gespräch angestoßen hat. „Ich sehe den Wert von mehr Diversität und Inklusion in meinem eigenen Team, ich habe mir diese Perspektive mit gezieltem Training angeeignet.“ Getestet wird die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen wohl erst dann so richtig, wenn die derzeitige Jubelstimmung der Aktionäre zum Ende kommt und die Geduld der Investoren auf die Probe gestellt wird.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.