Henriette Peucker, Bankenverband

„Die deutschen Banken sind stabil“

Deutschlands Banken sind nach Ansicht der stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin des Bankenverbands, Henriette Peucker, für die sich abzeichnende Eintrübung des konjunkturellen Umfelds gerüstet. Sie seien gut kapitalisiert und hätten eine „angemessen pessimistische Perspektive auf 2023“ eingenommen.

„Die deutschen Banken sind stabil“

Detlef Fechtner

Frau Peucker, wie geht es in der Führung des Bankenverbands weiter? Wann nimmt Hauptgeschäftsführer Christian Ossig wieder seine Arbeit auf?

Ich kann Ihnen dazu leider nichts Neues sagen. Wir wünschen ihm alle, dass er bald wieder vollständig genesen ist.

Ist der Verband trotzdem handlungsfähig?

Ja natürlich. Wir haben das Führungsteam neu aufgestellt, bevor Christian Ossig wegen eines Unfalls ausgefallen ist. Seither teilen wir uns zu viert die Aufgaben – und das funktioniert gut. Wir nehmen die Zusammenarbeit zwischen Verbandsführung und Mitgliedern als unverändert sehr vertrauensvoll wahr

Vertreten Sie kommissarisch den Verband gegenüber der Politik?

Meine Zuständigkeit umfasst die Themen Politik und Innovation. Hinter Innovation stehen Zahlungsverkehr, digitaler Euro sowie Bankentechnologie und Sicherheit. Den Verband bei diesen Themen und allgemein im politischen Raum zu vertreten, gehört zu meiner inhaltlichen Verantwortung.

Manchmal auch gemeinsam mit Bankenpräsident Christian Sewing?

Natürlich begleite ich auch unseren Präsidenten. Christian Sewing engagiert sich sehr im Bankenverband. Wir stehen in engem Kontakt mit ihm. Wir haben mit ihm einen starken Präsidenten und das ist gut für unsere Banken.

Wie geht es denn Deutschlands Banken vor der sich abzeichnenden Rezession?

Zunächst einmal deutet viel darauf hin, dass die Rezession – wenn sie denn kommt – in Deutschland schwächer ausfallen könnte als bis vor kurzem angenommen. Aber wie dem auch sei: Die deutschen Banken sind stabil, robust und widerstandsfähig. Sie sind in guter Verfassung. Seit der Finanzkrise haben sich die Eigenkapitalquoten der europäischen Banken nahezu verdoppelt und das gilt auch für die Institute in Deutschland. Natürlich beobachten die Banken die wirtschaftliche Lage ihrer Kunden und passen bei Bedarf die Risikovorsorge an. Was uns eher Sorgen macht, ist die langfristige wettbewerbsfähige Aufstellung der Wirtschaft im Kontext langfristig höherer Energiepreise und die großen Investitionen, die für die anstehende Transformation notwendig sind.

Erwarten Sie einen starken An­stieg der Unternehmens­pleiten?

Wir rechnen für 2023 mit einem Anstieg der Insolvenzen, aber nicht mit einer Insolvenzwelle. Außerdem kommen wir von einem sehr niedrigen Niveau. Und was die Banken betrifft: Die Risikosysteme sind gut. Die Banken agieren nach meiner Wahrnehmung sehr vorsichtig und verantwortungsbewusst. Dass unsere Aufseher bisweilen noch eine Spur risikobewusster sind als die Institute selbst, liegt dabei in der Natur der Sache.

Wie gut verdauen die Banken die Zinswende?

Im Großen und Ganzen sieht die Lage gut aus. Zu einzelnen Banken kann ich mich allerdings nicht äußern.

Werden Zinsüberschüsse weiter steigen?

Wir sehen momentan in der Tat positive Entwicklungen bei den Zinsüberschüssen der europäischen Banken. Die Phase negativer Zinsen war eine Ausnahmesituation. In einem normalen Zinsumfeld lassen sich höhere Zinsmargen erzielen. Die Zinswende dürfte sich daher mittelfristig positiv auf die Ertragslage auswirken. Allerdings kann die negative Konjunkturentwicklung im Zusammenspiel mit den gestiegenen Zinsen kurzfristig die Kreditnachfrage hemmen. Daher lassen sich aktuell kaum zuverlässige Vorhersagen treffen.

Über welche Themen diskutieren Sie derzeit mit den Aufsichtsbehörden?

Wir haben viele Themen, über die wir mit der Aufsicht sprechen: Kontrovers sehen wir vor allem den antizyklischen Kapitalpuffer. Der Puffer wirkt in der aktuellen Situation prozyklisch und ist nach unserer Auffassung im Moment nicht angebracht, weil Kredite dadurch knapper und teurer werden können. Darüber hinaus ist uns wichtig, zu zeigen, welche Auswirkungen Regulierung auf Finanzierungsbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit haben. Die Banken haben sich seit der Krise so aufgestellt, dass sie Teil der Lösung sind.

Was wünschen Sie sich?

Dass die Bafin den Puffer auf null herabsetzt.

Wie stark wird sich die konjunkturelle Lage nach Einschätzung der Banken 2023 eintrüben?

Bemerkenswerterweise sind die Banken da noch etwas skeptischer als die Bundesregierung. Die Regierung rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 0,4 % schrumpft. Die Volkswirte der Banken prognostizieren derweil ein Minus von bis zu 1 %.

Was folgern Sie daraus?

Das bedeutet, dass die Häuser die konjunkturellen Gefahren, die möglicherweise lauern, durchaus ernst nehmen und sich entsprechend wappnen.

In Brüssel liegt ein Kompromisstext für das „Bankenpaket“ auf dem Tisch, also unter anderem für die lange umstrittene Umsetzung der Eigenkapitalregeln unter Basel III. Wie bewerten Sie den Kompromiss?

Die Kompromissvorschläge der Europäischen Kommission und des Ministerrates gehen in die richtige Richtung. Das Bankenpaket sollte nun möglichst zügig verabschiedet werden.

Haben Sie Sorgen, dass das Paket noch einmal aufgeschnürt wird?

Wir hören, dass es Interesse gibt, das Paket nochmals zu öffnen und bei makroprudenziellen Puffern noch etwas draufzusatteln. Das bereitet uns Sorgen. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken sollte nicht noch durch weitere regulatorische Verschärfungen belastet werden. Es wäre zudem für die Banken wichtig, dass sie verlässlich planen können und genügend Zeit für die technische Umsetzung haben.

Wie bewerten Sie die Vorgaben für den Verbriefungsmarkt?

Es gibt im Bankenpaket in puncto Verbriefungen noch Handlungsbedarf. Wenn der auf dem Tisch liegende Kommissionsvorschlag nicht angepasst wird, würde er den Verbriefungsmarkt eher belasten. Der Output Floor würde die ohnehin schon sehr konservative Verbriefungsregulierung weiter verschärfen. Vor allem aber plädieren wir für eine grundsätzliche Entschlackung des Regelwerks.

Glauben Sie, dass dann der Verbriefungsmarkt wieder revitalisiert werden kann?

Ich gebe zu, dass es bei diesem Thema nicht nur um Regulierung geht, sondern dass auch die Nachfrage im Markt besser sein könnte. Wir haben eine gemeinsame Position unter anderem mit dem französischen Bankenverband erarbeitet, um deutlich zu machen, dass der Verbriefungsmarkt neben der Schaffung eines einheitlichen tiefen europäischen Kapitalmarkts von großer Bedeutung für die Finanzierung der Transformation ist.

Warum?

Wir sind mitten in einer digitalen und mitten in einer grünen Transformation. Dafür braucht es erhebliche Summen Geld. Und zwar Summen, die weder der Staat noch die Banken allein stemmen können. Deshalb werben wir für dreierlei: Erstens muss die Finanzierung von Transformation – auch über einen starken und liquiden EU-Kapitalmarkt – einen höheren Stellenwert bekommen. Zweitens darf das Bankenpaket Kredite nicht mehr als notwendig verteuern. Und drittens ist ein Verbriefungsmarkt wichtig, der es möglich macht, in Bankbilanzen Platz für Neugeschäft zu schaffen.

Was sind Ihre Forderungen mit Blick auf die Vorgaben für grüne und nachhaltige Finanzierungen?

Statt einer Fokussierung auf dunkelgrüne Aktivitäten muss die Finanzierung der Transformation Schwerpunkt der Politik werden. Gerade mittelständische Unternehmen stehen vor großen finanziellen Herausforderungen. Wir dürfen sie in der Transformation nicht verlieren. Deshalb brauchen wir klare, praktikable und international abgestimmte Regeln.

Sie sprechen von grüner Transformation. Was ist die Kernaufgabe der Banken in dieser Transformation?

Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft in Richtung eines nachhaltigen Systems zu begleiten. Das heißt, wir beraten, finanzieren und stehen den Unternehmen zur Seite. Banken sind auf diesem Weg ein Teil der Lösung.

Lassen Sie uns noch über das Zu­kunftsfinanzierungsgesetz reden, das die Bundesregierung vorlegen möchte.

Wir erwarten den Gesetzgebungsvorschlag zum Jahresanfang. Die bisherige Einbindung mit dem Ministerium war konstruktiv, wir halten die Vorschläge für gut im Kontext dessen, was man auf rein nationaler Ebene machen kann. Wir sind zuversichtlich, dass das eine gute Initiative wird.

Gibt es aus Ihrer Sicht besonders wichtige Elemente?

Ein Punkt, von dem wir uns viel erhoffen, ist neben der Modernisierung des Aktienrechts die Reform des AGB-Rechts. Derzeit werden AGB-rechtliche Anforderungen von den Gerichten in Deutschland immer mit Blick auf den Verbraucher ausgelegt. Auch wenn es sich um ein Geschäft zwischen professionellen Marktteilnehmern handelt. Eine Ausnahme für Vereinbarungen, die zwischen Profis abgeschlossen werden, wäre eine sinnvolle Maßnahme, die den Rechts- und Finanzstandort Deutschland maßgeblich stärkt.

Ein anderes Thema, über das Sie mit der Bundesregierung im Gespräch sind, ist die Bankenabgabe. Warum?

Es geht um die Altmittel, also die vor Einführung der europäischen Bankenabgabe von den deutschen Instituten entrichtete nationale Abgabe. Wir sprechen uns dafür aus, diese nicht genutzten Mittel für eine Entlastung der Institute einzusetzen. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit, die Altmittel mit der europäischen Abgabe zu verrechnen. Die so freiwerdenden Mittel würden den Spielraum der Institute zur Unterstützung der Unternehmen insbesondere bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität und digitaler Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöhen. Wir hoffen, dass das Finanzministerium 2023 eine Entscheidung in diesem Sinne trifft.

Stichwort 2023: Wie lautet Ihr Ausblick für das neue Jahr?

Unser Präsident Christian Sewing hat jüngst gesagt, das sei die herausforderndste Zeit, die er je erlebt habe – nicht die schlechteste, aber eben die herausforderndste, die komplizierteste. Es gibt sehr viele Themen – Krieg, Lieferketten, Energie … – nebeneinander, die miteinander integriert werden müssen.

Und wie starten die Banken in dieses komplizierte Jahr?

Die Banken sind gut kapitalisiert und passen regelmäßig ihre Risikovorsorge an. Und sie haben eine – lassen Sie es mich so formulieren: angemessen pessimistische Perspektive auf 2023 eingenommen. Ich bin daher zuversichtlich, dass niemand blauäugig in Risiken hineinrennen wird.

Das Interview führte

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