Druck auf die Cash Cow
Eindringlich wie selten hat der Chefaufseher der deutschen Versicherer vor den erheblichen Auswirkungen der aktuellen Krisen gewarnt. Frank Grund erwartet eine stürmische Gemengelage vor allem für das kommende Jahr und die Zeit danach. Wie ernst die BaFin die Folgen vor allem der Inflation einschätzt, zeigt schon die Tatsache, dass Grund in seiner Rolle als Aufseher einen signifikant teureren Versicherungsschutz ausdrücklich einfordert: Kompromisse bei Preisen, um Kunden zu halten, dürfe es nicht geben, postulierte der BaFin-Exekutivdirektor bei der Jahrestagung der Branche in Bonn.
Waren viele Jahre die Lebensversicherer das Sorgenkind der Aufsicht, verlagert sich jetzt der Fokus. Noch immer sind zwar die Lebensversicherer nicht ganz aus dem Schneider – die allzu rapide Zinswende setzt auch ihnen zu –, doch jetzt haben auch die Schadenversicherer ein Problem. Wer nicht ausreichend oder ziemlich knapp reserviert hat, könnte angesichts der Inflation ziemlich schnell in eine Schieflage oder mindestens in die roten Zahlen kommen.
Es trifft die Cash Cow der Branche. In vielen Unternehmen sorgt die Schaden- und Unfallversicherung für den Großteil der Erträge. Dazu kommt, dass mit der Autoversicherung die mit Abstand größte Sparte besonders exponiert ist. Die Preisanstiege für Reparaturen und Ersatzteile sind enorm. Für die von explodierenden Energiekosten und immens steigenden Lebensmittelpreisen gebeutelten Verbraucherinnen und Verbraucher sind stark anziehende Versicherungspreise die nächste Hiobsbotschaft.
Für die Investoren ist die Entwicklung ebenfalls eine denkbar schlechte Nachricht. Denn es besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse der Unternehmen erheblich unter Druck geraten. Der Wettbewerb unter den Schadenversicherern ist traditionell ausgeprägt. Vor allem in der Kfz-Versicherung, die für rund 40% der Beitragseinnahmen in der Kompositsparte steht, rangeln knapp 100 Anbieter um Marktanteile. Sie haben dafür in der Vergangenheit auch ohne externe Schocks immer mal wieder Zyklen von mehreren Jahren roter Zahlen in der Versicherungstechnik in Kauf genommen.
In den vergangenen Jahren lief es dagegen ertragreich: Seit 2014 hält sich die Schaden-Kosten-Quote der Autoversicherer stabil unter 100%.
Doch jetzt könnten vor allem etwas besser gepolsterte Anbieter versucht sein, die Preise weniger stark als eigentlich nötig anzuheben. Die Gewinne würden ausbleiben, die Reserven schmelzen. Dazu dürfte ein nicht unerheblicher Druck auf das Neugeschäft kommen. Wenn das Geld knapp wird, dürfte nur noch der nötigste Versicherungsschutz eingekauft werden.
Die multiple Krisenlage in der Welt – Krieg, Inflation, Klimawandel – macht die zukünftige Entwicklung außerdem wenig berechenbar. Denn die Effekte können sich gegenseitig verstärken. Versicherer in Schieflage wären jedoch so ziemlich das Letzte, was eine angeschlagene Volkswirtschaft in der Rezession braucht. Die Branche wird als Rückgrat gebraucht – unter anderem, um die Auswirkungen der Klimakrise bewältigen zu können. Der Nachdruck, mit dem die BaFin am Mittwoch auskömmliche Schadenreserven und Preise forderte, trägt diesem Umstand Rechnung.