Frank Dornseifer, BAI

„Es darf keinen nationalen Wildwuchs geben“

Bei dem komplexen Vorhaben, die Finanzbranche nachhaltiger zu gestalten, sind nationale Alleingänge kontraproduktiv, meint Frank Dornseifer, Ge­schäfts­führer des Bundesverbandes Alternative Investments (BAI). Es brauche allgemein akzeptierte Standards und harmonisierte Regeln in Europa.

„Es darf keinen nationalen Wildwuchs geben“

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Bei dem komplexen Thema der Nachhaltigkeitsregulierung sind europäische oder besser sogar internationale Standards sinnvoll, während nationale Alleingänge von Aufsehern eher kontraproduktiv sind. Diese Ansicht vertritt Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Alternative Investments (BAI), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: „Es darf hier keinen nationalen Wildwuchs geben. Die EU ist ein Binnenmarkt, und genau auf dieser Ebene hat auch die Harmonisierung zu erfolgen. Sonst fehlt die Akzeptanz.“

Insofern zeigt er sich erleichtert, dass die deutsche Finanzaufsicht BaFin ihren geplanten Alleingang in Sachen Greenwashing, also die Irreführung von Anlegern mit vermeintlich nachhaltigen Finanzprodukten, nun zumindest mit der geplanten Nachhaltigkeitsampel des Sustainable-Finance-Beirats der Bundes­regierung abstimmen will (vgl. BZ vom 29. Juni). Dornseifer verweist darauf, dass die internationale Wertpapieraufsichtsbehörde IOSCO in Sachen Greenwashing eine Konsultation gestartet hat, um eben übergeordnete Vorgaben zu erreichen (vgl. BZ vom 30. Juni). Bis Mitte August sammelt die IOSCO nun Vorschläge dazu, wie Etikettenschwindel bei grünen Investments durch Vorgaben und Anforderungen der Aufseher verhindert werden kann und auf welche gemeinsamen Begriffe und Definitionen sich die Fondsbranche verständigen sollte.

Gerade die 244 Mitgliedsunternehmen des BAI haben der Darstellung Dornseifers zufolge ein hohes Interesse an gemeinsamen ESG-Standards (Environment, Social, Governance) in Europa. „Zwar gibt es für Private-Markets-Investments – noch – keine Ratings, was die ESG-Datenbeschaffung komplexer macht, aber dafür haben die entsprechenden Assetmanager einen direkten Kontakt zu den Objektgesellschaften und somit Zugang zu den Daten. Allerdings verwenden Assetmanager und Investoren zum Teil unterschiedliche Kennzahlen, so dass es noch keine einheitlichen Standards gibt.“

Datenformulare fehlen

Während von Seiten der EU nach der im März in Kraft getretenen Offenlegungsverordnung noch viele weitere Vorgaben geplant sind, um die Finanzbranche nachhaltiger auszugestalten – von der konkreten Ausgestaltung der EU-Taxonomie bis hin zur Einbeziehung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger in der Finanzberatung –, sind einheitliche ESG-Datenformulare zum Austausch mit den Aufsichtsbehörden (Templates) für die Finanzbranche ein zentrales Problem. Aktuell arbeiten die Standardsetzer daran. Zugleich gibt es aber auch eine Brancheninitiative, koordiniert von der auf solche Formulare spezialisierten europäischen Arbeitsgruppe Findatex (Financial Data Exchange Templates). Diese arbeitet an dem European ESG Template (EET).

„Mit Blick auf die unterschiedlichen Templates wird vor allem eines klar: Zu der Unmenge an Daten, die schon bisher – auch für aufsichtsrechtliche Zwecke – gesammelt werden, kommt eine Vielzahl von weiteren Daten hinzu, so dass unweigerlich die Frage aufkommt, ob hier ein weiterer, grüner Datenfriedhof errichtet wird“, sagt Dornseifer, der seit 2007 Geschäftsführer bei der Interessenvertretung für alternative Investments ist. Es stelle sich die Frage, ob etwa die BaFin das von einem Finanzunternehmen ausgewiesene Green Asset Ratio oder andere ESG-Kennziffern verifizieren oder die Taxonomiekonformität des Portfolios überprüfen soll. „Wird die Aufsicht von der Finanzpolizei nun auch zur Nachhaltigkeitspolizei? Und nur am Rande: Mit welchen organisatorischen und personellen Ressourcen soll das bewerkstelligt werden?“

Hinzu kommt: Es gibt keine einheitliche und allgemein akzeptierte Definition der Nachhaltigkeit. Die europäischen Vorgaben konzentrieren sich derzeit rein auf den ökologischen Aspekt und hierbei auch nur auf die Vermeidung des Klimawandels. Investoren dagegen legen auch Wert auf die sozialen Aspekte und eine gute Unternehmensführung.

Klar abgrenzen

„Es wäre für das Ziel einer nachhaltigen Finanzbranche kontraproduktiv, wenn sich die Aufseher nun zu einer Art ESG-Watchdog auf­schwingen würden. Hier müssen Kompetenzen und Zuständigkeiten klar abgegrenzt werden. Ich bin mir nicht sicher, ob hier ein einheitliches und pragmatisches Verständnis herrscht“, so der Rechtsanwalt, der früher selbst für die BaFin gearbeitet hat sowie für Andersen Legal. Es wird in der Fondsbranche bereits darüber gemutmaßt, dass die BaFin beim Thema Nachhaltigkeit eine umfassende Rolle bei der ESG-Aufsicht für sich reklamiert.

Das Thema Greenwashing, das die deutsche Aufsicht in den Fokus genommen hat, hält Dornseifer dagegen für sekundär. „Ich denke, dem Thema Greenwashing sollte man sich primär über die geplanten – europäischen – Labels und Branchenstandards und natürlich auch die Nachhaltigkeitsampel nähern, die der Sustainable-Finance-Beirat entwickelt hat. Die Aufsicht kann sich dann auch gezielt bei den Finanzunternehmen um den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement kümmern.“

Dem Entwurf der neuen Sustainable-Finance-Strategie der EU zufolge sollen unter anderem ESG-Risiken in der Rechnungslegung, in den Kreditratings und vor allem in der Aufsicht eine größere Rolle spielen (vgl. BZ vom 30. Juni). Insgesamt gibt es aus Sicht von Dornseifer aktuell beim Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Finanzbranche „viele Kochstellen auf einmal, so dass man aufpassen muss, dass nicht nirgendwo etwas anbrennt. Während in Deutschland durch das Ende der Legislaturperiode etwas Ruhe eingekehrt ist, werden in Brüssel die Kochplatten noch einmal richtig hochgedreht, allen voran mit der Sustainable-Finance-Strategie, die in die nächste Runde geht mit zahlreichen Detailregelungen zur Taxonomie und der Offenlegung.“

Dagegen konnte sich die alternative Investmentbranche über ein jüngst in Deutschland verabschiedetes Gesetz ausnahmsweise mal rundum freuen. Das Gesetz über elektronische Wertpapiere (vgl. BZ vom 6. Mai) erlaubt nicht nur, in Kryptowerte zu investieren, was für den Wertpapierhandel Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne verheißt. Außerdem ist in dem Gesetz eine Verordnungsermächtigung für das Bundesfinanzministerium enthalten, damit bald auch Fonds selbst auf die Blockchain gehoben werden können. Dies macht Verwahrer und Abwick­ler im Gegensatz zum herkömmlichen Weg überflüssig, was bis zu 65% der Kosten der Begebung eines Fondsanteils einsparen könnte.

Der für das dritte Quartal avisierten Review der EU-Richtlinie über Anbieter alternativer Investments (AIFMD) blickt Dornseifer gelassen entgegen. So stehen den Kreditfonds erweiterte Meldepflichten gegenüber der Aufsicht bevor, damit diese mögliche systemische Risiken besser im Blick haben. Außerdem soll der Fondspass für den europaweiten Vertrieb verbessert werden. Auch sollen die Anlegereinstufungen erweitert werden – vermutlich durch die Einführung einer Kategorie von semi-professionellen Anlegern wie im deutschen KAGB. Grundsätzlich soll die europäische Wertpapieraufsicht ESMA mehr Kompetenzen im AIFMD-Regime erhalten sowie die Zusammenarbeit der Behörden verbessert werden. Der Kommissionsvorschlag für die Änderungsrichtlinie wird im Herbst erwartet.

Dialog wird erschwert

Den ab August geltenden neuen Vorschriften bei der Auflegung neuer Spezialfonds (Pre-Marketing) blicken die Anbieter alternativer Investments dagegen mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie sind in Deutschland durch das Fondsstandortgesetz eingeführt worden, um eine entsprechende EU-Richtlinie nebst Verordnung umzusetzen (vgl. BZ vom 4.12.2020). Waren die Vorgaben hierzulande bislang für das Verbreiten von Informationen über Fonds im Vorfeld einer Vertriebserlaubnis und für die ersten Gespräche zwischen Fondsgesellschaften und Investoren sehr freizügig, wird das Pre-Marketing nun künftig stark formalisiert sein. Ziel der EU war es, gleiche Regeln in allen Ländern einzuführen.

Dies hat neue Anzeige- und Dokumentationspflichten gegenüber der Aufsicht zur Folge sowie ein frühzeitiges Vertriebsanzeigeverfahren. „Das ärgert uns ebenso wie die Investoren, diese neuen Regeln stören den frühen Dialog zwischen Investoren und Assetmanagern vor dem eigentlichen Vertrieb ganz erheblich. Der Mehrwert hingegen ist gering“, moniert Dornseifer. Aktuell gebe es noch keine Vorgaben der BaFin, wie mit den neuen Regeln umgegangen werden soll. Es müsse also abgewartet werden, wie die deutsche Aufsicht die Vorgaben umsetze.