Fondsregulierung

EU will Fondsschließungen künftig vermeiden

Vor dem Hintergrund zahlreicher Fondsschließungen hat die EU Vorschläge zur Überarbeitung der Liquiditätssteuerung vorgelegt, die derzeit den Prozess durchlaufen. Die Ideen sind umstritten.

EU will Fondsschließungen künftig vermeiden

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Vor dem Hintergrund zahlreicher Fondsschließungen in den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission Vorschläge zur Überarbeitung der Richtlinien für Fonds vorgelegt. Die jetzt im parlamentarischen Prozess befindlichen Änderungen sehen neue Regeln im Liquiditäts­risikomanagement vor, wo es nationale Vorgaben gibt, es aber an einem EU-weiten Ansatz fehlt. Laut dem Financial Stability Review der EZB im Mai 2022 kam es nach der Coronakrise es im europäischen Investmentfondssektor zu schwerwiegenden Liquiditätsproblemen, bei denen mehr als 200 Fonds die Rücknahmen zumeist für einige Tage aussetzen mussten. Ursache waren Bewertungsverluste und Nettoabflüsse, hauptsächlich bei Immobilien- und Rentenfonds. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges mussten ebenfalls mehrere Fonds ausgesetzt werden. Allerdings betraf dies das eher kleine Segment von Osteuropafonds. Die Entwicklungen führten auch nicht zu einem größeren Ansturm auf die Fonds.

Aussetzungen beschränken die Möglichkeiten der Anleger und können zu Reputationsverlusten führen, warnt die EZB. Die EU-Kommission hat in ihren Vorschlägen zur Überarbeitung der OGAW- und der AIFM-Richtlinien Regeln zum Liquiditätsmanagement aufgenommen. Im Gesetzgebungsprozess hat nun das EU-Parlament Stellung genommen. Im Berichtsentwurf hob das Parlament die Verantwortung des Vermögensverwalters beim Liquiditätsrisikomanagement im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission hervor. Zwischenzeitlich hatte im Raum gestanden, dass Behörden über Rechtsakte eingreifen dürften.

Die Fondsbranche geht auf Distanz. „Die jüngsten Krisen haben gezeigt, dass sie schwer vorhersehbar sind, einschließlich ihrer Auswirkungen auf Investmentfonds“, kommentiert Tanguy van de Werve, Generaldirektor des europäischen Fondsverbands Efama. „Es wäre dem Anlegerschutz und der Finanzstabilität im Allgemeinen abträglich, wenn versucht würde, das fundierte Ermessen des Vermögensverwalters durch das einer externen Partei zu ersetzen.“ Der Verband fordert, dass nur die Fondsgesellschaften entscheiden dürfen, ob und wann ein bestimmtes Liquiditätsmanagement-Tool (LMT) aktiviert werden soll. Andernfalls seien prozyklische Effekte zu befürchten.

BVI bleibt zurückhaltend

Aus Sicht der deutschen Fonds­industrie ist Liquiditätsmanagement wichtig, um Fonds in schwierigen Marktsituationen offenzuhalten. „Die Schließung eines Fonds kann nur die Ultima Ratio sein“, sagt Marcus Mecklenburg, Leiter Recht beim deutschen Fondsverband BVI. Mit dem Vorschlag der EU für eine ergänzte Palette von Liquiditätsmanagementinstrumenten würden die Mittel für deutsche Fonds erweitert. So könnten künftig zum Beispiel mit dem Instrument „Side Pockets“ weniger liquide Anteile eines Fonds von den liquiden Vermögensgegenständen abgesondert werden, um so einen Teil des Fonds offenzuhalten. Darüber hinaus will der EU-Gesetzgeber die bei deutschen Spezialfonds gängige Sachauskehr in das EU-Recht übernehmen.

Der Verbandsvertreter kritisiert die Idee im EU-Ministerrat, für jeden Fonds neben der Rücknahmeaussetzung grundsätzlich noch mindestens zwei weitere Liquiditätssteuerungsinstrumente vorzuschreiben. „Das ist übertrieben, insbesondere bei Spezialfonds­, da hier individuelle Absprachen zwischen der Fonds­gesellschaft und den institutionellen Anlegern getroffen werden“, sagt Mecklenburg.

In Deutschland ist Ende März 2020 eine Änderung im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in Kraft getreten. Fondsgesellschaften haben neue Instrumente in ihre Anlagebedingungen eingeführt, die für Anleger durchaus Veränderungen bedeuten. Es gibt nun Rücknahmebeschränkungen, Swing Pricing und Rücknahmefristen. Die Rücknahmefristen gibt es in Deutschland bereits seit 2013 bei den offenen Immobilienfonds. Relativ neu ist: Wenn zu einem Zeitpunkt viele Anleger gleichzeitig ihre Anteile zurückgeben, dann kann das Gating aktiviert werden. Die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) entscheidet, Anleger nur nach einer Quote auszuzahlen. Etwas komplizierter wird es beim Swing Pricing, durch das Anleger die Transaktionskosten im Fonds mittragen müssen, wenn sie Anteile zurückgeben. Swing Pricing sorgt dafür, dass die Transaktionskosten diejenigen Anleger belasten, die zu den hohen Rückgaben beigetragen haben.

Unabhängig von neuen Regeln müssen Kapitalverwaltungsgesellschaften schon heute gesetzlich ein Risiko- und Liquiditätsmanagement vorhalten und zum Beispiel Liquiditätsstresstests umsetzen. „Bei Publikumsfonds kann man aus der Historie heraus relativ gut abschätzen, wie der Liquiditätsbedarf ist und was in Stresszeiten passiert. Hier wird mit erprobten Szenarien gearbeitet“, sagt Kevin Naumann, Senior Manager bei KPMG Financial Services. Auf der institutionellen Seite sei das s viel schwieriger, da man hier mit Modellen nicht direkt arbeiten könne. „Der Abruf von Liquidität ist individueller incentiviert und im Falle des Abrufs zumeist massiver als im Publikumsbereich.“ Eine Standardisierung des Liquiditätsmanagements betreffe daher stärker das Segment der alternativen Investmentfonds (AIF), da es hier einen Nachholbedarf gebe.

Regulierung aushebeln

„Die Frage ist, wie die Regulatoren mit dem Argument umgehen, dass im institutionellen Bereich alles individualisiert ist“, sagt Naumann. Große Assetmanager müssen nach seiner Einschätzung auf jeden Fall Systeme vorweisen können. „Wichtig ist es aber, aufgrund der Unterschiedlichkeit der Produkte die Regeln an beispielsweise den Kundentypen hinter den Produkten festzumachen.“

Problematisch bleibe der Fall, wenn die Kunden stets freizeichnen, dass die Fondsmanager über bestimmte Limits gehen können. Naumann: „Das hebelt die Regulierung aus.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.