EZB will Überschussliquidität im Bankensystem abbauen
EZB will Überschussliquidität im Bankensystem abbauen
Reuters Frankfurt
Die Währungshüter der EZB wollen Insidern zufolge demnächst darüber beraten, wie sie die Billionen Euro schwere Überschussliquidität im Bankensystem verringern können. Dabei könnte die Anhebung der Mindestreserve-Anforderungen für Geschäftsbanken ein möglicher erster Schritt sein, sagten sechs mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Da die Zinsen wohl mindestens bis Dezember konstant gehalten würden, konzentrierten sich die Euro-Wächter nun auf das Geld, das sie im Laufe von rund einem Jahrzehnt durch billionenschwere Käufe von Staatsanleihen und anderen Schuldentiteln in das Bankensystem der Euro-Zone gepumpt haben. Die Debatte werde voraussichtlich auf der auswärtigen Zinssitzung in Athen am 26. Oktober beginnen. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Bundesbank stellt sich auf Verlustjahre ein
Die hohe Überschussliquidität im Bankensystem dämpft die Auswirkungen der Zinserhöhungen, indem sie den Wettbewerb der Banken um Einlagen schwächt. Zudem führt sie zum Teil zu sehr hohen Zinszahlungen der nationalen Notenbanken an die Institute – und trägt damit zu Verlusten bei manchen nationalen Notenbanken bei. Die Bundesbank beispielsweise stellt sich inzwischen auf mehrere Verlustjahre ein. Der Einlagenzins, den die Notenbanken auf bei ihnen geparkte überschüssige Gelder der Geschäftsbanken zahlen, liegt inzwischen bei 4% – das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
Die Debatte wird sich den Insidern zufolge auf drei Bereiche konzentrieren: die Höhe der Mindestreserven, die die Banken bei der Notenbank halten müssen, die Rückabwicklung der Anleihekaufprogramme und ein neues Rahmenwerk für die Steuerung der kurzfristigen Zinssätze.
Mindestreserve von 3 bis 4% in der Diskussion
Mehrere Währungshüter befürworten den Insidern zufolge eine Anhebung der Mindestreserve, die die Banken bei der Notenbank parken müssen und für die sie keine Zinsen erhalten. Derzeit sind das 1% der Kundeneinlagen von Banken. Angepeilt werde ein Wert, der näher bei 3 oder 4% liegen könnte. Das hätte aus Sicht dieser Währungshüter Vorteile. So werde einerseits wie gewünscht Liquidität aus dem Bankensystem herausgenommen. Zugleich würde damit aber auch das Ausmaß der Zinszahlungen an die Geschäftsbanken verringert, die die 20 nationalen Notenbanken der Euro-Zone auf deren Einlagen leisten.
Aus Sicht der Währungshüter könnte dies ein leichter erster Schritt für die EZB sein. Die Euro-Wächter hätten darüber schon im Juli diskutiert. Die geforderten Mindestreserven lägen derzeit lediglich bei etwa 165 Mrd. Euro während die Überschussliquidität aktuell rund 3,7 Bill. Euro betrage. Einige Währungshüter wollten aber Mindestreserve-Entscheidungen mit Entscheidungen über die Anleihekaufprogramme und den Zinsrahmen bündeln. Vor allem die Debatte über den Abbau der Anleihebestände wurde von den Insidern als schwierig eingestuft. Dabei hätten sie auch im Blick, die Finanzmärkte nicht zu sehr durcheinanderzuwirbeln, wobei sie besonders auf die italienischen Staatsanleihen blickten.
Debatte könnte bis 2024 andauern
Entscheidungen zu den Anleihekaufprogrammen fielen womöglich noch nicht in diesem Jahr, sagten die Insider. Der Notenbank-Chef der Slowakei, Peter Kazimir, sagte am Montag, er würde weitere sechs Monate bezüglich einer Entscheidung über das Pandemie-Anleihekaufprogramm PEPP warten. Den Insidern zufolge hat die Debatte über den künftigen geldpolitischen Zinsrahmen noch nicht wirklich begonnen. Dabei geht es um Frage, ob die EZB zu einem Korridorsystem bei ihren drei Schlüsselzinsen zurückkehren wolle wie vor der Finanzkrise oder ein Floor-System wie aktuell beibehält.
Es werde erwartet, dass die Debatte noch bis ins Jahr 2024 gehe. Seit geraumer Zeit schon gilt der niedrigste der drei EZB-Schlüsselzinsen, der Einlagesatz, am Finanzmarkt als der wichtigste Zins. Die anderen Sätze spielen inzwischen eine eher untergeordnete Rolle.