EZB liest Großbanken die Leviten
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) macht mit Blick auf die Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken den Großbanken Eurolands mächtig Dampf. Wie Frank Elderson, Vize-Chef der europäischen Bankenaufsicht, am Montag auf einer Veranstaltung des European Banking Institute (EBI) erklärte, hat sich die Qualität der von den Banken veröffentlichten Informationen seit einer ersten Inventur durch die EZB im November 2020 zwar verbessert, vor allem was die Bereiche Risikomanagement, Governance und Geschäftsmodell angeht. „Diese Verbesserung aber ist nur minimal gewesen“, stellte er bei Präsentation der Ergebnisse einer zweiten Bestandsaufnahme am Montag fest. Alles in allem erfülle noch immer kein Einziges der von der EZB direkt kontrollierten Institute die aufsichtlichen Erwartungen an die Veröffentlichung in vollem Umfang. Der Erhebung zufolge hat die Zahl solcher Häuser, die über das Management und die Governance ihrer Klima- und Umweltrisiken informieren, 2021 von rund 50 % auf 70 % zugenommen.
Zugleich teilten nur vier von zehn Instituten, nach drei von zehn im Jahr davor, relevante Angaben über die Verankerung solcher Risiken in ihren strategischen Überlegungen. Rund drei Viertel legen demnach nicht offen, ob Klima- und Umweltrisiken erhebliche Auswirkungen auf ihr Risikoprofil haben, und dies, obwohl rund jede zweite dieser Banken der EZB mitgeteilt hat, dass sie sich solchen Risiken ausgesetzt sieht.
„Sehr wenig Rechtfertigung“
„Banken versuchen die schwache Qualität ihrer Veröffentlichungen durch Publikation großer Mengen an Information zu grünen Themen zu kompensieren“, polterte Elderson in für Aufseher ungewöhnlich deutlichen Worten: „Wir bekommen eine Menge Weißrauschen, aber keine wirkliche Substanz dazu, was Märkte und Aufseher wirklich wissen wollen: Wie stark eine Bank Klima- und Umweltrisiken ausgesetzt ist und was sie unternimmt, um dieses Exposure zu steuern.“ Unter weißem Rauschen versteht man ein eintöniges Geräusch, welches dem Gehirn dabei helfen soll, unangenehme Frequenzen oder Störgeräusche zu ignorieren. Zweifelsohne sei es relevant für Banken, ihre Bemühungen zur Reduktion des Stromverbrauchs in ihren Filialen offenzulegen, sagte Elderson. Es wäre aber weitaus bedeutender bekannt zu geben, wie sie ihre Aktivitäten in Richtung eines Risikomanagements steuerten, das an einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft ausgerichtet sei.
Laut EZB legen nur 15% der Banken die von ihnen finanzierten sogenannten Scope-3-Emissionen offen, welche entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen „Es gibt sehr wenig Rechtfertigung für diesen Mangel an substanziellem Fortschritt, vor allem angesichts des riesigen Volumens und der Qualität an klimabezogenen Daten, Instrumenten und Informationen, welche verschiedene internationale und europäische Organisationen und Institutionen in den zurückliegenden Jahren geteilt haben“, wetterte Elderson. Wie die EZB in ihrem zu Wochenbeginn publizierten Bericht mitteilte, wurden die Veröffentlichungen qualitativer Informationen der Banken zu 45% als unzureichend mit Blick auf ihren Inhalt oder auf dessen Begründung eingestuft. Veröffentlichungen zu Klima- und Umweltrisiken würden weiterhin eine prominente Rolle in der Bankenaufsicht spielen, kündigen die Aufseher an, die Klima- und Umweltrisiken schrittweise in ihre aufsichtliche Überprüfung SREP integrieren wollen, welche sich auf die individuellen Kapitalanforderungen an die Institute auswirkt.
Auch substanziierten Banken kaum klima- und umweltbezogene Kennzahlen oder Ziele, was etwa das Übereinkommen von Paris angeht, rügt die EZB. Nur rund ein Fünftel lege Methoden, Definitionen und Kriterien für alle als wesentlich ausgewiesenen Zahlen, Kennziffern und Ziele offen. Laut European Banking Authority (EBA) werden Eurolands Großbanken ab Anfang 2023 qualitative und quantitative Daten zu Klima- und Umweltrisiken offenlegen müssen.
Wertberichtigt Seite 6