Frank Wittholt

Ergo positioniert sich am Run-off-Markt

Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit hat die Run-off-Plattform der Ergo Marktreife erreicht. Die Munich-Re-Tochter hat eine knappe halbe Million eigene Verträge bereits migriert. Thipara soll jetzt auch Bestände anderer Lebensversicherer aufnehmen. Kaufen will die Ergo die Portfolien aber nicht.

Ergo positioniert sich am Run-off-Markt

Von Antje Kullrich, Düsseldorf

Die Ergo geht mit ihrer zusammen mit IBM entwickelten Run-off-Plattform an den Markt. „Wir haben angefangen, die Thematik auf Veranstaltungen vorzustellen und führen erste Gespräche“, sagte Frank Wittholt, Chef der Abwicklungssparte der Ergo Gruppe, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Die Plattform agiert unter dem Namen Thipara, Ergo hat sie als Joint Venture mit IBM gegründet. Thipara ist als reiner Dienstleister konzipiert. Lebensversicherer, die geschlossene Portfolien auf Dauer nicht selbst verwalten wollen, können diese auf die Plattform migrieren. Auch Finanzinvestoren, die im Run-off-Markt aktiv sind und ganze Gesellschaften oder Bestände aufkaufen, zählt Wittholt zu den potenziellen Kunden. „Wir selbst schließen strategisch einen Kauf aus“, machte der Ergo-Manager deutlich.

Viel stille Abwicklung

Das Potenzial am deutschen Markt ist nach seiner Einschätzung groß. „Ich glaube, dass am deutschen Markt 90% des Lebensversicherungsgeschäfts de facto im Run-off ist.“ Gemeint seien Tarife, in denen das vertriebliche Neugeschäft eingestellt wurde. Denn die Lebensversicherer haben in den vergangenen Jahren ihr Geschäftsmodell stark verändert und sich in der Niedrigzinsphase weitgehend vom klassischen Garantiegeschäft verabschiedet.

Die Abwicklung im eigenen Haus dürfte für viele Gesellschaften aber künftig immer mehr zur Belastung werden, glaubt Wittholt. In der Vergangenheit hätten die meisten Gesellschaften ein breites Angebot an Produkten gefahren. Über Jahrzehnte entstand ein großes Sammelsurium an Software. Die Dokumentation ist teilweise löchrig, für alte Systeme gibt es kaum noch Programmierer. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden viele Häuser in dieser Hinsicht stark unter Druck geraten“, prognostizierte Wittholt. Der Investitionsstau in der IT sei in den Bilanzen der Lebensversicherer nicht ablesbar, bei einigen Gesellschaften dürfte er nach Ansicht von Wittholt extrem hoch sein. So dürfte die Verwaltungskostenquote bei mancher Gesellschaft wegen abgeschriebener Systeme derzeit hervorragend aussehen, die Systeme sich aber am Ende ihres Lebenszyklus befinden.

Millionen Policen

Thipara als externe Abwicklungslösung sei deswegen für zahlreiche Gesellschaften geeignet, weil die Plattform laut Wittholt nahezu alles an Produkte abbilden werde, was am deutschen Markt existiert. Denn das benötigt Ergo für das eigene Run-off-Geschäft. Wittholt ist Vorstandssprecher der Ergo Leben, der Victoria Leben und der Ergo Pensionskasse. Alle drei Gesellschaften haben schon vor einiger Zeit das Neugeschäft eingestellt. Insgesamt haben sie rund 4,5 Mill. Verträge in ihren Beständen und verwalten nach Buchwerten etwa 60 Mrd. Euro Kapitalanlagen. Das entspricht nach Zahl der Policen einem Anteil von rund 5% am deutschen Lebensversicherungsmarkt.

Verkauf 2017 gekippt

Das Konzept, die Abwicklung auch Dritten anzubieten, hatte Ergo schon vor einigen Jahren öffentlich vorgestellt. Ende 2017 hatte die Munich-Re-Tochter ihren Plan, die eigenen Run-off-Portfolien zu verkaufen, nach viel Kritik zurückgezogen. Damals war externer Run-off noch ein Reputationsproblem, die am Markt tätigen Finanzinvestoren wie Cinven und Fosun wurden äußerst kritisch beäugt. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt, die Ankündigung der jüngsten großen Transaktion von Zurich mit der Cinven-Plattform Viridium verlief geräuschlos. Ergo hat sich dagegen schon vor fünf Jahren auf den Weg gemacht, als Dienstleister in den Run-off-Markt einzusteigen: „Wir haben die Plattform gleich so angelegt, dass sie mandantenfähig ist.“ Der Weg dahin ist lang und teuer. „Wir investieren massiv“, sagte Wittholt, will aber keine konkrete Summe nennen. Nur so viel: „Mit weniger als einem dreistelligen Millionenbetrag ein solches System zu konzipieren, würde ich für sehr herausfordernd halten.“

Fertig ist Thipara noch längst nicht. Die Ergo hat nach eigenen Angaben mittlerweile 450000 Verträge auf die Plattform migriert. Es handelt sich um klassische Kapitallebens- und Risikolebensversicherungen. Weitere Produktarten wie Riester-Verträge oder fondsgebundenes Geschäft werden folgen. Laut Wittholt hat Ergo jetzt den Beweis geliefert, dass die Plattform funktioniert. Er nehme sehr deutliches Interesse am Markt wahr.

White-Label-Service

Ergo bietet den externen Run-off quasi als White-Label-Produkt an. Der ursprüngliche Versicherer bleibt für den Kunden der Vertragspartner und Risikoträger. Auch die Kapitalanlageentscheidungen trifft weiter der ursprüngliche Lebensversicherer. „Wenn man im Thema Run-off heute noch überhaupt Reputationsrisiken sieht, werden sie mit unserem Ansatz vermieden“, wirbt Wittholt.

Bis die ersten externen Bestände auf der Ergo-Plattform laufen könnten, wird es jedoch noch dauern. Eine vollständige Migration, so sagte Wittholt, sei unter zwei Jahren nicht umzusetzen.

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