Eigenkapitalvorschriften

Europäische Sonderwege bei Basel III

Die EU-Staaten gehen bei der Umsetzung der Basel-Vorgaben nicht besonders streng vor.

Europäische Sonderwege bei Basel III

Die EU-Staaten machen wieder ein wenig Tempo bei der Umsetzung des Basel-III-Bankenpakets, und das ist auch gut so. Ursprünglich sollten die neuen Regeln ja schon längst in Kraft sein, bevor zunächst Corona zu einer Verschiebung auf 2023 führte und dann die EU-Kommission noch einmal zwei weitere Jahre drauflegte. Diesen Zeitplan jetzt noch einmal in Frage zu stellen und die neue Bankenregulierung angesichts des derzeitigen Krisenumfeldes erst einmal wieder auf Eis zu legen, wie zwischenzeitlich von einigen gefordert, ergibt keinen Sinn – insbesondere nicht für die großen europäischen Banken, die auf international einheitliche Wettbewerbsbedingungen angewiesen sind. Für die Kreditwirtschaft muss es eher um eine vernünftige Umsetzung der Basel-Vorgaben als um eine Verschiebung gehen.

So gesehen können vor allem die deutschen Banken mit dem Kompromiss, den die Finanzminister am Dienstag gefunden und abgesegnet haben, zufrieden sein. Die langen Übergangsfristen wurden beibehalten, was der Wohnimmobilienfinanzierung und mit Blick auf ungeratete Unternehmen vor allem der Mittelstandsfinanzierung zugutekommt. Es gibt ein wenig mehr Zugeständnisse für kleinere, wenig komplexe Institute und Sparkassen, und auch die Vorgaben für die Bestellung von Verwaltungsräten wurden von den Mitgliedstaaten wieder gelockert, was vor allem Volksbanken und Sparkassen freuen dürfte. Die Bundesregierung hat nahezu all ihre Forderungen in dem Kompromiss unterbringen können. Lediglich bei den Förderbanken droht noch ein starker Anstieg der Kapitalanforderungen im Durchleitungsgeschäft – was bei der Kreditvergabe gerade in Krisenzeiten natürlich nicht förderlich ist.

Aber auch die Banken wissen: Der europäische Gesetzgebungsprozess ist damit noch längst nicht beendet. Im EU-Parlament hat der zuständige spanische Abgeordnete im Sommer einen Berichtsentwurf vorgelegt, der in eine gänzlich andere Richtung läuft: Strenge Umsatz-Obergrenzen bei den Übergangsfristen zum Output Floor für ungeratete Unternehmen, die Verknüpfung von Übergangsregeln für die Wohnimmobilienfinanzierungen mit Nachhaltigkeitskriterien sowie das Ignorieren von weiteren Proportionalitätsschritten sind nur einige seiner Vorschläge, die auch im EU-Parlament hoch umstritten sind. Hunderte Änderungsanträge sind eingegangen. Und wann die Schlussverhandlungen mit den EU-Ländern beginnen können, ist noch völlig unklar.

Spätestens dann wird aber die Frage neu auf den Tisch kommen, die aktuell vor allem die obersten europäischen Bankenaufseher adressieren, die aber von den Finanzministern bei ihrer Kompromisssuche geflissentlich ignoriert wurde: Wie stark dürften die europäischen Besonderheiten in der (Kredit-)Wirtschaft bei der Umsetzung der auf internationaler Ebene vereinbarten Regeln berücksichtigt werden? Schon die EU-Kommission hatte die Basel-Vorgaben in einigen Punkten flexibel ausgelegt, was auch die Kapitalanforderungen für die europäischen Banken verringert hat. Die EU-Staaten gehen jetzt noch einmal einen Schritt weiter. So verständlich das in vielen Bereichen ist – die Frage nach dem Level Playing Field, das die Basel-Regeln eigentlich schaffen sollten, ist noch nicht entschieden.

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