ESMA plädiert für Nachhaltigkeit

Soziale, ökologische und ökonomische Kriterien als Mittel gegen kurzfristige Orientierung am Kapitalmarkt

ESMA plädiert für Nachhaltigkeit

Die EU-Wertpapieraufsicht ESMA warnt vor einem zu kurzfristigen Agieren am Kapitalmarkt – und empfiehlt nachhaltige Kriterien zur Vorbeugung. Weil es an vergleichbaren Daten mangele, sei eine Erweiterung der Offenlegungsregeln sinnvoll. Auch auf die variable Vergütung wirft die Behörde einen kritischen Blick.jsc Frankfurt – Die EU-Wertpapieraufsicht ESMA schaltet sich in die Debatte über die nachhaltige Kapitalanlage ein: Um allzu kurzfristig orientiertes Handeln an den Kapitalmärkten vorzubeugen, könnte die Offenlegung und die Qualität der Daten weiterentwickelt werden, regt die Behörde in einem aktuellen Bericht über Trends und Risiken im Finanzmarkt und die Verwundbarkeit der Finanzbranche an. Nachhaltigkeit gemäß sozialer, ökologischer und ökonomischer Kriterien erfordere umfangreiche, langfristig orientierte Investitionen und sei somit ein Mittel gegen Kurzfristigkeit. “Nachhaltigkeit kann sich nicht in einem Kontext entwickeln, der von kurzfristigen Erwägungen dominiert wird.”Ein Mangel an vergleichbaren Daten durch Unternehmen stehe dem Segment jedoch im Weg. Die Behörde hatte daher der EU-Kommission bereits im Dezember bindende Offenlegungspflichten für Unternehmen nahegelegt. Auch regt die Behörde einheitliche Standards an, die schrittweise eingeführt werden könnten. Wirtschaftsprüfer könnten künftig nicht nur die Existenz von Berichten zur Nachhaltigkeit prüfen, sondern auch Inhalt und Konsistenz der Angaben. Boni verengen die SichtEin “exzessiver Fokus” auf kurzfristige Ergebnisse in der Unternehmensführung und der Kapitalanlage ist nach Einschätzung der ESMA ein mögliches Ergebnis der variablen Vergütung in der Konzernspitze und im Fondsmanagement. Die jüngste Kursentwicklung oder Fondsperformance ist demnach häufig für die variable Vergütung entscheidend. In verschiedenen Anlageklassen macht die variable Komponente in der Bezahlung von Fondsmanagern häufig mehr als die Hälfte der Entlohnung aus. Dabei orientiert sich die Bezahlung oft an einer Entwicklung zwischen einem und vier Jahren. Die Behörde hatte die Branche Mitte 2019 zur Kurzfristigkeit befragt.Die Selbstwahrnehmung der Befragten spricht aber bereits heute für eine langfristige Ausrichtung: Mehr als zwei Drittel der Investmentverantwortlichen ist nach eigenen Angaben “langfristig” orientiert; die übrigen Akteure begründen ihr kurzfristiges Agieren häufig mit dem Bedarf nach Liquidität, dem Anlegerwillen oder dem Produkttyp. Auch blicken die befragten Marktakteure, ähnlich wie auch die ESMA, kritisch auf Analystenberichte, die demnach ebenfalls eine kurzfristige Sichtweise begünstigen. Die an Marktpreisen ausgerichtete Fair-Value-Bewertung gemäß dem Bilanzierungsstandards IFRS führt nach Einschätzung der ESMA und der befragten Marktteilnehmer derweil nicht unbedingt zu Kurzfristigkeit, auch wenn die Methodik schwankende Ergebnisse nach sich zieht. Indexfonds sind Sorgenkind Kritisch blickt die ESMA aber nicht nur auf aktive Fondsmanager, sondern auf das regelbasierte Agieren der Indexfonds. In einem weiteren Kapitel rechnet die Behörde die Folgen einer möglichen Bonitätskrise am Anleihemarkt durch. Wenn die Ratings diverser Papiere plötzlich auf Ramschniveau absacken, wären Indexfonds demnach gezwungen, zahlreiche Papiere mit nunmehr unzureichender Bonität zu verkaufen. Ein weiterer Kursrutsch der Anleihen und ein Anstieg der ausgewiesenen Renditen wären somit die Folge. Da aktiv verwaltete Fonds flexibler agierten, sei ihr Effekt auf die Marktpreise im Krisenfall vermutlich geringer, schätzt die ESMA – sofern nicht allzu viele Investoren und Fondsmanager versuchten, anderen Marktteilnehmern durch rasche Verkäufe voraus zu sein.