Dreifach-Wumms gegen Finanzlobbyisten
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Es ist eine gewaltige Zahl, mit der die Bürgerbewegung Finanzwende ihre neue Studie verkaufen will. Die Finanzlobby habe in den vergangenen Jahren in Deutschland Schäden von mehr als 340 Mrd. Euro angerichtet, wie die Tochter Finanzwende Recherche meint. Das ist eine Größenordnung von 3,5 Wumms, gemessen am Doppel-Wumms-Hilfspaket von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Ausgleich von hohen Energiepreisen. Doch mit den genau genommen 341 Mrd. Euro ist es laut Finanzwende nicht getan. Hinzu kämen „weitere finanzielle Verluste sowie ein nachhaltiger Schaden am Gefüge der parlamentarischen Demokratie“.
Auf den ersten Blick gewinnt man bei dem Finanzwende-Papier mit dem Titel „Im Auftrag des Geldes” den Eindruck, Finanzlobbyisten der Banken, Versicherungen und Fondshäuser seien so etwas wie eine kriminelle Vereinigung, die im Auftrag ihrer Mitglieder den Staat und die Verbraucher systematisch ausplündern. Sicher, dass die Herren und Damen in Berlin keine heiligen Samariter sind und auch die durch sie vertretenen Firmen keine karitativen Vereine, hatte man schon geahnt. Dass es vielfältige Verflechtungen gibt und auch gerne mal mit Tricks gearbeitet wird, das wird in der 120 Seiten langen Studie herausgearbeitet. Allein der Anhang umfasst 20 Seiten mit mehr als 500 Fußnoten. Finanzwende hat ganze Arbeit geleistet, die dann auf einen Wumms zusammengefasst wird.
Wer sich die vermeintliche Schadensumme anschaut, kann schnell ein Thema herausschälen, das der Bürgerbewegung offensichtlich ganz besonders am Herzen liegt. Dabei geht es gar nicht um Geld, das die Finanzbranche durch geschickten Lobbyismus in die eignen Taschen oder die der Aktionäre oder der Fondssparer geschleust hat, sondern um entgangene Steuern. Eine Steuer, die Lobbyverbände bekämpft und am Ende verhindert hätten. Finanzwende summiert in der Wumms-Rechnung nämlich nicht nur geschätzte Schäden aus Cum-ex-Geschäften oder aus Bankenrettungen auf, sondern zu zwei Dritteln die nicht eingeführte Finanztransaktionssteuer. Durch die Verhinderung entgehen dem deutschen Fiskus jährlich Einnahmen zwischen 13 und 45 Mrd. Euro. Wäre die Steuer 2014 eingeführt worden, käme man auf einen „Gesamtschaden von 261 Milliarden Euro für die Steuerzahler*innen“. Gescheitert ist die Steuern aber nicht in erster Linie an Deutschland, sondern an anderen Ländern in der EU.
Es wäre schön, wenn in der Finanzwelt die Kausalitäten immer so einfach wären. Lobbyisten weg, Steuer her, alle sind glücklich. Doch allein um die Transaktionssteuer rankt sich eine fast 90-jährige wissenschaftliche Diskussion. Die Frage ist auch immer, wer am Ende die Steuer zahlt.
So berechtigt das Anliegen ist, genau nachzuzeichnen, wie es um den Lobbyismus der Finanzbranche bestellt ist, so wenig überzeugt also der Verkauf der Studie mit einem dreifachen Wumms.