Leitzinsen

Die (Spar-)Zinsen sind zurück – und sie werden bleiben

Das Jahr 2022 hat der Zeit des billigen Geldes ein jähes Ende bereitet: Sparer und Sparerinnen profitieren wieder von gestiegenen Zinsen. Eine Rolle rückwärts ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil.

Die (Spar-)Zinsen sind zurück – und sie werden bleiben

Das Jahr 2022 hat der Zeit des billigen Geldes ein jähes Ende bereitet: Sparer und Sparerinnen profitieren wieder von gestiegenen Zinsen. Eine Rolle rückwärts ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Die Zinsen werden weiter steigen, und selbst manche deutsche Banken beginnen nachzuziehen. Nur so können sie im härter werdenden Wettbewerb um Spareinlagen bestehen. Was ist passiert? Überall mussten die Zentralbanken angesichts massiver Preissteigerungen reagieren, um die Inflation wieder auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Und wie sie reagiert haben: Die Federal Reserve hat die Leitzinsen innerhalb eines Jahres um rund 4 % erhöht, die Bank of England um 3 %. Selbst die japanische Zentralbank sah sich Ende 2022 gezwungen, die geldpolitischen Zügel zumindest ein wenig zu straffen.

Jahrzehnt der Nullzinsen

Die Europäische Zentralbank war keine Ausnahme und hat – wenn auch deutlich später als andere Zen­tralbanken – ihr Jahrzehnt der Nullzinspolitik beendet. Vier Zinsschritte in einem Jahr und eine Erhöhung um insgesamt 250 Basispunkte sorgen dafür, dass der Leitzins mittlerweile so hoch ist wie zuletzt im Januar 2009. Aber auch an anderer Stelle versucht die EZB, dem System Geld zu entziehen und das Bilanzvolumen des Eurosystems – Ende 2022 immerhin 8,5 Bill. Euro – zu reduzieren. So hat die EZB bereits im Oktober die Bedingungen der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) angepasst. Obwohl diese demnächst ohnehin fällig werden, sollen die Banken damit dazu bewegt werden, die günstigen Kredite vorzeitig an die EZB zurückzuzahlen. Vor dem gleichen Hintergrund hat die EZB kürzlich angekündigt, die eigenen Anleihebestände abzubauen. Diese machen mittlerweile den Löwenanteil des Bilanzvolumens des Eurosystems aus. Bei all dem stehen die Euro-Wächter vor einem Drahtseilakt. Sie müssen das Geld teurer machen, ohne mit ihren Maßnahmen einer Rezession Vorschub zu leisten. Bringen sie dabei ein Euro-Land durch steigende Finanzierungskosten in die Bredouille, müssen sie wiederum gegensteuern, ohne die eigenen geldpolitischen Entscheidungen zu konterkarieren.

Für die Banken bedeuten die Maßnahmen der EZB eine Rückkehr zum Altbekannten. Noch vor einem Jahr war der Leitzins bei null. Es gab Liquidität im Überfluss. Viele Kreditinstitute sahen sich sogar gezwungen, wohlhabende Kunden und Kundinnen mit Strafzinsen vom Hof zu scheuchen, um damit ihrerseits den −0,50 % der Einlagefazilität zu entgehen. Anfang 2022 waren es in Deutschland mindestens 429 Banken, bei denen Strafzinsen fällig wurden. Das neue Jahr beginnt nun unter den alten, umgekehrten Vorzeichen. Geld hat wieder einen Preis und Negativzinsen gehören der Vergangenheit an. Der wichtige Euribor für drei Monate, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen, liegt beispielsweise nicht mehr bei −0,57 % wie vor 12 Monaten, sondern bei knapp 2,3 %. Das hat natürlich auch für Verbraucher und Verbraucherinnen Konsequenzen. In allen Bereichen sind die Zinsen gestiegen: beim Ratenkauf, bei der Finanzierung des Eigenheims, aber eben auch bei den Sparprodukten.

Was hat das für Auswirkungen? Alleine seit Anfang Juni haben sich die durchschnittlichen Zinsen der zehn besten Tagesgeldkonten verzehnfacht und liegen jetzt bei 1,93 %. Weniger extrem war die Entwicklung bei den fünf besten ein- und dreijährigen Festgeldern. Nach einem Anstieg um rund 2 % betragen sie jetzt etwa 3 respektive 3,5 %, obwohl zuletzt bestenfalls kleine Zinssprünge zu beobachten waren. Bemerkenswert ist die (Nicht-)Entwicklung bei deutschen Banken. Die treibenden Kräfte der Zinsrally waren vor allem ausländische Kreditinstitute, die mit ihren Angeboten – oft über die Zinsplattformen – die Bestenlisten für Tages- und Festgeldkonten dominieren. Deutsche Banken sucht man in diesen Listen indes fast vergeblich. Bei den Tagesgeldern wird man zwar fündig, allerdings handelt es sich hier größtenteils um zeitlich begrenzte Angebote, meist für Neukunden. Als Bestandskunde erhält man nach wie vor kaum Zinsen, obwohl die Banken ihrerseits das Geld in der Einlagefazilität der EZB parken können und dafür 2 % Zinsen erzielen. Sie geben das aber nicht weiter und können alleine mit dieser Zinsdifferenz Milliarden verdienen. Viele Banken nutzen diese Chance gerne – risikoloser Gewinn ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht schließlich eine ganz hervorragende Sache. Verlierer sind die Sparerinnen und Sparer.

Neue Runde im Wettbewerb

Was kommt jetzt? Der Wettbewerb um Spareinlagen wird sich zweifellos verschärfen. Erst kürzlich hat ein deutscher Neobroker öffentlichkeitswirksam ein Tagesgeld mit 2 % für Einlagen bis zu 50000 Euro lanciert und damit eine neue Runde dieses Wettbewerbs eingeläutet. Zudem steigt der Preis des Geldes weiter. Zum einen müssen nämlich die europäischen Banken dieses Jahr die letzte Tranche der TLTRO-Kredite an die EZB zurückzahlen müssen. Zum anderen sind angesichts einer Kern­inflationsrate von 5,2 % im Euroraum weitere Zinserhöhungen aus Frankfurt am Main zu erwarten. Einen Leitzins von rund 3 % hatten die Märkte zwar schon eingepreist, angesichts der jüngsten Entscheidungen seitens der EZB ist aber davon auszugehen, dass es auch 2023 doch noch weiter nach oben gehen wird.

Für Sparer und Sparerinnen heißt das: Die Zinsen werden steigen, wenn auch lange nicht so stark wie letztes Jahr. Selbst den deutschen Banken wird mittelfristig keine andere Wahl bleiben, als die Zinsen zu erhöhen. Einige gehen diesen Schritt bereits, während viele andere weiter versuchen, Liquidität zu geringen Kosten vorzuhalten und Zinsarbitrage zulasten der Verbraucher und Verbraucherinnen zu betreiben. Welche Bank wann und wie stark nachzieht, hängt auch vom Verhalten der Sparer und Sparerinnen ab. Sobald sie sich nach Alternativen umsehen und in großem Umfang Gelder abziehen, werden noch mehr Geldhäuser gezwungen sein, ihre Zinsen zügig anzupassen, um nicht zu viel Liquidität an Wettbewerber zu verlieren. Dennoch werden die großen deutschen Geldhäuser auch in Zukunft kaum einen Weg in die Bestenlisten finden. Die ersten Adressen für dauerhaft gut verzinste Sparprodukte werden nach wie vor kleine spezialisierte und ausländische Banken sein, die für ihre Liquidität eben nicht unmittelbar auf einen umfangreichen oder finanzstarken (Be­stands-)Kundenstamm zurückgreifen können.

Um Einlagen bemühen

Nach zehn Jahren sind wir Zeugen einer geldpolitischen Zeitenwende, die doch letzten Endes nicht mehr als die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität darstellt: Geld hat seinen Preis und Banken müssen sich um Einlagen der Sparer und Sparerinnen bemühen. Für die Verbraucher und Verbraucherinnen kann es ein gutes Jahr werden, in dem sie weiter von steigenden Zinsen profitieren können. Es liegt aber an ihnen, diese Chance auch zu nutzen, indem sie sich aktiv nach Alternativen zum unverzinsten Girokonto umsehen. Nur so wird der Wettbewerb um Einlagen zwischen den Instituten weiter angetrieben. Auch bei einer hohen Inflation über 5 % und selbst wenn das Ersparte schnell verfügbar sein muss – ein Tagesgeldkonto lohnt sich in jedem Fall. 2 % Zinsen sind deutlich besser als 0% auf dem Girokonto. Vor allem wenn man bedenkt, dass Tages- und Festgelder zu den sichersten Anlageoptionen zählen, unterliegen sie im Gegensatz zu Krypto-, Aktien- und Immobilienmärkten doch keinerlei Kursrisiken und sind damit gerade in diesen volatilen Zeiten ein sicherer Hafen für jeden Euro.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.