DWS bekommt eine Ahnung von ESG-Reputationsrisiken
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Die DWS bekommt als eine der ersten großen Adressen der Finanzbranche zu spüren, welche Reputationsrisiken durch das neue (Regulierungs-)Thema Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren drohen könnten. Wenn nach den neuen und künftigen Vorschriften der Politik und Aufsicht (siehe Bericht oben) neue Ausweise zur Nachhaltigkeit der Gesellschaft, ihrer Produkte oder ihrer Kreditvergabe erstellt werden müssen, aber zugleich die Definitionen davon noch im Fluss sind und die Vorstellungen hierzu weit auseinanderklaffen – welche potenziell große (Klage-)Angriffsfläche bietet sich hier für Klimaaktivisten, Verbraucherschützer oder Investoren? Das „Wall Street Journal“ berichtete in seiner Montagsausgabe über Vorwürfe der früheren, im März 2021 noch in der Probezeit ausgeschiedenen DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler (vgl. BZ vom 31. März). Sie wirft ihrem Ex-Arbeitgeber vor, im Geschäftsbericht 2020 das nach den nachhaltigen ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) verwaltete Vermögen zu hoch ausgewiesen zu haben.
Demnach standen per Ende 2020 mit knapp 460 Mrd. Euro mehr als die Hälfte des gesamten verwalteten Vermögens (793 Mrd. Euro) der DWS in der Kategorie „ESG Integration“. Tatsächlich heißt dies jedoch nur, dass diese Assets auf die Frage der Nachhaltigkeit überprüft und transparent gemacht wurden, ist zu hören. Nur für rund 76 Mrd. Euro wurde tatsächlich eine „echte“ nachhaltige Einstufung (dezidierter ESG-Ansatz) vorgenommen. Die Vorwürfe seien von einer „unabhängigen Drittfirma gründlich untersucht“ worden, so die DWS auf Anfrage. „Der daraus resultierende Bericht besagt, dass keiner ihrer Vorwürfe auf der Grundlage von Fakten, einschließlich Greenwashing, erhoben wurde.“ Tatsächlich gibt es erst mit der seit März 2021 gültigen EU-Offenlegungsverordnung erste Standards für die Einstufung von nachhaltigen Fonds. Ein flüchtiger Leser des Geschäftsberichts 2020 könnte indes über die wahre ESG-Reife der DWS verwirrt sein.