Fidelity hält der Krise stand
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Die Fondsgesellschaft Fidelity International ist nach einem Rekordjahr 2021 im Deutschlandgeschäft mit dem laufenden Turnus angesichts der vielschichtigen wirtschaftlichen Krise zufrieden mit den Zuflüssen und der Vermögensentwicklung. „Wir hatten 2021 ein exzellentes Jahr mit einem Rekordstand beim verwalteten Vermögen in Deutschland von 64,1 Mrd. Euro. Jetzt hat uns die Marktentwicklung als Folge des Ukraine-Kriegs wieder auf 56,2 Mrd. Euro zurückgeworfen, was wir als Normalisierung betrachten und in unsere mittelfristige Planung passt“, sagt Ferdinand-Alexander Leisten, Sprecher der Geschäftsführung in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Die privat geführte Gesellschaft aus London lässt sich nicht in die Karten schauen, was die mittelfristigen Ziele sind. „Wir wollen mittelfristig unser gesundes Wachstum fortsetzen und in den hiesigen fünf Geschäftsbereichen profitabel wachsen“, bleibt der 55-Jährige vage. Das letztere Ziel wiederum ist weder im Rekordjahr noch in diesem Jahr erreicht worden, denn das institutionelle Geschäft bleibt ein Problemfall und muss nun das zweite Jahr in Folge mit Abflüssen kämpfen. Waren es 2021 schon −674 Mill. Dollar, sind es per Ende August bereits −855 Mill. Dollar.
Risikoreiche Assets
„Wir leiden in unserem institutionellen Geschäft darunter, dass wir beim verwalteten Vermögen als aktiver Manager einen hohen Anteil an risikoreichen Assets haben, also Aktien, Unternehmens- und High-Yield-Anleihen. Wir müssen an unserer Außenwahrnehmung arbeiten, wir haben nämlich auch noch viele andere gute Angebote“, erklärt Leisten die Lage im institutionellen Geschäft.
Insgesamt betrugen die Zuflüsse im vergangenen Jahr 6,2 Mrd. Dollar. „Auch 2022 ist für uns bislang ein gutes Jahr mit positiven Nettomittelzuflüssen von rund 1,5 Mrd. Dollar.“ Von diesen Werten – wie natürlich auch vom verwalteten Vermögen insgesamt – muss das Plattformgeschäft abgezogen werden, die FIL Fondsbank mit Dienstleistungen für Vermögensverwalter, um auf das originäre Fondsgeschäft zu kommen. Die FFB generierte 2021 Zuflüsse von 3,8 Mrd. Dollar und bislang von 2,1 Mrd. Dollar. Das Plattformgeschäft und das sehr kleine Direktgeschäft mit Privatkunden wurden vor geraumer Zeit unter eine einheitliche Leitung von Jan Schepanek gestellt. Zuvor hatte Claudia Barghoorn als Geschäftsführerin für das Privatkundengeschäft die Gesellschaft mit Sitz in Kronberg nahe Frankfurt verlassen und arbeitet nunmehr für J.P. Morgan.
Weg von Garantien
Im originären Geschäft erweist sich im bisherigen Jahresverlauf die betriebliche Altersvorsorge als das stärkste Geschäftsfeld (2022: 152 Mill. Dollar; 2021: 1,2 Mrd. Dollar), was nicht dem Trend der Vorjahre entspricht, als das Wholesale-Geschäft mit den Publikumsfonds (2022: 140 Mill. Dollar; 2021: 1,7 Mrd. Dollar) die Nase vorn hatte, also das Geschäft mit den Vertriebsstellen der Banken.
„Wir beraten Unternehmen bei ihren Pensionsverpflichtungen, die von Defined Benefit auf Defined Contribution umstellen, also weg von garantierten Leistungszusagen in der Zukunft hin zu zugesagten Beitragszahlungen. Wir erwarten angesichts der Abkehr von Garantien im Niedrigzinsumfeld in diesem Geschäftsfeld weiteren Zuwachs.“ Die Koalitionspläne zur Reform der Altersvorsorge in allen drei Säulen – staatlich, privat und betrieblich – begrüßt Leisten. „Aber ein einmaliger Beitrag in der staatlichen Säule, der in die Kapitalmarktdeckung gehen soll wie angedacht, reicht nicht aus, dazu braucht es jährliche Beiträge.“ Das schwedische Modell der Altersvorsorge mit dem starken Kapitalmarktbeitrag hält Leisten für sehr geeignet. „Was wir auf jeden Fall brauchen, ist eine staatliche Förderung der Aktienanlage in der privaten Altersvorsorge und zwar weit über eine Anhebung der Sparerfreibeträge hinaus“, fordert er. Zugleich hält er es für essenziell, dass endlich etwas dagegen unternommen wird, dass Deutschland „in Sachen Finanzbildung ein Entwicklungsland“ ist. Neben der Politik sieht er dabei auch seine eigene Branche in der Pflicht.
Die zurückliegenden Monate hat Fidelity dazu genutzt, das Personal massiv aufzustocken. Annähernd 50 neue Mitarbeiter kamen hinzu, so dass das Team hierzulande auf fast 400 Mitarbeiter angewachsen ist. Bei Leistens Amtsantritt im Jahr 2014 waren es nur 320 gewesen, und für den Umbau der Gesellschaft nach einer Krise war die Zahl zunächst auch erst einmal reduziert worden.
Im Fokus beim jüngsten Personalausbau stand Verstärkung in den Bereichen Kundenbetreuung und Vertrieb insbesondere für die Segmente Versicherer, die Vertriebspartner und die betriebliche Altersvorsorge. Auch wurde das Plattformgeschäft personell verstärkt für die fortlaufende Digitalisierung. Unter anderem gibt es seit 2018 die digitale Vermögensverwaltung Fidelity Wealth Expert mit digitaler Beratungsstrecke, um insbesondere Jüngere anzusprechen. Allerdings liegt das verwaltete Volumen hier erst im gut dreistelligen Millionenbereich, konkreter beziffert Leisten es nicht.
Leisten berichtet ebenso wie zuvor schon Headhunter, dass die Personalakquise angesichts des sich bemerkbar machenden demografischen Wandels sowie des allseits beklagten Mangels an Fachkräften spürbar mühseliger wird. Es gebe weniger Resonanz auf Ausschreibungen, und der Prozess ziehe sich deutlich in die Länge, berichtet Leisten.
Verwirrung in der Beratung
Hinsichtlich der Umstellung in der Anlageberatung seit dem 2. August, durch die Berater die Kunden nun auch detailliert nach ihren Nachhaltigkeitsvorlieben befragen müssen, ließen sich aus Sicht eines Fondsanbieters noch keine Rückschlüsse ziehen, wie gut oder schlecht es laufe. „Es ist eine sehr lange Beratungsstrecke geworden, die mehr verwirrt als Transparenz schafft, auch wenn es grundsätzlich gut gemeint und richtig ist, dass danach gefragt wird. Aber die Regulierer sind möglicherweise etwas übers Ziel hinausgeschossen.“
Trotz der Rückschläge an den Börsen interessieren sich Leisten zufolge die Anleger dennoch für Aktien, und zwar für Dividendentitel, die Sicherheit durch die regelmäßigen Ausschüttungen bieten. Auch Aktien von Unternehmen mit langfristiger Substanz, deren fundamentaler Wert unterhalb des aktuellen Aktienpreises liegt (Value), blieben gefragt.