EZB nimmt Fondsbranche unter die Lupe
Die Europäische Zentralbank sorgt sich um die von Fondsgesellschaften ausgehenden Risiken für die Finanzstabilität. Die Branche hat sich zuletzt zunehmend risikofreudig gezeigt. Zugleich nimmt die Liquidität der von ihr verwalteten Vermögen ab, wie die Notenbank in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht aufzeigt.bn Frankfurt – Finanzstabilitätsrisiken außerhalb der Kreditwirtschaft rufen die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Plan. Nichtbanken, die eine zunehmend wichtige Rolle für die Finanzierung der Realwirtschaft spielen, haben ihr Engagement in riskanteren Segmenten des Unternehmens- und Staatssektors verstärkt, wie die EZB am Mittwoch auf einer Pressekonferenz anlässlich ihres halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts in Frankfurt erklärte.Eine rasche Neubewertung von verwalteten Vermögen dürfte demnach ein wachsendes Kredit- und Liquiditätsrisiko in einigen Teilen des Kapitalmarktsegments nach sich ziehen – nicht zuletzt, weil einige Fonds mit höheren Fremdkapitalhebeln operieren. Der Stress dürfte sich dann im Finanzsystem ausbreiten. Wie die Stabilitätswächter vorrechnen, entfallen jüngsten Daten zufolge mittlerweile 15 % der Anleihenbestände der Investmentfonds in der Eurozone auf Wertpapiere, die ein Rating von “BB” oder “B” aufweisen. Auf Papiere mit einer Bonitätsnote von “BBB”, der niedrigsten Stufe im Investment-Grade-Sektor, entfällt zudem nicht weniger als knapp ein Drittel des gesamten Anleihenportfolios der Fonds (siehe Grafik).Erkenntnissen der EZB zufolge hat eine Erhöhung des Kreditrisikos in den Fonds, eine Verringerung ihrer Liquidität sowie eine Reduktion des Anteils von Staatsanleihen aus dem Euroraum den Anteil hochliquider Titel in den Anleiheportfolios sinken lassen, und zwar von annähernd 40 % im Jahr 2013 auf 30 % im Jahr 2018. Darüber hinaus haben die Fonds im Euroraum ihre Barquote inzwischen unter den Mittelwert der Jahre 2009 bis 2014 heruntergefahren.Im Hochzins-Segment (High Yield) geht eine niedrige Barquote überdies mit niedrigen Beständen anderer liquider Titel wie Staatsanleihen einher. Im momentanen Zinsumfeld seien Assetmanager zunehmend in illiquiden Risiken investiert, führte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos aus. Damit ergebe sich die Möglichkeit einer Diskrepanz zwischen der Anlagestrategie eines Fonds und dessen Liquidität, etwa wenn Kunden, die Mittel abzögen, nicht ausgezahlt werden könnten.Auf die Frage nach möglichen Maßnahmen zur Begrenzung dieses Risikos räumte de Guindos ein, dass der Instrumentenkasten der EZB mit Blick auf die Fondsbranche nicht vergleichbar ist mit ihren Werkzeugen im Falle von Banken, denen die Aufsicht bei Bedarf etwa höhere Kapitalanforderungen auferlegen kann. Als eine Möglichkeit der Intervention zählte er Beschränkungen bei der Rücknahme von Anteilen auf, ferner Szenarien, in denen Investoren nicht bar, sondern in Form von Aktiva ausbezahlt werden. Makroprudenzielle Strategien könnten helfen, solchen Anfälligkeiten zu begegnen, teilte die EZB am Mittwoch mit. Zur Entwicklung makroprudenzieller Werkzeuge für Nichtbanken sei aber noch weiterer Fortschritt nötig.Außerhalb des Zuständigkeitsgebietes der EZB, in Großbritannien, hatte zuletzt der Fall des Fondsmanagers Neil Woodford für Schlagzeilen gesorgt. Der ehemalige Star der Zunft hatte Wertberichtigungen auf nicht börsennotierte Beteiligungen vorgenommen. Sein “LF Woodford Equity Income”, ein gewöhnlicher Aktienfonds, musste im Juni vom Handel ausgesetzt werden, weil sich nicht genügend Liquidität mobilisieren ließ, um alle Kunden auszuzahlen, die Anteile zurückgeben wollten. Mehr Puffer für BankenMit Blick auf den Bankensektor regt die EZB unterdessen eine Erhöhung der Vorgaben für den antizyklischen Kapitalpuffer “in einigen Ländern” an, die jeweils ein solides Kreditwachstum, steigende Verschuldungsniveaus sowie Anzeichen einer Unterbewertung von Risiken registrieren.Überhaupt wäre es nützlich, stünden in der Eurozone stärkere Kapitalpuffer bereit, die in einem Abschwung bei Bedarf aufgelöst werden könnten, wie der Finanzstabilitätsbericht weiter festhält. Auf diese Weise könnte ein exzessives Deleveraging, also ein zu rascher Abbau von Aktiva, durch Banken vermieden werden. Zu konkreten Empfehlungen an einzelne Länder rang sich de Guindos am Mittwoch auf Anfrage allerdings nicht durch.Forderungen nach einer Aufstockung des Freibetrags im Zuge der Staffelung des Einlagezinses der EZB lehnte er fürs Erste dagegen eindeutig ab. Derzeit stellt die Notenbank das Sechsfache ihrer Mindestreserveanforderung an Banken vom Negativzins frei, wenn die Institute überschüssige Liquidität auf ihren EZB-Konten parken. Schätzungen zufolge erspart die Notenbank den Instituten im Euroraum damit einen Zinsaufwand von 4 Mrd. Euro. In Deutschland ist zuletzt die Forderung nach einem Faktor von 25 laut geworden. Freibetrag bleibtDieser Faktor müsse auf das Geschehen am Geldmarkt abgestimmt sein, erklärte de Guindos – im Markt wird vorgerechnet, dass die Notenbank mit ihrem “Tiering” etwa ein Drittel der Überschussliquidität von Banken aus dem Markt genommen hat. Bislang habe die EZB jedoch keine relevante Verwerfung am Geldmarkt festgestellt, sagte er. Die Notenbank gehe davon aus, dass sie mit ihrer Kalkulation richtig gelegen habe und es keinen Grund gebe, den Freibetrag zu erhöhen.Der EZB-Vizepräsident bekräftigte am Mittwoch seine Einschätzung, dass sich zunehmend die Nebeneffekte der ultralockeren Geldpolitik zeigen. Einen Punkt, an dem die schädlichen Folgen der Geldpolitik überwiegen, sieht er indes noch nicht erreicht. “Während das Niedrigzinsumfeld die Konjunktur unterstützt, stellen wir zugleich eine Zunahme der Risikofreude fest, welche auf mittlere Sicht Herausforderungen für die Finanzstabilität schaffen könnte”, erklärte de Guindos in einer Pressemitteilung der EZB. – Wertberichtigt Seite 8