Die City entdeckt ihre soziale Ader

Neben Brexit prägen Inklusion und gesellschaftliche Verantwortung die Agenda

Die City entdeckt ihre soziale Ader

Von Andreas Hippin, LondonDer britische EU-Austritt hat zwar dieses Jahr nicht die Hauptrolle auf der Cityweek gespielt, allerdings trübte die Unklarheit über die künftigen Beziehungen zu der Staatengemeinschaft auf der alljährlichen Londoner Branchenkonferenz die Stimmung. “Ich weiß, dass die City Gewissheit will, und offengestanden verdient sie das auch”, sagte City-Minister John Glen in der altehrwürdigen Guildhall. “Und es tut mir leid, dass ich heute nicht damit dienen kann.” Der Economic Secretary to the Treasury, wie Glens offizieller Titel lautet, war zuletzt häufiger gezwungen, sich für die Unfähigkeit der Regierung, den Brexit endlich zum Abschluss zu bringen, zu entschuldigen. Die “langsame und frustrierende” Suche nach einem Kompromiss im Parlament werfe einen Schatten auf die City, gab Glen zu.Die Frustration in der Branche war jedenfalls greifbar. Man habe die besten IT-Leute, Juristen und Kundenberater dafür abgestellt, die Institute auf den 29. März vorzubereiten, an dem am Ende nichts passiert sei. Das sei mit realen Kosten verbunden, sagte Bernard Mensah, President Europa, Naher Osten und Afrika bei BoA Merrill Lynch. Die Region, die Volkswirtschaft und die Branche stünden vor gewaltigen Herausforderungen, “und wir werden davon abgelenkt, weil wir uns auf den Brexit konzentrieren”. Es sei eine Schande, wenn diese Dinge weiter in die Länge gezogen werden. Was in der gemeinsamen politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen zum Thema Dienstleistungen stehe, sei “ziemlich gut, könnte aber besser sein”, sagte Barnabas Reynolds, der die Financial Institutions Advisory & Financial Regulatory Group bei der Kanzlei Shearman & Sterling führt. Es gehe in die Richtung, die das Vereinigte Königreich einschlagen wollte. Allerdings sei mehr möglich gewesen. So gebe es keinen Grund dafür, warum in der Erklärung nicht enthalten sei, dass man mit dem Partner Großbritannien beim Erreichen der Kapitalmarktunion zusammenarbeiten wolle. Man werde pragmatisch sein müssen und in einem Tempo arbeiten, das vielleicht nicht ganz so schnell und effizient sein werde, wie man es gerne hätte, sagte Elizabeth Corley, Senior Advisor bei Allianz Global Investors. Sozial nachhaltiges WachstumAber neben Brexit-Frust, Fintech, Indien und China bestimmten Themen wie Inklusion, Klimawandel und soziale Verantwortung die Debatte auf der Konferenz. “Wenn Wachstum nachhaltig sein soll, muss es auch sozial nachhaltig sein”, sagte die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Spanien habe in den vergangenen Jahren ein nachhaltigeres und ausgewogeneres Wachstum gezeigt als in zurückliegenden Phasen der wirtschaftlichen Expansion. Sie lobte das Motto der Konferenz – “Finanzdienstleister als Treiber einer inklusiven Globalisierung”. Solche Fragen spielen aus ihrer Sicht eine wichtige Rolle, wenn sich junge Menschen entscheiden, was für eine Karriere sie einschlagen wollen.Stuart Williams, President der Londoner Derivatebörse ICE Futures Europe, betonte die Wichtigkeit, “global” zu denken. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verlagere sich stark nach Asien. Hinzu kämen Themen wie der Energiewandel oder der Umstand, dass die Vereinigten Staaten mittlerweile der größte Öl- und Gasproduzent seien. Benötigt werde ein stabiles globales Finanzsystem. Das beste Ergebnis der Brexit-Verhandlungen wäre aus seiner Sicht eine Übereinkunft, die Großbritannien nicht davon abhalten würde, eine größere Rolle für das weltweite Wachstum zu spielen. Die europäische Regulierung werde doch sehr von der innereuropäischen Integration und dem Schutz der Gemeinschaftswährung bestimmt. Glen machte in einem Interview mit “City A.M.” klar, dass die Mehrheit der Firmen in der City ein verlässliches regulatorisches Umfeld einer weniger sicheren, lockereren Beziehung mit der EU vorziehen würde. Auf Grundlage regulatorischer Arbitrage könne man im globalen Wettbewerb nicht mithalten.