SERIE: ZEHN JAHRE FINANZKRISE (TEIL 15)

Drei Dogmen auf der Abschussrampe

Effiziente Märkte, Glück durch Wachstum und Leistungsanreize durch Boni gelten als überholte Ideen

Drei Dogmen auf der Abschussrampe

Bruno Frey und David Iselin haben in ihrem Buch ökonomische Theorien gesammelt, die als überholt gelten. Drei Beispiele: Die Märkte sind effizientDie Hypothese vom effizienten Geldmarkt sei für manche Ökonomen das “einzige universelle Gesetz” in der Ökonomie, so Jean-Charles Rochet, Wirtschaftsprofessor an der Universität Zürich. Auf dieser Hypothese fußt die Zinsparitätentheorie, wie sie der britische Ökonom John Maynard Keynes schon vor 100 Jahren dargestellt hatte. Der Theorie zufolge sorgen Anleger dafür, dass sich die Zinssätze für kurzfristige Gelder zwischen den Währungsräumen nie auseinanderentwickeln. Differenzen ergeben sich allein durch erwartete Wechselkursveränderungen.Die Theorie ist durch die Praxis an den Finanzmärkten bestätigt worden. Doch während der Finanzkrise hielt auch diese Festung der Wissenschaft dem Sturm an den Märkten nicht stand. Während die Finanzmarktakteure ihre Zinsarbitrage in normalen Zeiten vorwiegend mit Fremdkapital durchführen können, war in der Finanzkrise vor allem Eigenkapital gefragt. Weil aber in jenen Zeiten jedermann eifersüchtig auf seinem Kapital sitzen blieb, stand dieses für die Arbitragegeschäfte nicht zur Verfügung. Das Gesetz der absolut effizienten Geldmärkte war damit widerlegt. Das sei kein Grund, die Modelle zurückzuweisen, schreibt Rochet. Vielmehr sollte die Erkenntnis Ermutigung sein, neue, vielleicht etwas weniger elegante, dafür robustere Modelle zu entwickeln. Wachstum macht glücklichWer von Wirtschaftswachstum spricht, meint üblicherweise die Zunahme des Wohlstandes pro Kopf, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Ein persönlicher Wohlstandsgewinn gibt Raum für mehr Konsum und für die Befriedigung von Bedürfnissen. Aus diesem Zusammenhang lassen sich aber keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der Menschen ziehen, schreibt Richard Easterlin von der University of Southern California. Gängige Wirtschaftstheorien fokussierten allein den Konsum materieller Güter, während andere Aspekte des Lebens vernachlässigt würden.Ein noch größeres Defizit ist für Easterlin aber, dass die Feststellungen über Zufriedenheit als Folge von wirtschaftlichem Wachstum nicht von den betroffenen Menschen selbst, sondern von Statistiken und ihren Interpreten gemacht würden. Easterlin verweist auf Methoden, wie die Zufriedenheit der Menschen empirisch erfragt werden kann. In den letzten fünfzig Jahren seien große Mengen an Daten über den Glückseligkeitszustand der Menschen erhoben worden, und diese ließen den Schluss zu, dass traditionelles Wirtschaftswachstum nicht mit Glück der Bevölkerung gleichzusetzen sei. In China seien die Menschen 2010 nicht glücklicher gewesen als vor dem großen Boom im Jahr 1990. Es sei Zeit, die Qualität von Wachstum zu hinterfragen, meint Easterlin. Leistungslohn erhöht LeistungEin Auslaufmodell ist für Margit Osterloh, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, die Idee des Leistungslohns. Fixlöhne, ergänzt durch Auszeichnungen und Feedbacks, hätten eine stärkere Wirkung auf die Arbeitsleistung als der Bonus, schreibt sie unter Verweis auf Untersuchungen, die den Nutzen des Leistungslohns für komplexe, mehrschichtige Tätigkeiten nicht nachweisen konnten. Osterloh argumentiert, dass Manager ihre Arbeit nicht nur erledigen wollen, um mehr Geld zu erhalten. Vielmehr suchen sie in der Arbeit auch Begeisterung. Sie seien eben auch “intrinsisch motiviert”.Ironischerweise hat mit dem finnischen Ökonomen Bengt Holmström letzten Herbst einer der Erfinder des Leistungslohns den Nobelpreis erhalten. 1979 zeigte der Wissenschaftler in einem viel beachteten Aufsatz, dass ein vertraglich optimal aufgesetzter Lohn für einen Manager direkt von den Folgen seiner Entscheide abhängen sollte. Gleichzeitig warnte er aber auch, dass Boni eine schädliche Wirkung entfalten können, wenn verschiedene gleichwertige Ziele mit teilweise gegensätzlichen Methoden erreicht werden müssten.Dass Banker einseitig für die Inkaufnahme von Risiken entlohnt werden, während die Wahrung der finanziellen Stärke der Banken kein Bonuskriterium ist, wäre somit kein Widerspruch zur Theorie.—-Zuletzt erschienen:- Ex-Barclays-Chef kommt vor Gericht (21. Juni)- “Das SRB braucht mehr Kompetenzen” (20. Juni)- Die Krise hatte viele Gesichter (13. Mai)- Merkels Einlagengarantie: Erfolgreicher Notfall-Managerismus (10. Mai)