Großbank

EU-Einheit von J.P. Morgan wird zum Schwergewicht

Die Europa-Einheit von J.P. Morgan mutiert zum Schwergewicht im deutschen Bankensektor. Verlagerungen vor allem von Handelspositionen im Zuge des britischen EU-Austritts lassen die Bilanzsumme der J.P. Morgan AG explodieren, wie der Geschäftsbericht 2020 zeigt. 2022 steht nochmals ein Schub an.

EU-Einheit von J.P. Morgan wird zum Schwergewicht

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die in Frankfurt angesiedelte EU-Einheit von J.P. Morgan macht sich infolge brexitbedingter Verlagerungen im deutschen Bankenmarkt breit. Für 2021 plant die J.P. Morgan AG mit Wachstumsraten, die man eher von überoptimistischen Start-ups erwartet als von einer Großbank. Nachdem sich die Bilanzsumme laut Geschäftsbericht bereits 2020 von 64 Mrd. auf 244 Mrd. Euro knapp vervierfacht hat, kündigt das Institut an, dass sie „bis Ende 2021 ähnlich wie im Vorjahr ansteigen könnte“. Dies liefe, eine Bilanzverlängerung um abermals 180 Mrd. unterstellt, auf ein Volumen von rund 425 Mrd. Euro hinaus. Damit würde die EU-Einheit Adressen wie die LBBW (276 Mrd. Euro) oder die BayernLB (256 Mrd. Euro) deutlich hinter sich lassen und zur Nummer vier nach Bilanzsumme im deutschen Markt hinter der Deutschen Bank, der DZBank und der Commerzbank avancieren.

Dicker Brocken

Für die Explosion der Bilanzsumme sorgt nicht nur die Verlagerung von Handels- und Risikopositionen von der Insel auf den Kontinent im großen Stil, sondern auch die Rechnungslegung. Die britischen, gemäß US-GAAP bilanzierenden Einheiten dürfen Derivatepositionen miteinander verrechnen, der nach IFRS-Vorgaben vorgehenden, seit November von Stefan Behr geleiteten J.P. Morgan AG ist dies verwehrt. Da die Europa-Einheit kein Retail-Geschäft betreibt und zudem in den Konzernverbund der US-Bank eingebunden ist, zählt sie wohlgemerkt nur einen Bruchteil der Mitarbeiter der Wettbewerber. Ende 2021 dürfte sie eigenen Angaben zufolge rund 1300 Leute beschäftigen, das wären 30% mehr als Ende 2020. Wie im Falle des Konkurrenten Citigroup hat die Pandemie ohnehin die Verlagerung von Mitarbeitern verzögert. J.P Morgan dürfte der dickste Brocken gewesen sein, mit dem die europäische Bankenaufsicht klären musste, welche Aktivitäten angesichts des Brexits in die EU-27 zu verlagern gewesen sind.

Den entsprechenden Transfer von Assets von Risikopositionen, für welche die J.P. Morgan AG die zentrale Risikomanagement-Einheit des Konzerns werden soll, sowie die Übernahme von Handelspositionen will das Haus bis Jahresende abschließen, wie im Geschäftsbericht zu lesen ist. Die fürs kommende Jahr, unabhängig vom Brexit, geplante Verschmelzung der Einheiten in Luxemburg und Irland auf die EU-Einheit dürften dieser 2022 abermals einen Schub verleihen. Das Kalkül des Managements: Eine Einheit lässt sich einfacher steuern als drei. Zudem ergänzen sich die AG, deren Kapitalmarktgeschäft tendenziell Liquidität benötigt, und die einlagenlastige Luxemburger Einheit, die unter anderem das Private Banking umfasst, recht gut.

Die Rendite soll zulegen

Neue Positionen im Marktgeschäft, ein Ausbau von Kundenbeziehungen dort sowie steigende Kreditrisiken dürften die Risikoaktiva der J.P. Morgan AG im laufenden Jahr um bis zu 75% erhöhen, wie es im Geschäftsbericht heißt. Weitere Kapitalerhöhungen sollen derweil sicherstellen, dass die Kernkapitalquote dabei nicht unter 20% fällt. Das Vorsteuerergebnis wird dem rund 200 Seiten starken Geschäftsbericht zufolge nach einem rasanten Zuwachs 2020 (siehe Tabelle) im laufenden Jahr „noch einmal deutlich steigen“ und die Eigenkapitalrendite von 1,1% auf 2,7% hieven. Der Ergebnisentwicklung dürfte dabei zugutekommen, dass die Bank die Risikovorsorge im vergangenen Jahr bereits auf 177 Mill. knapp verachtfacht hat und daher im laufenden Berichtsturnus bei einem wenngleich vorsichtigen wirtschaftlichen Ausblick nur mehr mit einer Aufstockung der Rückstellungen um rund Zehntel rechnet. Zugleich aber stellt sich das Institut auf einen Anstieg des Gesamtaufwands um 300% ein. So dürften Investitionen in den Ausbau des Geschäfts im Segment Commercial Banking dessen Zins- und Provisionsergebnis zwar um rund 50% treiben, dort zugleich aber einen kleinen Verlust nach sich ziehen. Generell soll der Status als primäre Geschäftseinheit der Corporate & Investment Bank für Kunden im Europäischen Wirtschaftsraum der AG eine erhebliche Steigerung des Zins- und Provisionsergebnisses bescheren, wobei das Segment Markets rund 70% der Einnahmen beisteuern und den Umsatz verdreifachen soll. Vom Segment Banking erwartet das Institut eine Verdopplung des Zins- und Provisionsergebnisses vor allem dank des Investment Bankings. Auch ansonsten ist das Haus auf Wachstum gepolt und geht davon aus, dass es in den nächsten Jahren nicht mehr nur den „High Value“-Zahlungsverkehr im Euro global verantworten wird, sondern auch den Massenzahlungsverkehr für Firmenkunden und Finanzinstitute.

2020 hat der Überschuss von 140 Mill. Euro die Erwartung „trotz deutlich höherer Risikovorsorge im Kreditgeschäft nahezu erfüllt“, wie es heißt. Den Absturz des Zinsüberschusses auf knapp 100000 Euro erklärt die Bank mit dem Zinsumfeld. Sie verweist auf den „Anstieg der im Posten Barmittel und Zentralbankguthaben ausgewiesenen Guthaben bei der Deutschen Bundesbank“ als „maßgebliche Einflussgröße“.

J.P. Morgan AG
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. Euro20202019
Zinsüberschuss035
Provisionsüberschuss707232
Risikovorsorge17720
Verwaltungsaufwand380156
Ergebnis vor Steuern17671
Steueraufwand3622
Jahresüberschuss14049
Aufwandsquote (%)52,464
Eigenkapitalrendite (%)1,10,9
Eigenkapital130125143
Kernkapitalquote (%)30,527,8
Bilanzsumme244 61864 446
Börsen-Zeitung