Entwarnung bei Immobilienkrediten
Von Thomas List, FrankfurtEin zentrales Vorhaben bei der Finalisierung des Regulierungsansatzes Basel III ist die Revision der Eigen- mittelunterlegung von Krediten. Messgröße ist dabei das Risiko, dass ein Kredit ausfallen könnte. Dazu hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht Ende 2014 und Ende 2015 jeweils ein Konsultationspapier veröffentlicht (First and Second Consultative Document on Revisions to the Standardised Approach for Credit Risk). Diese Papiere bilden auch die Grundlage für die Mitte Dezember gefundene Grundsatzeinigung zu den neuen globalen Kapitalregeln, die am 8. Januar 2017 vom Verwaltungsrat Governors and Heads of Supervision (GHOS) verabschiedet werden sollen. Risiken genau abbildenDer Kreditrisiko-Standardansatz (KSA), der auf Grundlage der Vorschläge des Baseler Ausschusses geändert werden soll, ist ein eher holzschnittartiges Modell, das festlegt, mit wie viel Eigenkapital Bankkredite unterlegt werden müssen. Dabei soll der KSA einerseits die Risiken möglichst genau abbilden, andererseits aber bei den Banken möglichst einfach angewendet werden können. Außerdem sollen die Kapitalanforderungen sowohl zwischen den Instituten als auch zwischen den Ländern gut vergleichbar sein, indem die risikogewichteten Assets möglichst klar definiert werden.Der KSA gilt grundsätzlich für alle in Deutschland aktiven Banken. In Zukunft soll er als Bemessungsgrundlage für einen neuen Floor, also die Untergrenze für die Kapitalanforderungen, dienen.Allerdings wenden einige, vor allem größere, Institute interne Berechnungsmodelle (Internal Ratings-Based Approach, IRBA) an, die entweder auf von der Aufsicht vorgegebenen Eingangsgrößen (Basis-IRBA) oder eigenen Schätzungen (fortgeschrittener Ansatz) beruhen. Diese IRBA-Institute sollen zukünftig auch ihre Eigenmittelanforderungen nach dem KSA offenlegen, müssten also den KSA ebenfalls vollständig implementieren. Beim KSA wird künftig unterschieden, ob die Rückzahlung des Kredites wesentlich aus dem Cash-flow des finanzierten Objekts bestritten werden muss. Bei der Finanzierung von Eigenheimen oder kleineren oder mittleren Unternehmen ist dies nicht der Fall. Im Rahmen der “allgemeinen Behandlung” bleiben daher die Risikogewichte in etwa gleich (siehe Grafik).Anders ist dies hingegen bei der Finanzierung von größeren Gewerbeimmobilien und Wohn-Portfolien, bei denen die Kredite größtenteils aus den Erträgen der finanzierten Objekte (Cash-flow-abhängige Immobilienfinanzierungen) geleistet werden. Diese Kategorie ist neu und führt, da sie von der Aufsicht als sehr risikoreich angesehen wird, zu deutlich höheren Risikogewichten als bisher. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) kritisiert dabei, dass diese Risikogewichte weltweit einheitlich auf den Beleihungswert (LTV) bezogen werden sollen. “Besser wäre es, sich an der Stabilität der jeweiligen Immobilienmärkte zu orientieren”, sagt Eva-Maria Kienesberger, beim VDP für Bankaufsicht und Risikomanagement zuständig.Der deutsche Immobilienmarkt gilt als im internationalen Vergleich sehr stabil. Würde dies bei der Berechnung der Risikogewichte nicht mehr berücksichtigt, müssten Immobilienkredite hierzulande wohl mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegt werden als bisher (und damit teurer werden). Bundesbank und BaFin unterstützen eine Differenzierung und setzen sich daher im Baseler Ausschuss für die Beibehaltung des bisherigen Stabilitätsbezugs ein.Immerhin würde der sich inzwischen abzeichnende Kompromiss wie bisher das Realkreditsplitting ermöglichen. Dies war eine Forderung gerade der deutschen Kreditwirtschaft. Danach können die Kreditinstitute bei diesem Splitting, also der Trennung einer Hypothek in einen besicherten und einen unbesicherten Teil, ihrer Forderung bis zur Höhe des Beleihungsauslaufs ein deutlich niedrigeres Risikogewicht zuordnen. Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen könnte damit Entwarnung für die deutsche Kreditwirtschaft gegeben werden.Als besonders riskant gelten der Aufsicht “einkommengenerierende” Immobilien auch deshalb, weil sie häufig eigene Rechtspersönlichkeiten (Special Purpose Vehicles, SPV) sind und damit rein rechtlich nur die Immobilie als Sicherheit vorhanden ist – nach dem Motto: Wenn die Immobilie floppt, bekommt die Bank ihren Kredit nicht mehr zurück. Allerdings verlangen die meisten Banken zusätzliche Sicherheiten und vereinbaren bestimmte Ankermieter, legen eine bestimmte Mieterstruktur und bei Neubauten bestimmte Vorverkaufs- bzw. Vorvermietungsquoten fest.Häufig ist die Finanzierung von SPV steuerinduziert und zum Beispiel bei Einkaufszentren üblich. “Für unsere Mitglieder sind Finanzierungen von Immobilien in SPV ganz normale Finanzierungen, die bei der Kreditvergabe und in der Kreditüberwachung die für sie angemessene Behandlung bekommen”, sagt Kienesberger.Deutlichere Änderungen soll es aber beim IRBA geben. Dieser sollte nach den ursprünglichen Plänen im Wesentlichen nur noch als Basis-IRBA zugelassen werden. Immerhin ist der fortgeschrittene Ansatz nach dem jetzt gefundenen Kompromiss noch so lange zugelassen, wie der Baseler Ausschuss seinen “Slotting Approach” noch nicht revidiert hat. Dies soll 2017 der Fall sein. Zuverlässig berechnenAufgrund der vorhandenen großen Datenmengen können Pfandbriefbanken die Ausfallwahrscheinlichkeiten (für den Basis-IRBA) und die Verlustquoten bei Kreditausfall (Loss Given Default LGD – zusätzlich für den fortgeschrittenen Ansatz) nach eigenen Angaben besonders zuverlässig berechnen. Wollen oder können Institute die Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht schätzen oder die Mindestanforderungen an die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht erfüllen, so müssen sie nach dem “Slotting Approach” die Risikogewichte den Forderungen unter Berücksichtigung von fünf Faktoren (Hauptrisikotreiber) zuordnen: Finanzkraft, politische und rechtliche Rahmenbedingungen, Transaktions- und/oder Vermögenswertmerkmale, Stärke des Geldgebers und des Trägers unter Berücksichtigung etwaiger Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Partnerschaften sowie Absicherungspaket.Die Beschneidung des IRBA haben die USA vorgeschlagen, da dort der fortgeschrittene Ansatz nur sehr begrenzt angewendet wird. Hingegen ist er in Europa häufig zu finden. Allerdings gibt es bei einigen Parametern deutliche Unterschiede. So liegt ein Kreditausfall im Mengengeschäft in Deutschland bei 90 Tagen Zahlungsverzug vor, in Italien erst bei 180. Die europäische Bankenaufsicht EBA will in einem Projekt diese Parameter vereinheitlichen.Der Kompromiss sieht nun vor, dass der Eigenmittelbedarf, der mit Hilfe der internen Modelle errechnet wurde, mindestens 75 % des Wertes erreichen muss, der über den KSA errechnet wurde. Dieser “Output Floor” soll schrittweise von 2021 bis 2025 eingeführt werden, beginnend 2021 mit 55 % in 5-Prozent-Schritten. Der Output Floor gilt allerdings als hochpolitisch, so dass erst das GHOS am 8. Januar endgültig darüber entscheiden dürfte.