Abschlussprüfung

EY bringt Commerzbank in die Bredouille

Bei der Hauptversammlung der Commerzbank soll der Wirtschaftsprüfer EY für das laufende Geschäftsjahr erneut zum Prüfer bestellt werden. Zugleich prüft die Commerzbank aber eine Klage gegen EY wegen der Wirecard-Pleite. Das ist eine mögliche Steilvorlage für Aktionäre, um zu klagen.

EY bringt Commerzbank in die Bredouille

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Die heutige Hauptversammlung der Commerzbank macht voraussichtlich zwar einerseits formell mit dem Chaos im Aufsichtsrat ein Ende nach dem Ausscheiden von Hans-Jörg Vetter und Andreas Schmitz. Andererseits verbergen sich im Schatten dieser schlagzeilenträchtigen Geschichte der vergangenen Monate zwei Tagesordnungspunkte, die Sprengkraft in sich bergen.

Mit Punkt 4 der Agenda soll die Prüfungsgesellschaft EY für 2021 erneut zum Prüfer bestellt werden und unter Punkt 5 KPMG für 2022 zum Prüfer unterjähriger Finanzinformationen bestellt werden. Zugleich aber prüft die Commerzbank, gegen EY wegen Wirecard zu klagen, wo die Commerzbank ein wichtiger Kreditgeber war. Damit stellt sich die Frage, wie unbefangen und kritisch die Prüfung stattfinden kann, wenn im Hintergrund eine Klage droht.

In Fachkreisen der Wirtschaftsprüfer wurde bereits über diese mögliche, sogenannte Inhabilität der Abschlussprüfung der Commerzbank diskutiert: Sollte ein Aktionär gegen den Jahresabschluss auf Basis dieses Dilemmas klagen, wäre die Prüfung des Jahresabschlusses im schlimmsten Falle nichtig. Dass Aktionäre die Wiederwahl von EY kritisch sehen, zeigt auch, dass es zu diesem Punkt bereits einen Gegenantrag des Aktionärs Erich Bezzel gibt. Er spricht sich für einen sofortigen Wechsel zu KPMG aus und zugleich EY die Fähigkeit einer fachgerechten Prüfung ab. Inwieweit könnte die Commerzbank sich EY gefügig machen und eine vielleicht wohlwollendere Prüfung bekommen, wenn im Hintergrund die Keule einer Schadenersatzklage über den Häuptern der Prüfer von EY hängt? Wie weit ist die unabhängige Urteilsbildung von EY vor diesem Hintergrund möglich? Das sind die zentralen Fragen bei dieser bislang einzigartigen Konstellation bei einer deutschen Abschlussprüfung.

„Ohne ausreichende Zeit für eine Einarbeitung noch vor Beginn des zu prüfenden Geschäftsjahres ist ein Wechsel des Abschlussprüfers kaum möglich. (…) Deshalb sind der Prüfungsausschuss und der Aufsichtsrat unter sorgfältiger Abwägung aller Aspekte zu dem Ergebnis gekommen, für das Geschäftsjahr 2021 nochmals EY als Wirtschaftsprüfer zu bestellen, gleichzeitig aber für das Geschäftsjahr 2022 den Wechsel zu einem neuen Abschlussprüfer einzuleiten“, schreibt die Commerzbank in ihrer Stellungnahme. Sie hat also das Prüfungsmandat bei EY zu Ende 2021 gekündigt.

Ohne Alternative

Bei EY hieß es auf Anfrage: „EY beurteilt seine Unabhängigkeit regelmäßig und diskutiert diese Thematik mit dem Vorstand und Aufsichtsrat seiner Prüfungsmandanten. Dies entspricht der Vorgehensweise gemäß der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer sowie den nationalen und internationalen Regelungen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer.“ EY musste die im Raume stehende Klage gegen sich selbst bei dieser Entscheidung bewerten.

Tatsächlich hat die Commerzbank keine Alternative, als bei EY für 2021 zu bleiben. Denn die anderen großen Wirtschaftsprüfer Deloitte, KPMG oder PwC hatten Beratungsmandate bei den „Gelben“ und brauchen ein Cooling-off vor einer Bestellung zum Wirtschaftsprüfer. Da eine Bank angesichts der hochgradig komplexen Regulierung im Vergleich zu einem „normalen“ Unternehmen als schwieriges Mandat für eine Prüfungsgesellschaft gilt, braucht es reichlich fachkundige Mitarbeiter hierfür, die nur von den sogenannten Big Four der Wirtschaftsprüfer so vorgehalten werden.

Mit dem Spannungsverhältnis Commerzbank – EY hat sich – indes nur auf abstrakter Basis – bereits der Fachausschuss Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) be­schäftigt. In der Anlage 1 zur Sitzung des Fachausschusses Recht vom Dezember 2020 wird der Kasus „Gefahren für die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers aufgrund der (drohenden) Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen seitens des Prüfungsmandanten“ anhand der Vorgaben durch nationale, EU- und internationale Vorgaben für die Abschlussprüfung durchgespielt. Demnach gibt es keinen absoluten Ausschlussgrund für die Beibehaltung des Mandats bei einer drohenden Klage, sondern es geht um die relative Einzelfallbetrachtung. Die Beurteilung dieser Problemlage muss beim Mandanten wie beim Prüfer erfolgen, indem die Sicht eines unbeteiligten Dritten eingenommen wird. Wie wahrscheinlich ist eine Klage, wie die Aussicht auf Erfolg, wie groß der materielle Schaden? Das sind dabei die zentralen Punkte.

Wie in der Branche zu hören ist, wird die Gefahr der Inhabilität der Abschlussprüfung der Commerzbank vor dem Hintergrund des zu Ende 2021 gekündigten Mandats als bewältigbar betrachtet. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma könnte es sein, einen zweiten Prüfer für das laufende Geschäftsjahr hinzuzuziehen, um mögliche Sorgen um eine Befangenheit von EY zu beseitigen, heißt es.