IM BLICKFELD

EU nimmt neuen Anlauf gegen Geldwäsche

Von Tobias Fischer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.12.2019 Die jüngsten Vorstöße der EU könnten dem bislang weitgehend dys-funktionalen europäischen Geldwäscheaufsichtssystem echte Schlag-kraft verleihen. Die EU-Finanzminister haben der EU-Kommission...

EU nimmt neuen Anlauf gegen Geldwäsche

Von Tobias Fischer, FrankfurtDie jüngsten Vorstöße der EU könnten dem bislang weitgehend dys-funktionalen europäischen Geldwäscheaufsichtssystem echte Schlag-kraft verleihen. Die EU-Finanzminister haben der EU-Kommission am Donnerstag mit auf den Weg gegeben, eine Anti-Geldwäsche-Aufsicht aufzubauen (s. Kasten). Dass die in Europa in den vergangenen zwei Jahren beispiellose Aneinanderreihung publik gewordener Geldwäschevorfälle damit ein Ende nimmt, ist zwar zu bezweifeln. Doch je entwickelter die Technologie, desto eher fördern Monitoringsysteme Verstöße zutage – die meist viele Jahre zurückliegen. Ein “signifikantes” oder “sehr signifikantes” Geldwäscherisiko schrieben 60 % der nationalen Aufseher Europas dem Finanzsektor 2017 zu, gaben sie den europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) laut einer vor zwei Monaten erschienenen gemeinsamen Stellungnahme zu Protokoll. Die Einschätzung, dass allein binnen eines Jahres mit drei, vier internationalen Geldwäschefällen zu rechnen sei, war im Sommer aus Aufsichtskreisen zu erfahren.Die EU hat die Probleme aber zumindest erkannt und scheint ernsthaft gewillt, sie anzugehen. Das hilflose Agieren verschiedener national- wie überstaatlicher Akteure – ein Flickenteppich an Zuständigkeiten – hat ein Neben- und Durcheinander hervorgebracht, das Verantwortungslosigkeit und Untätigkeit Vorschub leistet. Ideale Bedingungen für Leute, Institutionen und Staaten mit krimineller Energie also.Unzählige, zumindest mutmaßliche Geldwäscheverfehlungen von europäischen Finanzinstituten sind seit Beginn des vergangenen Jahres publik geworden, so von ABLV, Versobank, ABN Amro, Danske, Credit Suisse, Julius Bär, ING, Standard Chartered, UBS, Rabobank, Deutscher Bank, Pilatus, Swedbank, DNB, Bank of Valletta und SEB. Mitunter wurde seitens der Behörden durchaus zugelangt. Weil Kunden “jahrelang ING-Bankkonten weitgehend ungestört für kriminelle Aktivitäten nutzen konnten”, wie die Staatsanwaltschaft erklärte, musste ING 775 Mill. Euro zahlen. Die neue Härte vermochte ING passabel wegzustecken: Keine 16 Tage brauchte die größte Bank der Niederlande im Schnitt, um Erträge in Höhe des Strafmaßes zu erwirtschaften.Aber nicht nur die Banken haben sich bei groben Vergehen oder handfesten Unzulänglichkeiten in der Geldwäschebekämpfung erwischen lassen. Auch die Aufsicht steht mitunter in der Kritik, wenn nicht gar im Verruf, durch allzu aktives Wegsehen manche Machenschaft ihrer Schutzbefohlenen überhaupt erst ermöglicht zu haben. Beispiel Malta: Jahrelang ging die Maltese Financial Services Authority trotz bekannter eklatanter Mängel nicht gegen die von ihr beaufsichtigte Pilatus Bank vor. Die ist mittlerweile abgewickelt, die EZB hat ihr die Lizenz entzogen. Die europäische Bankenregulierungsbehörde EBA hatte die Malteser in Augenschein genommen, ihnen aber keine Rechtsbrüche nachweisen können. Noch mehr Kritik hat der EBA die Entscheidung eingebracht, im Zuge der Danske-Affäre nicht gegen die dänische und estnische Finanzaufsicht vorzugehen, denen Mängel in der Aufsicht vorgeworfen worden waren. Der aus Abgesandten der EU-Mitgliedstaaten zusammengesetzte Board of Supervisors hatte sich Ende April dagegen ausgesprochen, ein Verfahren wegen Verletzung des EU-Rechts einzuleiten – zum Entsetzen der EU-Kommission.So wie die beiden nationalen Behörden schließlich aufeinander losgingen und sich gegenseitig die Schuld für die Danske-Misere zuschoben, wird überhaupt gern auf andere verwiesen, um deutlich zu machen, selbst nicht verantwortlich zu sein. Das ist bisweilen angesichts der bestehenden Konstruktion ebenso stichhaltig wie unbefriedigend. Weil sich so mancher Staatenlenker bei der Regelsetzung als wenig erpicht zeigte, Insignien nationalstaatlicher Macht preiszugeben, ist in der EU Geldwäscheprävention Ländersache. Nur hat das im Hoheitsgebiet der EZB-Bankenaufsicht angesichts der grenzüberschreitenden Dimension des Problems zu nichts geführt.Wirklich rege werden Bankmanager nicht Europas Aufsichtswesen wegen, sondern aus Angst, von den Amerikanern ins Visier genommen zu werden. Die fackeln nicht lange, schon gar nicht, wenn obendrein Sanktionsverstöße ruchbar werden. Beispiel ABLV: Nachdem das US-Finanzministerium die drittgrößte Bank Lettlands als Geldwäscherisiko bezeichnet und den Zugang zum US-Finanzsystem gekappt hatte, war das Schicksal des unter unmittelbarer EZB-Aufsicht stehenden Instituts besiegelt.In Europa ist in den vergangenen zwei Jahren einiges geschehen. Banken haben Risiken abgebaut durch die Aufgabe von kritischen Geschäften und Kunden, haben sich massenweise als Korrespondenzinstitute zurückgezogen, neue EU-Geldwäscherichtlinien wurden verabschiedet, die EBA zur Anti-Geldwäsche-Vorkämpferin ausgelobt. Nur reicht das nicht. So werden etwa diesem Anliegen weder die plangemäß zehn Vollzeitkräfte gerecht, noch die gouvernementale Zusammensetzung ihrer Entscheidungsebene. Derart abhängig und ohne echte Sanktionsmöglichkeiten wird die EBA nicht ernst genommen. Ernüchternde ErfahrungenAuch wenn es in der jüngsten Vergangenheit nicht an Absichtserklärungen ermangelte, zeichnet sich ob der ernüchternden Erfahrungen ein Sinneswandel ab. Die Nationalstaaten selbst, die ihre Interessen im Rat der Europäischen Union vertreten, fordern den Aufbau einer dem Kampf gegen Geldwäsche verpflichteten Behörde. Egal, ob gänzlich neu oder als generalüberholte EBA ausgestaltet, wären ihr “bestimmte Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich der Überwachung bei der Geldwäschebekämpfung einer Unionseinrichtung zu übertragen, bei der es sich um eine unabhängige Einrichtung handeln würde”, die mit Durchgriffsrechten ausgestattet wäre, fordern die Finanzminister. Zudem ist die Erkenntnis gereift, dass “parallel dazu” eine unmittelbar wirksame Geldwäscheverordnung zu verabschieden sei anstatt der bisherigen Richtlinien, die allzu viel nationalen Ermessensspielraum eröffnen.