Stefan Povaly, J.P. Morgan

„Es geht um Akzentuierungen, nicht um Änderungen“

Der im November angetretene Deutschland-Chef von J.P. Morgan, Stefan Povaly, signalisiert strategische Kontinuität. Forcieren will er gleichwohl Nachhaltigkeit und das Geschäft mit Tech-Unternehmen.

„Es geht um Akzentuierungen, nicht um Änderungen“

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Der neue Deutschland-Chef von J.P. Morgan bemüht sich gleich zu Beginn des Gesprächs festzuhalten, dass ihm kein Schwenk weg von der Strategie vorschwebt, welche seine nun als Co-Europa-Chefin fungierende Vorgängerin Dorothee Blessing verfolgt hat: „Wir verfügen über eine starke Plattform in Deutschland und ein exzellentes Team“, erklärt Stefan Povaly, der seit November als Senior Country Officer für Deutschland alle Geschäftsbereiche bundesweit verantwortet; der Europa-Einheit J.P. Morgan AG, die infolge des Brexits ihre Bilanzsumme kräftig ausweitet, sitzt Stefan Behr vor.

„Es geht also um Akzentuierungen, nicht um Änderungen“, betont Povaly. Dann streicht er gleichwohl heraus: „Das Thema Nachhaltigkeit und ESG möchten wir weiterhin sehr fokussiert vorantreiben.“ Das entsprechende, vor einem Jahr in London gebildete ESG-Advisory-Team habe die Bank verstärkt, erklärt er und verweist auf die Berufung von Chuka Umunna, des einstigen Shooting Stars der Labour Party, als ESG-Beauftragten für die Region Europa, Nahost und Afrika (EMEA). Es gebe eine hohe Korrelation zwischen der Performance im Sektor ESG und der Anleger-Resonanz, sagt er.

Dem Manager ist bewusst, dass die Bank, in vielen Disziplinen des Kapitalmarktgeschäfts zu den Marktführern zählend, bei ESG noch Luft nach oben hat. So listet der von Nichtregierungsorganisationen erstellte Bericht „Banking on Climate Change“ für das vergangene Jahr die US-Großbank als Nummer-1-Finanziererin fossiler Aktivitäten auf. Demnach hat J.P.Morgan seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens 2015 in diesem Segment rund 270 Mrd. Dollar ausgereicht und damit nahezu 10% des Volumens der 35 größten Banken weltweit. Bedenken im Markt habe die Bank proaktiv adressiert, erklärt Povaly. „Unsere ESG-Ratings haben sich in den vergangenen 18 Monaten stark verbessert.“ Die Bank habe sich auf eine Milliardeninvestition verpflichtet, um dem Pariser Klimaabkommen gerecht zu werden, und im vergangenen Jahr überdies ein Center for Carbon Transition ins Leben gerufen.

Als weiteren Schwerpunkt seiner Agenda nennt Povaly Technologie. Das Segment ist grundsätzlich ein Heimspiel für J.P. Morgan, die jährlich für die Modernisierung und Entwicklung ihres Apparats und von Produkten rund 11 Mrd. Dollar lockermacht. Vor diesem Hintergrund dürfte es dem Haus leichter fallen, glaubwürdiger aufzutreten als in Sachen ESG. „Sowohl im Beratungs- als auch im Kapitalmarktgeschäft wollen wir Wachstumsunternehmen verstärkt an den privaten und an den öffentlichen Kapitalmarkt heranführen“, sagt Povaly. „Dies ist für uns weiterhin ein massiver Fokus, und gerade in Deutschland sehen wir da großes Potenzial und großartige Ideen.“

Gute alte Schule

Auf die Suche nach Mandaten geht es dabei ungeachtet aller Technikinvestitionen für die Banker nach guter alter Schule: über Beziehungen und Gespräche. Neue Möglichkeiten hat die Bank in der Pandemie gleichwohl in der Beratung ausgemacht. Povaly zufolge hat die Bank Arbeitsmethoden dezentralisiert. „Wir sind eine lokale Bank mit globaler Präsenz. Wenn wir also mit einem Kunden in Berlin zusammenarbeiten, der beispielsweise nach Asien oder anderswohin expandieren möchte, können wir relevante Teams aus dem gesamten Unternehmen aus der ganzen Welt einbeziehen, um dem Kunden dabei zu helfen, seine Ziele zu erreichen.“ J.P. Morgan attestiert Povaly vor diesem Hintergrund den Vorteil, als eine global tätige Bank auch weltweite Expertise in die Waagschale werfen zu können. Das differenz­iere J.P. Morgan von den lokalen An­bietern.

Zu den Themen im Investment Banking zählt er neben dem omnipräsenten Trend zu Spacs auch in Europa unter anderem strategische Überlegungen von Unternehmen, die sich angesichts der Pandemie fragen, ob sie neue Produkte oder neue Bereiche brauchen. Diese Debatten fänden in konsumentenfokussierten Branchen ebenso statt wie in um Zukunftsfähigkeit bemühten Industriesektoren, erklärt der Manager.

Die jüngst aufgeflammte Debatte über Inflation verfolgt er recht gelassen. Zwar werde das Thema mit Kunden diskutiert. Aber: „Ich glaube die Hauptthemen sind noch immer andere, und zwar: Welche Erholung sehen wir in der Realwirtschaft? Und welchen Erfolg haben die Impfkampagnen? Es geht nach wie vor ums Eingemachte und darum, wie sich Deutschland von diesen Auswirkungen der Pandemie erholen kann.“