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EU-Aufsichtsbehörden stehen vor einer Strukturreform

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt Börsen-Zeitung, 22.6.2017 Die Struktur der EU-Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) ist in die Jahre gekommen und soll reformiert werden. Treiber der laufenden Diskussion ist die Tatsache,...

EU-Aufsichtsbehörden stehen vor einer Strukturreform

Von Silke Stoltenberg, FrankfurtDie Struktur der EU-Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) ist in die Jahre gekommen und soll reformiert werden. Treiber der laufenden Diskussion ist die Tatsache, dass die Bankenaufsicht EBA wegen des Brexits aus London wegziehen muss. Nur wenige Ideen der EU-Politiker für eine ESA-Reform stoßen allerdings auf Wohlwollen der Finanzbranche.Die Überlegungen, wegen des notwendigen Wegzugs die EBA mit der Versicheraufsicht EIOPA zusammenzulegen, findet immerhin Anklang in der Branche. Man hofft auf Effizienzgewinne. Dass Frankfurt dabei als Standort in der engeren Auswahl steht, wird wegen der Nähe zur EZB-Bankenaufsicht begrüßt. Zumal die EIOPA ohnehin dort ihren Sitz hat, was für eine Zusammenlegung von EBA und EIOPA am Main spricht.Die anderen Reformüberlegungen indes werden von der Finanzbranche zum Teil in Bausch und Bogen abgelehnt. Übles Bauchweh bereitet, dass wie bei nationaler Aufsicht und EZB-Bankenaufsicht bei den ESA eine Vollfinanzierung durch die Überwachten erwogen wird. “Das halte ich staatsrechtlich für bedenklich”, wendet Thomas Richter ein, Hauptgeschäftsführer des Fondsverband BVI. Derzeit wird der Etat zu 60 % durch die nationalen Aufseher und damit durch die Branche sowie zu 40 % durch die EU-Kommission finanziert. Die EU-Aufsichtsbehörden seien “im Auftrag der Kommission hoheitlich tätig”. Sie bereiteten die Umsetzung der Regulierung durch delegierte Rechtsakte oder technische Standards vor und wirkten durch Leitlinien und Empfehlungen auf ihre einheitliche Umsetzung hin. “Bei einer Vollfinanzierung durch die Industrie wäre es in etwa so, als würden Verkehrskontrollen der Polizei künftig nicht mehr über Steuern finanziert, sondern durch jährliche Gebühren aller Verkehrsteilnehmer”, so Richter. Kostenexplosion befürchtetZudem befürchtet der BVI-Hauptgeschäftsführer, dass die Kosten der Behörden explodieren, sobald es keine staatliche Finanzierung mehr gibt und damit die Kontrolle wegfällt. “Es wird immer Argumente geben, um Personalstand und Budget zu erhöhen.” Je mehr Mitarbeiter, umso mehr neue Ideen für neue Regulierung, die wiederum überwacht werden müsse – dann drehe sich die Regulierungsspirale immer weiter, “obwohl die Politik seit Jahren darüber redet, bei der Regulierung innezuhalten und sie auf Inkonsistenzen zu prüfen”. Auch die deutschen Bankenverbände, die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), fordern aus ähnlichen Beweggründen eine “Beibehaltung der gegenwärtigen Finanzierungsregelung”.Wobei die Finanzbranche durchaus gesprächsbereit ist über die Höhe des Budgets und die Aufteilung der Kosten zwischen nationalen Aufsehern und Kommission. Denn die ESA beklagen sich schon seit langem, dass ihr Budget vorn und hinten nicht ausreicht für die vielen Aufgaben und dringend erhöht werden muss. Richter zufolge hat sich die Diskussion über die Finanzierung derweil zugunsten der Finanzbranche gedreht. Aktuell sei die Vollfinanzierung nicht mehr der präferierte Weg der Politik.Im Zuge eines EU-Konsultationsverfahrens zu den ESA hob die deutsche Finanzbranche in ihren Stellungnahmen hervor, dass die Behörden auf ihre Kernaufgaben zurückgeführt und ihr Mandat klarer definiert werden müsse. Tatsächlich haben sich die ESA bei der Umsetzungsvorbereitung von Richtlinien und Verordnungen in der jüngsten Vergangenheit von den Vorgaben der EU-Kommission teils stark entfernt und zum großen Missfallen der Finanzbranche emanzipiert. So dachte sich die ESMA bei Mifid II – trotz der klaren Vorgabe der EU-Kommission, dass die Provisionsberatung erlaubt bleiben soll – auf der Level-2-Ebene solch rigide Voraussetzungen für dieses Beratungsmodell aus, dass dies faktisch einem Verbot des in Deutschland verbreiteten Konzepts gleichgekommen wäre. Wiederholt seien bei den ESA “Überschreitungen der Vorgaben des europäischen Gesetzgebers und eine Tendenz zur Selbstmandatierung im Hinblick auf Leitlinien und Empfehlungen festzustellen gewesen”, beklagen sich die Bankenverbände.Eine mögliche Kompetenzerweiterung der ESA wird daher in der Finanzbranche äußerst kritisch gesehen. Der diskutierte politische Kompromiss, bei einer Verschlankung auf zwei Behörden und einem Zuschlag für Frankfurt bei der kombinierten EBA-EIOPA Frankreich als Zugeständnis eine Aufwertung der ESMA durch die Einführung einer Verhaltensaufsicht für die Finanzbranche zu gewähren, sorgt für blankes Entsetzen. Bislang sind die europäischen Aufseher für die prudentielle Aufsicht zuständig (Basel, Solvency, Bankenunion) und die nationalen Kollegen für die Verhaltenskontrolle. Diese wiederum ist bei der BaFin noch einmal unterteilt in die Segmente Banken-, Versicherer- und Wertpapieraufsicht. Blankes EntsetzenFür die wenigen vollharmonisierten Fondsvehikel wie der Fonds für soziales Unternehmertum Eusef oder der Infrastrukturfonds Eltif wäre eine europäische Verhaltensaufsicht hinnehmbar, sagt Richter. “Aber für das Gros unseres Geschäfts nicht, da es bei der Umsetzung etwa der Ogaw-Richtlinie nationale Unterschiede gibt.” Erst würde die EU bewusst nationale Unterschiede tolerieren und den Weg der national gestaltbaren Richtlinie wählen und dann sollten diese Unterschiede durch die Hintertür wieder eingeebnet werden, echauffiert sich Richter. Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung sei dies sehr fragwürdig. Der richtige Weg sei doch vielmehr, die Gesetze von vornherein so auszugestalten wie gewünscht. ÄquivalenzprinzipAuch die deutschen Banken und Sparkassen sind entschieden gegen eine Zuständigkeit der ESMA für den Verbraucherschutz. Diese habe in der Vergangenheit schon zu häufig “politisch” agiert und habe versucht, “Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers auszuhebeln, was aus demokratischen und rechtsstaatlichen Erwägungen problematisch” sei. Zudem sei der Verbraucherschutz eng mit nationalen Rechtsvorschriften unter anderem im Zivilrecht verwoben, so dass ein optimaler Verbraucherschutz in den Händen nationaler Aufsichtsbehörden besser zu gewährleisten sei. Die verschiedenen nationalen Aufsichtspraktiken ließen Raum für eine weiter vertiefte aufsichtliche Konvergenz, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.Die Idee, dass die ESA mit Blick auf den Brexit die Überwachung des Äquivalenzprinzips bei der Regulierung in Drittstaaten übernehmen soll, wird von der Finanzbranche begrüßt. Dies mache Sinn, meint die DK. “Der ESA-Ausschuss wäre prädestiniert dafür, das Äquivalenzprinzip bei der Regulierung in Drittstaaten zu überwachen”, betont Richter.