Die Puste reicht noch lange
Autsch, fast 6 Mrd. Euro! Das ist eine beeindruckende Summe, auf die sich bei den Kreditgenossen die Abschreibungen auf eigene Wertpapiere 2022 summieren. Zu verdanken haben sie diesen Einschlag der Europäischen Zentralbank, die den richtigen Zeitpunkt für die Zinswende verpennte und nun hastig der sprunghaft gestiegenen Inflation hinterherhechelt. Doch muss man sich um die Genossenschaftsbanken grundsätzlich keine Sorgen machen, dass ihnen wegen dieser hohen Wertberichtigung die Puste ausgeht.
Denn erstens sind diese Wertverluste nur auf dem Papier und vorübergehend. Bis zur Fälligkeit der Zinspapiere winken bald wieder üppige Zuschreibungen in den Folgejahren. Auch haben zweitens die hohen Gewinne der Vorjahre sowie die zuvor gute Entwicklung der Eigenanlagen für ausreichend Widerstandskraft gesorgt mit Blick auf Kapital und Reserven. Die Kreditvergabefähigkeit der 737 Volks-, Raiffeisen-, Sparda- und PSD-Banken ist absehbar nicht gefährdet. Und drittens sorgt die Zinswende mittelfristig für bessere Margen und damit allgemein wieder für steigende Erträge im Zinsgeschäft. Damit ist nach einer langen Durststrecke der Niedrig- bis Negativzinsen eine Normalisierung des Bankgeschäfts im Gange. In das Kerngeschäft zieht also wieder langsam das alte Leben ein.
Hinter den kumulierten Zahlen des BVR lässt sich natürlich nicht erkennen, wer es aus eigener Kraft oder auch Leichtsinn (Volksbank Heilbronn) künftig nicht schafft. Der Trend zu Fusionen hält bei den Genossenschaftsbanken weiter an. Weitere 40 bis 45 Fusionen zeichnen sich in diesem Jahr laut Anmeldung beim IT-Dienstleister Atruvia ab. Von einst 7 096 Banken im Jahr 1970 waren Ende 2022 nur noch 737 übrig. Gerade in jüngster Zeit gab es auch einige Zusammenschlüsse über die Schwelle von 10 Mrd. Euro bei der Bilanzsumme hinaus, so dass sich die Spitzengruppe der Kreditgenossen deutlich verändern wird. Der Trend zu größeren Einheiten als Folge von Digitalisierung und zunehmender Regulierung ist ungebrochen.
Gerade letzterer Punkt ist für viele Genossenschaftsbanken ein häufiger Anlass zum Seufzen: „Ach, ließe man uns doch ungestört machen!“ Gerade aktuell wieder ist das Thema der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf EU-Ebene. Die Kommission will die EU-Abwicklungsregeln auf kleinere Institute ausdehnen, die nationalen Systeme dafür zur Kasse bitten und in ihren präventiven Rechten einschränken. Gerade die Genossen haben ihre Schieflagen aber sehr gut durch die Institutssicherung in Eigenregie lösen können. Auch so etwas trägt zum Erfolg einer Finanzgruppe und ihrer guten Reputation bei. Warum soll diese Burg geschleift werden?