EU-Kommission greift Geschäftsmodell von Neobrokern an
ahe Brüssel
Neobroker, die Orders ihrer Retailkunden gegen Provision zentral an Handelshäuser weiterleiten, droht massiver Gegenwind aus Brüssel. Die EU-Kommission will dieses „Payment for Orderflow“-Geschäftsmodell nun verbieten. Das Verbot verspreche, die Qualität der Order-Ausführungen für Privatanleger zu erhöhen und die Vorhandelstransparenz aller Ausführungsplattformen zu erhöhen, die Einzelhandelsaufträge ausführen, heißt es in einer Überarbeitung der europäischen Kapitalverordnung Mifir, die die EU-Kommission in Kürze veröffentlichen wird und die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Die Erwartung sei, dass ohne das kontroverse Modell die Orders von Kleinanlegern über einen transparenten Pre-Trade-Markt abgewickelt werden, ist dort zu lesen.
Payment for Orderflow war unter anderem zu Jahresbeginn bei den Ereignissen rund um die Game-Stop-Aktie in den Fokus gerückt. Für die Kunden ist das System günstig oder sogar kostenlos. In der Diskussion wurden aber mögliche Interessenkonflikte der Broker, die Kostentransparenz und die Ausführungsqualität beanstandet. Auch der neue BaFin-Chef Mark Branson hatte ein Verbot schon ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Befürworter wie Trade-Republic-Chef Christian Hecker sehen das Geschäftsmodell hingegen zu Unrecht in der Kritik. Hecker hatte im Interview mit der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 18. November) unter anderem darauf verwiesen, dass dem Markt so auch zusätzliche Liquidität zugeführt werde und er damit besser werde.
Der Europaabgeordnete Markus Ferber zeigt sich grundsätzlich zufrieden, dass die EU-Kommission dieses Thema nun endlich angeht. „Wir müssen aber sehr genau schauen, ob ein Verbot die einzig gangbare Lösung ist oder ob es nicht auch andere Möglichkeiten gibt, um Waffengleichheit zwischen traditionellen Vertriebskanälen und Finanz-Apps herzustellen“, erklärt der CSU-Finanzexperte.
Bündelung von Handelsdaten
Zu den wesentlichen Vorschlägen in der Mifir-Verordnung gehört zudem die Bereitstellung eines konsolidierten Datenträgers („Consolidated Tape“). Dieses soll mehr Preistransparenz schaffen, indem dort die wesentlichen Handelsinformationen aller europäischer Handelsplätze gebündelt und den Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Es geht hier insbesondere um Informationen zu Eigenkapital und eigenkapitalähnlichen Instrumenten. Dies wäre nach Meinung der Kommission auch ein Schritt gegen die Zersplitterung der Märkte in der EU und würde zugleich der Finanzaufsicht das Leben leichter machen.
Der Anbieter des konsolidierten Datenträgers soll von der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA in einer Ausschreibung bestimmt werden. Der ESMA bleibt es dann auch überlassen festzulegen, was der Zugang zu dieser zentralen Datenbank kosten darf, mit welcher Vergütung diejenigen rechnen dürfen, die die Daten bereitstellen, und mit welcher Verzögerung diese Daten dann veröffentlicht werden.
Im Zuge der Mifir-Review will die EU-Kommission darüber hinaus die Möglichkeit einführen, die Derivatehandelspflicht (DTO) für bestimmte Wertpapierfirmen auszusetzen, die bei einer Interaktion mit Nicht-EU-Gegenparteien auf Nicht-EU-Plattformen überlappenden Verpflichtungen unterliegen würden. Die Brüsseler Behörde beruft sich hier auf entsprechende Empfehlungen der Aufsichtsbehörde ESMA.
Der neue, eigenständige Aussetzungsmechanismus kann dem vorliegenden Entwurf zufolge auf Antrag der zuständigen Behörde eines EU-Mitgliedstaates aktiviert werden – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind – und ergeht dann in Form eines von der Europäischen Kommission erlassenen Durchführungsrechtsakts. Die Änderungen in der Verordnung werden damit auch an die Clearingpflichten für Derivate angepasst, die bereits in der Marktinfrastrukturverordnung Emir stehen. Die Mifir-Überarbeitung und die damit einhergehende kleinere technische Anpassung der dazugehörigen Richtlinie Mifid II sind Teil eines größeren Pakets zur Stärkung der Kapitalmarktunion, das voraussichtlich am Dienstag vorgestellt wird.