GASTBEITRAG

Die neue Vergütungsverordnung - wieder nur eine Durchgangsstation

Börsen-Zeitung, 25.1.2017 Am 19. Januar hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die voraussichtlich finale Fassung ihrer per 1. März 2017 novellierten Institutsvergütungsverordnung veröffentlicht. Hiermit setzt sie aber...

Die neue Vergütungsverordnung - wieder nur eine Durchgangsstation

Am 19. Januar hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die voraussichtlich finale Fassung ihrer per 1. März 2017 novellierten Institutsvergütungsverordnung veröffentlicht. Hiermit setzt sie aber wieder nur einen vorläufigen Schlusspunkt in der Regulierung der Bankenvergütung. Die BaFin selbst bezeichnet dieses Regulierungsfeld als “lebendes Rechtsgebiet” und unterstreicht das seit 2009 mit immer neuen Wellen von regulatorischen Verschärfungen.Aus den Erfahrungen der zurückliegenden Finanzkrise bezweifelt wohl niemand die grundsätzliche Berechtigung der politischen und aufsichtsrechtlichen Interventionen für nachhaltige Vergütungssysteme im Banking. Gleichwohl bieten die anhaltende Regulierungsintensität und der daraus resultierende Umsetzungsdruck immer mehr Ansatzpunkte, den bisherigen Regulierungsansatz kritisch zu bewerten. Auch sind immer mehr Einzelregelungen bezüglich ihrer Praxistauglichkeit und Eignung im Hinblick auf den gewollten Regulierungserfolg zu hinterfragen. Korrektur auf der ZielgeradenDie jetzige Novelle ist das Erstlingswerk der BaFin, die aufgrund einer Änderung der KWG-Verordnungsermächtigung erstmals selbst eine Änderungsverordnung zur Vergütungsverordnung erlässt. Hintergrund sind die von der European Banking Authority (EBA) überarbeiteten Guidelines on Sound Remuneration Policies and Disclosures (EBA/GL/2015/22 vom 21. Dezember 2015), die in nationales Recht umzusetzen sind. Der ursprünglich vorgesehene Starttermin der neuen Verordnung wurde von der BaFin noch überraschend auf den 1.März 2017 verschoben, um Auswirkungen der parallel laufenden Überarbeitung der Capital Requirements Directive IV zur Anwendung des Proportionalitätsprinzips auf die Vergütungssysteme zu berücksichtigen.Gegenüber dem ursprünglichen Konsultationspapier vom August 2016 bringt die finale Version nochmals Änderungen zu wesentlichen Handlungsfeldern. Die vorgesehenen Ausweitungen zum Anwendungsbereich, etwa die Ausdehnung der Risktaker-Identifizierung auf alle kleineren und mittleren Institute, wurden im Hinblick auf die parallelen Arbeiten der EU-Kommission zum Proportionalitätsprinzip zurückgestellt. Erfreulicherweise wurden zumindest einige der Haupt-Kritikpunkte aus dem Konsultationsverfahren berücksichtigt. Insbesondere die Anpassungen zu Abfindungen, Offenlegung und Governance scheinen in die richtige Richtung zu gehen. Dagegen sorgt die weitere Verschärfung der ohnehin für die Vergütungspraxis schwer umzusetzenden Clawback-Anforderungen bei Praktikern eher für Kopfschütteln. Auch bleibt abzuwarten, welche Überraschungen die finale Auslegungshilfe noch bescheren wird, deren Überarbeitung offensichtlich noch andauert. Erneut verschärftDie neue Verordnung bringt in Verbindung mit der erheblich ausgeweiteten Auslegungshilfe wieder eine Reihe von Verschärfungen für die Umsetzungspraxis. Materielle Verschärfungen betreffen im Wesentlichen die Risktaker in den bedeute nden Instituten. Für deren Identifizierung und die Ausgestaltung sowie Offenlegung der variablen Vergütung bestehen bereits sehr umfassende Vorschriften, die nun abermals strikter gefasst werden.Die Mindest-Aufschiebungsdauer für die variable Vergütung der Geschäftsleiter und weiteren Risktaker im Topmanagement wird künftig auf fünf Jahre ausgedehnt und der Anteil der variablen Vergütung, der in Instrumenten gewährt werden muss, deren Auszahlungshöhe mit der nachhaltigen Wertentwicklung des Instituts korreliert, wird auf mehr als 50 % erhöht.Zudem muss eine vertragliche Rückforderungsmöglichkeit für bereits vor Ende des gesamten Auszahlungszeitraums ausgezahlte Bonusbeträge vereinbart werden (Clawback). Neu ist, dass diese zeitlich noch mindestens zwei Jahre über den gesamten Zurückbehaltungszeitraum hinausreichen muss. Hieraus resultiert ein Gesamt-Zeitfenster von der Festsetzung der individuellen variablen Vergütung bis zur finalen Auszahlung und dem Ablauf der zweijährigen Nachlauffrist für eine etwaige Rückforderung von mindestens sieben Jahren. Während gute Incentive-Modelle eigentlich immer auch auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Mitarbeiterleistung und Incentive-Zahlung setzen, klafft hier bei den Risktakern durch die regulatorischen Interventionen eine immer größere Lücke.Zur Anwendung des Clawback in der Praxis ist zunächst einmal eine entsprechende arbeitsrechtliche Vereinbarung erforderlich, welche die Institute im Rahmen ihrer Hinwirkungspflicht umzusetzen haben. Auch erfahrene Arbeitsrechtler tun sich offensichtlich bislang schwer, derartige Rückforderungsklauseln belastbar und praxistauglich zu formulieren. Aber auch die Umsetzung ist im Hinblick auf die allgemeinen arbeits- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen alles andere als trivial. Dennoch werden die Institute die individualvertraglichen Regelungen bei den betroffenen Geschäftsleitern wohl bis spätestens zum Beginn des Vergütungsjahrs 2018 anpassen müssen. Hiernach werden dann erstmals die für 2018 in 2019 festgesetzten variablen Vergütungen von der Neuregelung betroffen sein können. Aufwendige VerhandlungenBei den weiteren Risktakern unterhalb der Geschäftsleitung werden überwiegend kollektivrechtliche Vereinbarungen anzupassen sein, was erfahrungsgemäß zeitaufwendige Verhandlungen mit der Mitbestimmungsseite erfordern wird. Bei einem Grund-Dissens können diese bis zur Einigungsstelle gelangen.Die Umsetzung wird also einmal mehr belastbare arbeitsrechtliche Lösungen sowie eine gute Kommunikation gegenüber den Betroffenen erfordern, deren Vergütungsvereinbarungen innerhalb weniger Jahre immer wieder angepasst worden sind. Spätestens jetzt werden zahlreiche Institute auch wieder die vergütungspolitische Grundsatzdiskussion führen, welche Anreizwirkung eine Incentive-Regelung tatsächlich noch entfachen kann, die durch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben inhaltlich immer komplexer wird, arbeitsrechtlich nur mit vielen Fragezeichen umzusetzen ist, deren Auszahlung unter diversen zeitlich-inhaltlichen Vorbedingungen steht und die nur mit einem signifikanten Umsetzungsaufwand für das Institut operativ zu bewältigen ist. Aus der Erfahrung der letzten Anpassungsrunden lässt sich die Erwartung ableiten, dass einige Institute voraussichtlich erneut die komplette Abschaffung der variablen Vergütung prüfen werden, um sich den damit verbundenen Umsetzungsaufwand zu ersparen. Die Umsetzung würde sich aber wohl schnell als Pyrrhussieg erweisen, denn auch ohne variable Vergütung bleibt dem Institut das komplette restliche Pflichtenheft zu den Vergütungssystemen erhalten, was etwa den Vergütungsbeauftragten, den Vergütungskontrollausschuss und den Vergütungsbericht angeht. Auch die Abwägung von Vor- und Nachteilen etwaiger Systemumstellungen zwischen der Attraktivität der Vergütungslösung für den Mitarbeiter einerseits und dem mit der Umsetzung verbunden Aufwand andererseits wird das Design von angepassten Vergütungssystemen prägen. Letztlich werden auch weitere Institute versuchen, die variable Vergütung ihrer Risktaker unter 50 000 Euro zu reduzieren, um von der derzeitigen Freigrenze zu profitieren und die komplexen Auszahlungsbedingungen zu vermeiden. Eigene Agenda konterkariertWährend Gesetzgeber und Aufsicht immer noch die Nachhaltigkeit der Vergütungssysteme als ihre Agenda vor sich hertragen, droht ihnen schon länger die Gefahr, genau dieses Ziel durch die eigenen permanenten Interventionen zu konterkarieren: Eine tatsächliche Nachhaltigkeit der Vergütungssysteme erfordert eben auch, dass diese nicht Jahr für Jahr wieder angepasst werden müssen.Die neueste Novelle der Verordnung ist noch nicht in Kraft, schon zeichnen sich bereits die nächsten Anpassungsnotwendigkeiten ab. Nicht nur die anstehende Überarbeitung der CRD IV zur Anwendung des Proportionalitätsprinzips bei den Vergütungssystemen wird für weitere Novellierungen der regulatorischen Vorgaben sorgen, sondern auch die diversen neuen oder überarbeiteten Guidelines oder Regulatory Standards der EBA. Nach Ankündigung der EU-Kommission sollen künftig zwar Erleichterungen für kleinere und mittlere Institute grundsätzlich möglich sein, doch die veröffentlichten Eckpunkte für die Bestimmung der relevanten Unternehmensgröße sowie der betragsmäßigen Freigrenze, unterhalb derer die komplexen Aufschiebungsbedingungen unterbleiben können, deuten eher auf weitere Verschärfungen hin.Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Freigrenzen-Regelung wäre nicht weit entfernt von der bislang in Deutschland geltenden Regelung und somit für die Praxis nicht ganz so kritisch. Ob es jedoch EU-weit zu der einheitlichen 50 000-Euro-Grenze in Verbindung mit höchstens 25 % der Gesamtvergütung kommen wird, erscheint durchaus zweifelhaft. Die Zweifel werden auch durch die BaFin selbst geschürt, die erst im Dezember in ihrer parallelen Auslegungsentscheidung für Versicherungen eine Freigrenze von nur 35 000 Euro oder 20 % der Fixvergütung festgelegt hat.Eine Absenkung der Bilanzsummengrenze von 15 Mrd. Euro auf 5 Mrd. Euro würde unterdessen zu einer erheblichen Ausweitung des Kreises der bedeutenden Institute führen, welche die regulatorischen Bestimmungen umfänglich umzusetzen hätten. Im Ergebnis würde sich die Gruppe der betroffenen Institute von den Top 50 auf die Top-100-Institute in Deutschland nahezu verdoppeln. Die Frage der Sinnhaftigkeit der umfänglichen Anwendung der Vergütungsvorgaben auf diese “neuen bedeutenden Institute” würde im Hinblick auf deren typisches Vergütungsmuster sehr nachdrücklich zu stellen sein. Auch würden diese Institute gravierenderen Verschärfungen unterliegen als nach den ursprünglichen Überlegungen der BaFin, denen zufolge sie lediglich ihre Risktaker zu identifizieren gehabt hätten.—-Werner Klein, Inhaber und Managing Consultant Compgovernance